Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 74/1998 vom 05.02.1998

FFH-Richtlinie

Die Geschäftsstelle hat sich mit Schreiben vom 27. Januar 1998 erneut an die Ministerin für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Bärbel Höhn, gewandt und weitere Verfahrensoptimierungen im Hinblick auf die Festlegung und Meldung der FFH-Gebiete (Tranche 1 b) angeregt. Im einzelnen sind folgende Anregungen unterbreitet worden:

"1. Die Meldung der FFH-Schutzgebiete Tranche 1 b an die EG-Kommission sollte in Nordrhein-Westfalen solange ausgesetzt werden, bis die zwischenzeitlich auf den Weg gebrachte "Kleine Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz" zur Umsetzung der FFH-Richtlinie in deutsches Recht in Kraft getreten ist. Die Frist zur Stellungnahme für die betroffenen Städte und Gemeinde sollte deshalb nochmals um mindestens 3 Monate ab dem Inkrafttreten der "Kleinen Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz" verlängert werden.

Die besondere Problematik bei der Festlegung und Meldung von FFH-Gebieten der Tranche 1 b besteht darin, daß mit der Meldung der FFH-Gebiete an die EU-Kommission und die Aufnahme der Gebiete in die EU-Liste der Schutzstatus bereits feststeht, so daß im Gegensatz zur Ausweisung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten nach deutschen Recht eine Abwägung über den Schutz als solchen nicht mehr stattfinden kann. Durch einen solchen Verfahrensablauf wird insbesondere der Schutz der kommunalen Planungshoheit in erheblicher Weise beeinträchtigt, was mit Art. 28 Abs. 2 GG/Art. 78 Abs. 2 Landesverfassung NW kaum zu vereinbaren sein dürfte.

Deshalb ist es unverzichtbar, auf der Grundlage der Stellungnahmen der betroffenen Städte und Gemeinden zur beabsichtigten Festlegung von FFH-Gebieten der Tranche 1 b in Einzelgesprächen mit den betroffenen Städten und Gemeinde eine einvernehmliche Lösung über die Festlegung der FFH-Gebiete zu erzielen. Eine solche Verfahrenspraxis ist insbesondere geeignet, dem Gedanken eines kooperativen Naturschutzes Rechnung zu tragen, der seit vielen Jahren die Naturschutzpraxis im Land Nordrhein-Westfalen positiv kennzeichnet.

2. Wir erwarten, daß die Landesregierung vor der Benennung von Gebieten der Tranche 1 b als FFH-Schutzgebiete an die EG-Kommission kritisch prüft, ob die zur Meldung vorgesehenen Gebiete die Kriterien der FFH-Richtlinie für eine Benennung von Gebieten tatsächlich erfüllen. Insbesondere halten wir die Prüfung für erforderlich, ob die Gebiete von europaweiter Bedeutung sind und Bestandteile eines europäischen vernetzten Schutzgebietsystems sein können. Ist dies nicht der Fall, ist auf eine Benennung solcher Gebiete zu verzichten.

Nach der FFH-Richtlinie müssen nur solche Gebiete benannt werden, die von europaweiter Bedeutung sind und sich in das europäische Schutzgebietsystem Natura 2000 einfügen. Bislang sind uns keine detaillierten Darlegungen des Umweltministeriums in den konkreten Einzelfällen darüber zur Kenntnis gelangt, ob die Gebiete, die gegenüber der EG-Kommission benannt werden sollen, tatsächlich von europaweiter Bedeutung sind. Wir halten es deshalb für erforderlich, daß im einzelnen für jedes zur Meldung vorgesehene "FFH-Gebiet" detailliert dargelegt wird, aus welchen Gründen das zur Meldung und Festlegung beabsichtigte Gebiet von europaweiter Bedeutung ist sowie Teilbestandteil eines europäischen vernetzten Schutzgebietsystems sein kann.

Wir verkennen in diesem Zusammenhang nicht, daß nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofes der Spielraum des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Benennung von FFH- und Vogelschutzgebieten begrenzt ist. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, bei Gebieten von europaweiter Bedeutung zumindest Einfluß auf den Gebietszuschnitt zu nehmen. Außerdem unterliegt auch die Einschätzung, ob ein Gebiet von europaweiter Bedeutung ist, einem Beurteilungsspielraum der Mitgliedsstaaten und damit in der Bundesrepublik Deutschland den Bundesländern. Diese Auffassung wird jedenfalls von der Bundesregierung vertreten, wie sich u.a. aus den Veröffentlichungen des zuständigen Referenten aus dem Bundesumweltministerium, Herrn Iven, ergibt (vgl. hierzu Iven, Natur und Recht 1996, S. 473 ff., S. 474). Vor diesem Hintergrund sehen wir deshalb durchaus Möglichkeiten, gegenläufige Interessen der Gemeinden bei der Identifizierung der Gebiete zu berücksichtigen und im Ergebnis einvernehmliche Lösungen zu erzielen.

3. Wir halten es für unverzichtbar und schlagen deshalb nochmals vor, daß nur solche Gebiete benannt werden, die im LEP und in den jeweiligen Gebietsentwicklungsplänen landesplanerisch abgesichert sind. Nur auf diese Art und Weise wird sichergestellt, daß ein Abwägungsverfahren zur Durchführung gelangt, in welches auch die gegenläufigen Interessen der Mitgliedsstädte und -gemeinden einfließen können.

Zwar sieht das EG-Recht ein solches Verfahren nicht ausdrücklich vor. Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß eine solche Abwägung nach deutschem Recht auf der landesplanerischen Ebene und hier insbesondere auf der Ebene der Gebietsentwicklungspläne nicht durchgeführt werden muß. Denn das EG-Recht legt lediglich die Kriterien und Zeiträume für die Benennung der FFH-Gebiete fest. Das EG-Recht gibt mithin das nationale Verfahren nicht vor, auf dessen Grundlage die FFH-Gebiete festgelegt und gemeldet werden, so daß vor diesem Hintergrund es den Mitgliedsstaaten überlassen ist, welches Verfahren gewählt wird. Vor diesem Hintergrund gilt jedenfalls die verfassungsrechtlich abgesicherte kommunale Selbstverwaltungsgarantie auch bei der Festlegung und Benennung von FFH-Schutzgebieten, so daß ein Abwägungsprozeß auch aus Gründen der Verfassungskonformität erforderlich ist."

Die Geschäftsstelle wird über den weiteren Verfahrensablauf berichten.

Az.: II/2 60-012

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