Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 570/2007 vom 20.08.2007

Folgen vergaberechtswidrig geschlossener Altverträge

Mit Urteil vom 18. Juli 2007 hat der EuGH sich zu den Folgen vergaberechtswidriger geschlossener Altverträge geäußert. In diesem Urteil hat der EuGH u. a. den Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) für vergaberechtswidrig geschlossene Vereinbarungen verworfen.

Grund ist nach dem EuGH, dass bei einem vergaberechtswidrig geschlossenen Vertrag der Rechtsverstoß jeden Tag fortwirkt, so dass ein Mitgliedstaat nach Art. 228 EG die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Verpflichtung, den Verstoß gegen EU-Gemeinschaftsrecht zu beheben, kann im Extremfall – etwa bei ohne jegliches Vergaberecht geschlossenen langjährigen Verträgen mit einem privaten Partner – zu einer Aufhebungspflicht (Kündigung) durch die Kommune führen. Um insoweit einen Schadensersatzanspruch gegen die Kommune in bestimmten Einzelfällen zu verhindern bzw. zu mildern verweisen wir auf ein Urteil des Landgerichts München vom 20. Dezember 2005 (Az.: 33 O 16465/04):

1. Sachverhalt

Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, wonach sich die Landeshauptstadt München 1998 um einen großen Entsorgungsvertrag eines anderen öffentlichen Auftraggebers in der Funktion als Bieterin bewarb. Die nötigen Transportleistungen ließ sie sich als Subunternehmerleistungen freihändig anbieten und erteilte auch den Unterauftrag freihändig, nachdem sie selbst den Zuschlag erhalten hatte. Die EU-Kommission und – ihr im Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG-Vertrag folgend – der EuGH rügten, die Stadt gelte auch dann als öffentlicher Auftraggeber, wenn sie sich in freier Konkurrenz auf dem Markt betätige (EuGH-Urteil vom 18. November 2004).

In der Folgezeit übte die Kommission dahingehend Druck auf die Bundesrepublik Deutschland aus, diese müsse Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil ziehen und drohte mit einem weiteren Vertragsverletzungsverfahren und einer Bestrafung der Bundesrepublik. Nach längeren Auseinandersetzungen kündigte die Stadt München den Transportvertrag, wogegen sich die Transportfirma mit einer negativen Feststellungsklage an das Gericht wandte.

2. Entscheidung

Das Landgericht hielt die außerordentliche Kündigung für zulässig. Dies ergebe sich aus einer Änderung der Verhältnisse, die bei Abschluss des Vertrages nicht vorausgesehen und nicht geregelt werden konnten. Erst durch das EuGH-Urteil vom 18. November 2004 sei mithin verbindlich festgestellt worden, dass die Erteilung des Subunternehmerauftrags gegen Vergaberecht verstoße. Dieses Wissen lag im Jahr 1998 (Vertragsschluss) nicht vor.

Das Festhalten am Transportvertrag sei der Stadt mithin nach dem Erlass des Urteils des EuGH vom 18. November 2004 nicht mehr zuzumuten gewesen, so dass der Stadt nach § 313 Abs. 3 S. 2 BGB ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe.


3. Empfehlung

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Landgerichts München sollte eine Kommune bei der Durchführung EU-relevanter Vergabeverfahren, also bei Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte, ggf. im Vertrag ein Sonderkündigungsrecht (außerordentliche Kündigung) vorsehen. Dieses Sonderkündigungsrecht darf und kann allerdings allein den Sachverhalt erfassen, dass ein vergaberechtswidrig geschlossener Vertrag erst aufgrund einer späteren Rechtsprechung als rechtswidrig erkannt wird. Nur dieser Fall trifft die Rechtsgrundlage des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Danach kann das Kündigungsrecht ausgeübt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

Keinesfalls kann ein derartiges Sonderkündigungsrecht ein Freibrief dafür sein, mit voller Kenntnis und bewusst vergaberechtswidrig geschlossene Verträge ohne nachteilige Rechtsfolgen für die Auftraggeberseite einseitig zu kündigen. Dieser Sachverhalt lag aber dem vergaberechtswidrig geschlossenen Vertrag Braunschweig in dem Urteil des EuGH vom 18. Juli 2007 (Vergabe eines 30-Jährigen Entsorgungsvertrages ohne Ausschreibung an einen privaten Entsorger) zugrunde.

Quelle: DStGB Aktuell 3107

Az.: II/1 608-00/2

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