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StGB NRW-Mitteilung 675/2016 vom 12.09.2016
Forstausschuss Kommunalwald zu Wildnisplänen des Bundes
Vor einem deutschen Sonderweg bei der Ausweisung von Wildnisgebieten hat der Gemeinsame Forstausschuss „Deutscher Kommunalwald“ die Politik auf seiner Bundestagung am 27./28. Juni 2016 in Iphofen gewarnt. Obwohl auf europäischer Ebene der Stilllegung von Wäldern eine klare Absage erteilt wird, sollen in Deutschland große Waldgebiete in Wildnis zurückentwickelt werden. Im Fokus vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) stehen 337 Waldgebiete, die jeweils größer als 1.000 Hektar sind. Diese Waldgebiete umfassen insgesamt rd. 700.000 Hektar Waldfläche, davon sind rd. 227.000 Hektar Nadelforsten. Die Liste der Waldgebiete wird bisher geheim gehalten. Aktuell wird im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz ein Gutachten zur „Konkretisierung“ der Wald-Wildnis-Gebietskulisse erstellt. Die Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen und zunächst mit den Bundesländern erörtert werden.
„Die Wildnispläne des BMUB lassen wissenschaftliche und internationale Entwicklungen weitestgehend außer Acht. Deshalb lehnen waldbesitzende Kommunen einen deutschen Sonderweg ab. Sollten die Pläne des BMUB verwirklicht werden, müssen sich Bürger, Waldbesitzer und Kommunen auf gravierende Veränderungen einstellen. Wildnis nach EU-Standards bedeutet: Verbot von Tourismus, Forst-, Land- und Weidewirtschaft, Jagd, Waldbrand- und Borkenkäferbekämpfung, Beeren- und Pilze sammeln. Gebäude und Straßen müssen in den Kernzonen entfernt werden“, so der Vorsitzende des Gemeinsamen Forstausschusses „Deutscher Kommunalwald“, Verbandsdirektor Winfried Manns (Mainz), und der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Dr. Gerd Landsberg.
Wildnis stößt an Grenzen
Bereits im Jahr 2009 habe das EU-Parlament in der Begründung zur Entschließung über Wildnisgebiete darauf hingewiesen, dass das Konzept Wildnis im urbanen europäischen Raum an seine Grenzen stoße: „Wir müssen die Natur schützen, jedoch durch menschliche Nutzung“. Die Fläche Europas sei zu klein, um Bürgern den Zugang zu bestimmten Gebieten zu verbieten. In der „EU-Strategie für Wälder und den forstbasierten Sektor“ des Europäischen Parlaments vom 28. April 2015 werde ausdrücklich die große Bedeutung einer nachhaltigen Forstwirtschaft genannt. Forstwirtschaft sei unverzichtbar, um die gesellschaftspolitischen Ziele der EU bei der Energiewende, dem Klimawandel und der biologischen Vielfalt zu erreichen.
Bestätigt fühlen sich die kommunalen Waldbesitzer in ihrer Kritik jetzt auch durch das im Mai 2016 veröffentliche Umweltgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU). Zwar begrüße der SRU mehr Wildnis in Deutschland, weise aber gleichzeitig auf die Probleme hin. So stehe der mit der Ausweisung von Wildnisgebieten einhergehende Nutzungsverzicht im Konflikt mit den wirtschaftlichen Interessen der Flächennutzer. Durch die Aufgabe der Bewirtschaftung entständen Einkommensverluste. Diese beträfen insbesondere die Forstwirtschaft und die Holzverarbeitung, aber auch die Landwirtschaft, die Fischerei und bestimmte touristische und sportliche Nutzungsformen.
Wirtschaftliche Konflikte könne es aus Sicht des SRU auch mit Kommunalwäldern geben. So erwirtschafteten einige Kommunen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Einkünfte durch die Holznutzung. Die regionale Wirtschaft könne über indirekte Effekte negativ betroffen sein. Beispielsweise könne es sein, dass das Holzangebot reduziert werde, mit Auswirkungen auf die zuliefernden und weiterverarbeitenden Betriebe, wie Sägewerke und Holztransportunternehmen, bei denen es zu Einkommensverlusten kommen kann.
Unterstützung erwarten die kommunalen Waldbesitzer vom Bundeslandwirtschaftsministerium, das weitere obligatorische Stilllegungen von Waldflächen nicht für sinnvoll hält. „Wir haben das Bundeslandwirtschaftsministerium jetzt gebeten, ein geeignetes Institut mit der Berechnung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Wildnispläne des BMUB zu beauftragen. Wir wollen wissen, wieviel Wildnis mit der angespannten öffentlichen Haushaltslage von Bund und Ländern noch vereinbar ist“, so Manns und Dr. Landsberg.
Stilllegung von Kommunalwald
Der Forstausschuss „Deutscher Kommunalwald“ hatte sich bereits auf seiner Tagung im November 2015 in Burbach gegen die Wildnis- und Stilllegungspläne vom BMUB und BfN ausgesprochen, wonach Kommunen 10 Prozent ihrer Wälder bis 2020 aus der forstlichen Nutzung nehmen sollen.
Kritisch sehen die Kommunalwaldvertreter insbesondere, dass das Bundesumweltministerium (BMUB) und BfN die Frage nach Kosten und Finanzierung von Wildnis und Waldstilllegung völlig ausblenden. Sie fordern zunächst eine Berechnung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten und des Nutzens zusätzlicher Naturschutzleistungen. Hierzu gehört die Bestimmung der Kosten durch den Verzicht auf die Rohholzproduktion einschließlich der Auswirkungen auf Holzindustrie, Arbeitsplätze im ländlichen Raum und die Strom- und Wärmeerzeugung im Bereich Erneuerbarer Energien, Mehraufwendungen und Mindererträge durch Bewirtschaftungssauflagen (zum Beispiel laubholzorientierter Waldumbau auf rd. 227.000 Hektar Nadelforst in Wildnisentwicklungsgebieten und damit Verzicht auf ertragreiche Nadelholzbaumarten) und Ermittlung des Beitrags von Wildnis zu regionalen Wertschöpfungsketten.
Unterstützung erwarten die kommunalen Waldbesitzer vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), das weitere obligatorische Stilllegungen von Waldflächen nicht für sinnvoll hält. Staatsekretär Dr. Robert Kloos (BMEL) hatte mit Schreiben vom 23.12.2015 an die Verbände darauf aufmerksam gemacht, dass der Nutzungsverzicht für die zum Stichjahr 2013 bereits stillgelegten 213.145 Hektar Wald die deutsche Forstwirtschaft vier Milliarden Euro kostet. Jeder Hektar mit dauerhaft gesicherter natürlicher Waldentwicklung schlage mit durchschnittlich rund 18.227 Euro allein in Form von Nutzungsverzicht zu Buche. Dieser Beitrag wird sich nach Angaben von Staatsekretär Dr. Kloos in den nächsten Jahren auf bis zu rund 6 Milliarden Euro erhöhen, denn bereits heute seien die Weichen für eine Erhöhung des Flächenanteils von Wäldern mit — rechtsverbindlicher — natürlicher Waldentwicklung auf insgesamt über 330.000 Hektar gestellt.
Um die Wildnisgebiete dauerhaft sichern zu können, ist für den SRU der Erwerb durch Kauf oder Tausch die beste Lösung. Als eine Finanzierungsmöglichkeit zum Erwerb und zur Unterhaltung von Flächen für Wildnis hält der SRU Einnahmen aus dem Tourismus wie die Kurtaxe oder die Fremdenverkehrsabgabe für denkbar (SRU-Gutachten, S. 341).
Az.: 26.1-008/001 gr