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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 179/2003 vom 19.02.2003
Gebietsabsprache in Gaslieferungsvertrag kartellrechtswidrig
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschlüssen vom 18.02.03 - KVR 24/01 und KVR 25/02 - entschieden, dass Gebietsabsprachen, die im Rahmen eines Energielieferungsvertrages vereinbart werden, ein verbotenes Kartell darstellen können. Er hat zwei Untersagungsverfügungen des Bundeskartellamts bestätigt, durch die es zwei
in den neuen Bundesländern tätigen Gasversorgungsunternehmen - der Verbundnetz Gas AG (VNG) und der Erdgasversorgung Thüringen-Sachsen GmbH (EVG) - verboten worden war, in Lieferverträgen mit ihren Gaslieferanten eine Gebietsabsprache zu treffen.
VNG und EVG sind Ferngasunternehmen, die private und gewerbliche
Endverbraucher in den neuen Bundesländern mit Gas versorgen. Die vom
Bundeskartellamt beanstandeten Vereinbarungen waren bereits Anfang 1994 mit
einer Laufzeit von zwanzig Jahren abgeschlossen worden. In ihnen hatten sich
VNG und EVG gegenüber Lieferanten von russischem Erdgas - der Wingas GmbH
und der Wintershall Erdgas Handelshaus GmbH (WIEH), die beide
Gemeinschaftsunternehmen der zur BASF-Gruppe gehörenden Wintershall AG und
des russischen Energiekonzerns Gazprom sind - zur Abnahme bestimmter Mengen
russischen Erdgases verpflichtet. WIEH und Wingas hatten in diesem Vertrag
ihrerseits die Verpflichtung übernommen, Kunden - von namentlich benannten
Ausnahmen abgesehen - in den traditionellen Versorgungsgebieten von VNG und
EVG nicht zu beliefern. Zuvor hatten Wingas und WIEH Lieferbeziehungen zu
Abnehmern entlang der durch die neuen Bundesländer führenden konzerneigenen
Ferngasleitung mit abzweigenden Stichleitungen aufgebaut.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat nun in Übereinstimmung mit der
Vorinstanz entschieden, dass eine solche Vereinbarung - unabhängig davon, ob
sie schon unter altem Recht als ein Mißbrauch der Freistellung anzusehen
wäre - ein verbotenes Kartell darstellt. Der Senat hat klargestellt, dass das
Kartellverbot, das wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen
miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen untersagt, auch auf
Austauschverträge wie die hier in Rede stehenden Gaslieferungsverträge
Anwendung finden kann, für die normalerweise eine großzügigere Regelung
gilt. Wenn es sich um einen Lieferungsvertrag zwischen Wettbewerbern
handele, seien wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden nur gestattet, soweit
für sie ein berechtigtes Interesse bestehe. Das sei vorliegend zu verneinen.
Dabei hat der Senat darauf abgestellt, dass Gebietsabsprachen (oder
Demarkationen) den Wettbewerb in leitungsgebundenen Märkten erheblich
beschränkten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Energielieferant zugleich
in der Versorgung der Endabnehmer tätig sei. Der durch die Gebietsabsprache
verhinderte Wettbewerb sei im Streitfall um so höher einzuschätzen, als VNG
und EVG in ihren Versorgungsgebieten aufgrund der Verfügungsgewalt über die
Leitungsnetze gegenüber anderen Anbietern bevorzugt seien, die sich häufig
den Weg zu ihren Kunden erst durch mühsame Auseinandersetzungen um eine
Durchleitung durch das fremde Leitungsnetz freikämpfen müßten. Die
Gebietsabsprachen seien weder funktionsnotwendig für die in Rede stehenden
Energielieferungsverträge, noch seien sie mit Blick auf die
Mindestabnahmeverpflichtung, die VNG und EVG eingegangen seien (sog.
take-or-pay-Verpflichtungen), zu rechtfertigen. Zwar bestehe zwischen
Gebietsabsprache und Mindestabnahmeverpflichtung ein Zusammenhang, der aber
nicht dazu führen könne, dass die Gebietsabrede hinzunehmen sei. Vielmehr
werde die Mindestabnahmeverpflichtung unter Umständen von der Unwirksamkeit
der Gebietsabsprache erfaßt.
Der Bundesgerichtshof hat schließlich betont, dass die beanstandeten
Gebietsabsprachen der Zielrichtung des Gesetzes widersprächen. Mit der
Aufhebung der bis 1998 geltenden Freistellung der Energielieferungsverträge
sei deutlich geworden, dass sich die vom Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen verfolgte Zielrichtung eines freien Wettbewerbs
nunmehr uneingeschränkt auch auf die frühere Bereichsausnahme der
Energieversorgung richte. Mit dieser Zielrichtung sei die Abgrenzung der
räumlichen Tätigkeitsbereiche von Wettbewerbern nicht zu vereinbaren.
Az.: IV/3 811-00