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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 426/2004 vom 06.05.2004
Gemeinden können Einzelhandel beschränken
Der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW hat mit Urteil vom 22. April 2004 (Az.: 7 a D 142/02) entschieden, dass Gemeinden zum Schutz und zur Stärkung der Attraktivität ihrer Zentren in anderen Bereichen des Gemeindegebiets Maßnahmen zur Beschränkung des Einzelhandels treffen können.
Die Stadt Sundern im Hochsauerlandkreis hatte in einem Bebauungsplan für einen an die Kernzone ihres Zentrums angrenzenden Bereich den Einzelhandel mit bestimmten Warengruppen (z. B. Bücher, Bekleidung, Unterhaltungselektronik, Elektrohaushaltswaren, Lebensmittel, Getränke, Apotheke, Drogerie) verboten. Hiergegen wandten sich in einem Normenkontrollverfahren Grundeigentümer, die wegen des Einzelhandelsausschlusses einen Wertverlust ihrer Grundstücke befürchteten. Ihren Normenkontrollantrag hat das Oberverwaltungsgericht mit dem o. g. Urteil abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Schutz und die Stärkung der Attraktivität und Einzelhandelsfunktion der Innenstadt sei eine legitime Zielsetzung gemeindlicher Planung. Die Gemeinde könne zur Verfolgung dieses Ziels in Bereichen, die nach ihrer Einschätzung nicht zur schützenswerten Kernzone der Innenstadt gehören, den Einzelhandel mit bestimmten Sortimenten ausschließen. Der Ausschluss könne alle Sortimente erfassen, deren Verkauf typischerweise in einem Stadtzentrum erfolge und der auch in der konkreten örtlichen Situation für das Stadtzentrum von erheblicher Bedeutung sei. Die Ausschlüsse dürften die betroffenen Grundeigentümer allerdings nicht unvertretbar belasten. Im konkreten Fall seien sie allerdings gerechtfertigt, weil den betroffenen Eigentümern nur untersagt werde, neue Geschäfte anzusiedeln. Für die im Plangebiet vereinzelt bereits vorhandenen Einzelhandelsgeschäfte habe die Gemeinde Sonderregelungen getroffen, die den Betrieben die Möglichkeit zu Anpassungen und bestimmten Erweiterungen ihres an sich unzulässigen Warenangebots einräumten.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen.
Das Urteil hat in den Medien große Resonanz hervorgerufen. Die Möglichkeit, durch Bebauungsplan bestimmte Warensortimente zum Schutz von Stadtzentren auszuschließen, ist allerdings nicht neu. Sie ist nach § 1 Abs. 9 BauNVO zulässig, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Das OVG (7. Senat) hat die Anforderungen an die "besonderen städtebaulichen Gründe" deutlich praxisgerechter formuliert, als dies noch vor wenigen Monaten in einem Urteil des OVG NRW (10. Senat) der Fall war (Urteil v. 09.10.2003, Az.: 10a D 76/01; Stadt Rhede).
Die Besonderheit des Sunderner Falls liegt darin, dass das fragliche Bebauungsplangebiet nicht bloß die Sortimente aus der Anlage (Teil A) des Einzelhandelserlasses NRW, Nr. 1 bis 10 (Ministerialblatt NRW 1996, S. 922 ff.), ausschließt, sondern auch kleinflächige Anbieter von Lebensmitteln und Getränken, also Läden, die üblicherweise als Anbieter der Nahversorgung häufig auf der Wunschliste der Kommunen stehen.
Solche Sortiments-Verbote können nur dann sinnvoll und rechtmäßig sein, wenn umfangreiche, überzeugende Einzelhandelsgutachten vorliegen, die begründen, dass und warum solche Eingriffe zum Schutz eines Stadtzentrums notwendig sind. Wichtig ist, dass das OVG jetzt auch das Verbot von Warengruppen zulässt, die zurzeit im Stadtzentrum noch gar nicht angeboten werden. Das OVG macht deutlich, dass eine Stadt somit durch ein Verbot bestimmter Warengruppen nicht nur den derzeit vorhandenen Bestand im Stadtzentrum schützen kann, sondern auch die künftige Entwicklung des Stadtzentrums dadurch sicherstellen kann, dass bestimmte Sortimente nur im Stadtzentrum angesiedelt werden dürfen, nicht aber in Bereichen, die die Entwicklung des Zentrums beeinträchtigen würden.
Az.: II/1 660-00/1