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Mitteilungen - Verband Intern
StGB NRW-Mitteilung 11/1997 vom 05.01.1997
Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
Der Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat in seiner Sitzung am 28. November 1996 in Bonn folgende Entschließungen gefaßt:
- Jahressteuergesetz 1997
sh. Mitteilungen 24/1996, lfd. Nr. 590
- Gemeindefinanzreform
I. Die Finanzsituation der Städte, Gemeinden und Kreise hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Immer mehr Kommunen sind nicht mehr in der Lage, die von ihnen wahrzunehmenden pflichtigen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Kommunale Gestaltungsmöglichkeiten, die das Wesen kommunaler Selbstverwaltung ausmachen, bestehen bei den meisten Kommunen nicht mehr. Er bedarf daher dringend einer die kommunale Selbstverwaltung und -verantwortung stärkenden durchgreifenden und umfassenden kommunalen Finanzreform.
II. Der Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände unterstützt daher nachdrücklich die vom Bundesrat beschlossene Empfehlung der Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat, die unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und unter Hinzuziehung von Vertretern aus der Wissenschaft den gesetzgebenden Körperschaften Vorschläge zu einer Reform der Kommunalfinanzen unterbreitet.
- Energierechtsreform und kommunale Selbstverwaltung
1. Wettbewerb und kommunale Selbstverwaltung bedeuten zugleich Freiheit und Verantwortung. Wettbewerb ist demzufolge kein Selbstzweck, sondern lediglich Instrument zur Verwirklichung größerer Freiräume für Entscheidungen der Kommunen und die Optimierung kommunaler Dienstleistungen zugunsten der Bürger. Insoweit begrüßen und unterstützen die Kommunen grundsätzlich die politische Zielsetzung der Energierechtsreform, auch Versorgungsunternehmen in der leitungsgebundenen Energieversorgung zukünftig stärker dem Wettbewerbsprinzip zu unterwerfen, auch im Interesse des Standorts Deutschland. In Betracht kommen kann allerdings nur ein fairer und ausgewogener Wettbewerbsansatz, der das politische Kräftedreieck von energiewirtschaftlichen, ökologischen und kommunalen Interessen gleichermaßen berücksichtigt. Darüber hinaus ist ein Wettbewerbssystem nur dann sinnvoll, wenn alle Energieabnehmer, d.h. auch der Tarifkunde und der gewerbliche Mittelstand, hiervon gleichermaßen profitieren.
Außerdem darf sich das Strompreisgefälle zwischen Stadt und Land nicht weiterhin zum Nachteil des ländlichen Raumes verschärfen. Dies ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht vereinbar. Negative Auswirkungen auf den Einsatz heimischer Energieträger mit erheblichen regionalpolitischen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt sind ebenfalls nicht akzeptabel.
2. Der vom Bundeskabinett am 23.10.1996 beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts trägt diesen Vorgaben in keiner Weise Rechnung. Die Bundesregierung hat sich für ein Wettbewerbssystem entschieden, das
- partiell das kommunale Selbstverwaltungsrecht abschafft,
- einen erheblichen Einschnitt in das Konzessionsabgabenvolumen als wesentlichen Bestandteil der kommunalen Finanzmasse in einer Größenordnung von mindestens ca. 3 - 4 Mrd. DM bewirken und schließlich der Fortbestand der Konzessionsabgabe gefährden wird,
- die Zukunft einer eigenständigen Kommunalwirtschaft durch einen zunehmenden Konzentrationsprozeß in der Branche erheblich erschwert und insoweit auch die finanzielle Not der Kommunen durch weitere Erlösausfälle der Stadtwerke noch verschärft,
- ökologische Belange, wie Energieeinsparung und Ressourcenschonung, gänzlich unberücksichtigt läßt,
- den gewerblichen Mittelstand und die privaten Haushalte besonders benachteiligt,
Die kommunalen Spitzenverbände lehnen daher den Kabinettsbeschluß zum neuen Energiewirtschaftsrecht mit aller Entschiedenheit ab und verlangen zugleich, daß die Reform den gewichtigen Bedenken der Kommunen Rechnung trägt. Eine weitere Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung, namentlich der kommunalen Finanzausstattung und der Kommunalwirtschaft und die Gefährdung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse treffen auf den entschlossenen Widerstand der Städte, Gemeinden und Kreise.
3. Der zur Zeit im Europäischen Parlament zur Beratung anstehende Richtlinienentwurf läßt zwei Wettbewerbsmodelle zu: Das "Alleinabnehmersystem" und "der verhandelte Netzzugang". Nur das "Alleinabnehmersystem" ist geeignet, die kommunalen Bedenken wenigstens teilweise auszuräumen. Deshalb haben die kommunalen Spitzenverbände die Bundesregierung aufgefordert, das von ihr bisher strikt abgelehnte "Alleinabnehmersystem" in den nationalen Gesetzentwurf aufzunehmen.
4. Der nationale Reformvorstoß läßt sämtliche Spielräume, die die EU-Binnenmarkt-Richtlinie Strom in der parallel verlaufenden europäischen Reformdiskussion eröffnet, ungenutzt. Darüber hinaus sind die Optionen der EU-Richtlinie für substantielle Regelungen zum Umweltschutz, zu den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und zur Organisation des Netzzugangs in nationales Recht umzusetzen. Der im europäischen Recht verankerte Grundsatz des "service public", der zu einer deutlichen Relativierung des Wettbewerbsrechts führen kann, entspricht der bisherigen Bewertung der Energieversorgung als am Gemeinwohl orientierte öffentliche Aufgabenstellung.
- Reform des Arbeitsförderungsgesetzes
Die kommunalen Spitzenverbände weisen seit Jahren darauf hin, daß die allseits geforderte Begrenzung des Anstiegs der Sozialhilfekosten nur gelingen kann, wenn die originären Sicherungssysteme gestärkt werden. Aus Sicht der Sozialhilfe muß deshalb eine Novellierung des Arbeitsgeförderungsgesetzes (AFG) vor allem folgende Anforderungen erfüllen:
- Leistungen der Arbeitslosenversicherung müssen das Existenzminimum sichern.
- Die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung müssen sämtlichen Arbeitslosen zur Verfügung stehen, auch Sozialhilfeempfängern.
- Die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialämtern muß verbessert werden. Die hierzu erarbeiteten Vorschläge dürfen nicht verworfen werden, vielmehr bedarf es einer gesetzlichen Grundlage zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Finanzierung von gemeinsamen Beschäftigungsförderungsmaßnahmen.
- Der Bundesanstalt für Arbeit müssen entsprechend der Arbeitsmarktsituation ausreichende Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen. Über die Defizithaftung des Bundes hinaus sollte - ggf. schrittweise - die aktive Arbeitsmarktpolitik steuerfinanziert werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesen Anforderungen insbesondere angesichts der vorgesehenen Einsparungen von 17 Milliarden DM bis zum Jahr 2000 und der Absicht, den Bundeszuschuß zur Bundesanstalt zu streichen, nicht gerecht. Die kommunalen Spitzenverbände befürchten vielmehr, daß die Änderungen der Ziele des AFG und die Senkung der Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit zu einer weiteren Kommunalisierung der Kosten der Arbeitslosigkeit führen. Ein erheblicher Teil der erwarteten Einsparungen wird über die Sozialhilfe refinanziert werden müssen. Durch Leistungskürzungen und die Verschärfung von Zugangsvoraussetzungen ist die Sozialhilfe bereits in der Vergangenheit zum Ausfallbürgen der Arbeitslosenversicherung geworden. Bereits jetzt wird über die Sozialhilfe der Lebensunterhalt von rund 800.000 arbeitsfähigen Erwerbslosen ganz oder teilweise finanziert. Zusammen mit den Kosten für die kommunale Beschäftigungsförderung macht dies einen zweistelligen Milliardenbetrag aus.
Da nach dem "Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" die Streichung des Bundeszuschusses zur Bundesanstalt für Arbeit vorgesehen ist, kann davon ausgegangen werden, daß künftig - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung - noch weniger Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehen werden, also mit Kürzungen von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu rechnen sein wird und darüber hinaus die positiven Reformsätze des Gesetzentwurfs mangels notwendiger Finanzmittel ohne Wirkungen bleiben werden.
Die bisherige Zielsetzungen des AFG werden aufgegeben. In den Vordergrund gerückt wird die Verantwortung der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Bewältigung von Beschäftigungskrisen. Mit der Änderung der Zielsetzung der Arbeitsförderung zieht sich der Staat weitgehend aus seiner Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik zurück, die er dann nur noch durch eine Unterstützung des Ausgleichs am Arbeitsmarkt wahrnehmen will. Dabei wird die vorgesehene Aufgabe des Ziels der Verhinderung unterwertiger Beschäftigung in Verbindung mit der vorgesehenen verstärkten Zumutbarkeit von ebensolchen Beschäftigungen wegen der in Folge entsprechend abgesenkten Höhe der Lohnersatzleistungsansprüche die Gefahr der Abhängigkeit Arbeitsloser von ergänzenden Sozialhilfeleistungen erhöhen.
Im Sinne einer konsequenten Ausrichtung am Versicherungsprinzip bindet der Gesetzentwurf die Leistungen in noch stärkerem Maße als bisher an ein vorheriges versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Dadurch wird die im bisherigen System bereits angelegte Tendenz der Konzentration von Leistungen auf die Kerngruppen des Arbeitsmarktes noch erheblich verschärft und es kommt zu weiteren Ausgrenzungen von Personengruppen in die Sozialhilfe.
Auf die bisher in § 12b AFG normierte Zielsetzung der Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern zur besseren Eingliederung arbeitsloser Sozialhilfeempfängerinnen/Sozialhilfeempfängern in das Erwerbsleben soll ebenso verzichtet werden, wie auf die bewährte Mitarbeit der öffentlichen Körperschaften in den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter. Durch die Kombination mit der vorgesehenen stärkeren Anbindung von Leistungen an das vorherige Versicherungsverhältnis werden sich die Wiedereingliederungschancen von arbeitslosen Sozialhilfeempfängerinnen/Sozialhilfeempfängern verschlechtern. Gerade in Zeiten knapper Mittel, in denen eine erhöhte Notwendigkeit zur Kooperation besteht, wiegt der vorgesehene Wegfall des § 12b AFG und der Verzicht auf die Einbindung der Kommunen in die Arbeit der Arbeitsämter besonders schwer. Die kommunalen Spitzenverbände fordern deshalb Bundestag und Bundesrat auf, die Mitwirkung der öffentlichen Körperschaften in den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter beizubehalten, um die notwendige Kooperation und Koordination bei der Planung und Durchführung von Beschäftigungsmaßnahmen nicht zu gefährden.
Die Vorgabe der Beachtung der Erfolgsaussichten einer Eingliederung bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung läßt unter den derzeitigen Sparzwängen befürchten, daß insgesamt weniger Personen gefördert und Personen mit Leistungsminderungen nur noch nachrangig gefördert werden.
- Dritte Stufe der Gesundheitsreform
Städte, Kreise und Gemeinden erkennen an, daß es auch nach dem Scheitern der Abstimmungen zwischen Bund und Ländern über die Dritte Stufe der Gesundheitsreform weiterhin notwendig ist, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zum Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland unter anderem die Finanzgrundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung bei gleichzeitiger Stabilisierung des Beitragssatzniveaus zu sichern.
Die mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der Gesetzlichen Krankenversicherung verfolgte Zielsetzung, der Selbstverwaltung mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten zu übertragen, wird grundsätzlich bejaht. Dies darf aber nicht dazu führen, daß sich der Staat zunehmend aus der Verantwortung für die gesundheitliche Versorgung zurückzieht und den gesetzlichen Krankenkassen die Bestimmung des Leistungsumfanges überträgt unter dem Vorwand, hiermit mehr Freiräume im Wettbewerb zwischen den einzelnen Kassenarten zu schaffen.
Die Herausnahme von Leistungen aus dem Pflichtkatalog der Krankenkassen, wie unter anderem die häusliche Pflege und medizinische Rehabilitation, sowie bestimmter medizinischer Vorsorgeleistungen und Heil- und Hilfsmittel, wie insbesondere die Sprachtherapie, und deren gleichzeitige Bestimmung zu freiwilligen Leistungen birgt die Gefahr in sich, daß bei dem künftig eingeschränkten Recht der Krankenkassen zu Beitragssatzerhöhungen diese Leistungen erheblich reduziert und sogar gänzlich gestrichen werden. Dies würde zu einer schlechteren gesundheitlichen Versorgung für alle Bürger führen. Letztlich würde es auch für Bezieher niedriger Einkommen zur Folge haben, daß sie für entsprechende notwendige Leistungen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen.
Damit würde auch der Grundkonsens in der Pflegeversicherung aufgegeben, der davon ausgeht, daß aus der Pflegeversicherung Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung, nicht aber häusliche medizinische Behandlungspflege finanziert werden. Die Pflegebedürftigen würden mit erheblichen zusätzlichen Kosten belastet, die von vielen nicht aufzubringen sind. Die Folge wäre neben einer Mehrbelastung der Sozialhilfe eine deutlich höhere Inanspruchnahme stationärer Pflege.
Die kommunalen Spitzenverbände fordern, daß Kernaufgaben der gesundheitlichen Versorgung, zu denen auch bestimmte Vorsorge- und medizinische Rehabilitationsleistungen sowie Heil- und Hilfsmittel gehören, nicht aus dem Pflichtkatalog gestrichen werden. Zunächst müßten die "Gestaltungsmöglichkeiten" der Kassen vom Gesetzgeber derart ausgewählt bzw. eingeschränkt werden, daß eine Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung und zusätzliche Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht eintreten. Die Konsolidierungsmaßnahmen in den vorrangigen Sozialversicherungs- und Leistungssystemen dürfen nicht zu Kostenverlagerungen auf die Sozialhilfe führen (Sozialhilfeneutralität).
Die vorgesehenen Regelungen zur Reform in der stationären Versorgung greifen in wichtigen Punkten die Vorschläge der Krankenhausträger auf, die sich angesichts der äußerst kritischen gesamtwirtschaftlichen Lage zur freiwilligen Übernahme von Finanzverantwortung für den stationären Bereich bereit erklärt haben. Da den Krankenhäusern nach dem Beitragsentlastungsgesetz in den nächsten drei Jahren pauschale Kürzungen der Krankenhausbudgets in Höhe von insgesamt 2,4 Milliarden DM wegen angeblicher Fehlbelegungen zugemutet werden - wobei die Ausgangslage nach der strikten Ausgabendeckelung infolge des Stabilisierungsgesetzes im Jahr 1996 ohnehin äußerst angespannt ist und Personalentlassungen nicht auszuschließen sind -, muß für die Zukunft sichergestellt sein, daß medizinisch begründete Ausgabenzuwächse oberhalb der beitragspflichtigen Einnahmen der Kassen möglich sind und von den Krankenkassen finanziert werden. Anderenfalls würde es zu einer Verschlechterung der Krankenhausversorgung kommen und medizinischer Fortschritt abgeschnitten.
Unverzichtbarer Bestandteil der Reform muß darüber hinaus eine dauerhafte und ausreichende Finanzierung der Instandhaltungskosten der Krankenhäuser sein. Die Krankenhäuser haben seit 1993 mit Ausnahme von Bayern dafür keine Mittel mehr erhalten. Der Nachholbedarf beläuft sich zur Zeit auf mindestens 3,5 Milliarden DM. Die Regierungskoalition hat zur Lösung dieses Problems ihre Bereitschaft erklärt. Dies wird dankbar anerkannt. Die dazu im Referentenentwurf vorgesehene Regelung muß den Krankenhäusern einen dauerhaften Finanzierungsanspruch einräumen.
Die kommunalen Spitzenverbände weisen zu § 108 a SGB V (Krankenhausgesellschaften) darauf hin, daß den bisherigen verbandlichen Strukturen auf Bundes- und Landesebene Rechnung zu tragen ist. Sowohl der Deutschen Krankenhausgesellschaft als auch den Landeskrankenhausgesellschaften müssen daher die Bundes- bzw. Landesverbände der Krankenhausträger angehören.
Az.: G/2