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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 189/2012 vom 29.03.2012
Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression
Am 19. März 2012 fand eine öffentliche Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression statt. Die Finanzierbarkeit des von der Bundesregierung geplanten Abbaus der kalten Progression bei der Einkommensteuer war unter den Sachverständigen völlig umstritten. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (BV) hat bereits im Vorfeld und in der Anhörung deutlich gemacht, dass angesichts der äußerst prekären Haushaltslage und der Schuldenlast der Kommunen Steuererleichterungen nicht befürwortet werden können.
Nachstehend ist das BV-Schreiben an die Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Dr. Birgit Reinemund, vom 16. März 2012 in Auszügen wiedergegeben:
„ … Grundsätzlich ist festzuhalten, dass seitens der Kommunen angesichts der äußerst prekären Haushaltslage insbesondere der letzten Jahre und der hiermit verbundenen gestiegenen kommunalen Schuldenlast Steuererleichterungen nicht befürwortet werden können. Die Krise im Euro-Raum hat zudem eindrücklich gezeigt, dass solide ausfinanzierte öffentliche Haushalte unabdingbar sind. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände trägt daher die Auffassung des Stabilitätsrats vom 01.12.2011 mit, „dass der eingeschlagene Konsolidierungskurs beibehalten werden muss, um die Neuverschuldung nachhaltig zu reduzieren und die Vorgaben des Grundgesetzes zur Schuldenbegrenzung einzuhalten. Angesichts fortbestehender Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung werden hierfür auch stabile steuerpolitische Rahmenbedingungen als unabdingbar angesehen.“ Aus finanzpolitischen Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf daher ab.
I. Zur Erhöhung des Grundfreibetrages
Die Höhe des steuerlich freizustellenden sächlichen Existenzminimums wird alle zwei Jahre in den sog. Existenzminimumberichten der Bundesregierung fortgeschrieben. Nach dem Achten Existenzminimumbericht deckt der Grundfreibetrag von gegenwärtig 8004 Euro das steuerfrei zu stellende Existenzminimum bis zum Jahr 2012 ab.
Die mit dem aktuellen Gesetzentwurf vorgesehene schrittweise Erhöhung des Grundfreibetrags in den Jahren 2013 und 2014 um insgesamt 350 Euro führt nach unserer Kenntnis zu Steuerausfällen für den Gesamtstaat in Höhe von ca. 2 Mrd. Euro, wovon die Kommunen ca. 300 Mio. Euro tragen müssen.
Soweit die mit dem Gesetzentwurf angestrebte Anpassung des Grundfreibetrages für die Jahre 2013 und 2014 auf eine Abschätzung analog zur Berechnungsmethode in den Existenzminimumberichten zurückgeht, ist diese Berechnung bisher nicht offengelegt. Insofern ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang die vorgesehene Erhöhung tatsächlich verfassungsrechtlich geboten ist. Es ist für die kommunalen Spitzenverbände nicht akzeptabel, dass ihnen die Abschätzungen nicht zur Verfügung gestellt werden.
Der nächste Existenzminimumbericht der Bundesregierung, der auch Aussagen zum Jahr 2014 treffen wird, ist noch in diesem Jahr zu erwarten. Über eine verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des Grundfreibetrages im Jahr 2014 ist nach unserer Auffassung erst nach Vorlage des Berichts zu entscheiden. Für das Jahr 2013 gilt, solange die der Erhöhung des Grundfreibetrages zugrunde liegenden Berechnungen nicht zur Verfügung gestellt werden, Gleiches.
II. Zu den weiteren Tarifänderungen („Abbau der kalten Progression“)
Darüber hinaus sehen wir grundsätzlich keine Notwendigkeit zu weitergehenden, über die verfassungsrechtlich gebotene Erhöhung des Grundfreibetrags hinausgehenden Tarifänderungen. Angesichts des enormen Konsolidierungsdrucks hat für die Kommunen die Sicherung der kommunalen Steuereinnahmen höchste Priorität.
Vor diesem Hintergrund begrüßen die kommunalen Spitzenverbände ausdrücklich die Bereitschaft des Bundes, die fiskalische Verantwortung für auf seinen Wunsch veranlasste Steuerausfälle zu übernehmen. Anders als im Gesetzentwurf ausgeführt ist das Ausmaß der hierdurch verursachten Steuerausfälle allerdings größer, als vom Bund unterstellt. Dabei werden die Berechnungen zu den Steuermindereinnahmen als solche seitens der Kommunen nicht angezweifelt. Einwendungen bestehen jedoch gegen die im Gesetzentwurf implizit vorgenommene Zuordnung einzelner Maßnahmenbestandteile in den zu kompensierenden bzw. nicht zu kompensierenden Bereich.
Nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände folgt aus der Anhebung des Grundfreibetrags keinerlei weitergehender Änderungsbedarf bei der Tarifgestaltung. Insofern stellen sämtliche Änderungen des Tarifverlaufs, die über eine Anhebung des Grundfreibetrags hinausgehen, einen seitens des Bundes zu kompensierenden Einnahmenverzicht dar. Sofern die vorgesehene Grundfreibetragserhöhung über das verfassungsrechtlich notwendige Maß hinausgeht, halten wir auch hier eine Kompensation für angezeigt. Tatsächlich aber erklärt sich der Bund nur bereit, „einmalig den Anteil an den Steuermindereinnahmen allein [zu] tragen, der auf die weitergehende Bekämpfung der kalten Progression durch die vorgesehene prozentuale Anpassung des Tarifverlaufs an die Preisentwicklung entfällt.“ Lediglich für den letzten Schritt der Tarifverschiebung, der im Anschluss an eine beabsichtigte absolute Verschiebung erfolgen soll, erklärt sich der Bund bereit, Kompensationszahlungen zu leisten (…).
Die mit den über die Freibetragserhöhungen hinausgehenden Tarifänderungen verbundenen gesamtstaatlichen Einnahmenausfälle belaufen sich nach unserer Kenntnis auf ca. 4 Mrd. Euro. Entsprechend des Anteils von Ländern und Kommunen an der Einkommensteuer in Höhe von 57,5 % (ohne Berücksichtigung der Abgeltungssteuer) resultieren aus den Einnahmenausfällen von 4 Mrd. Euro für alle Ebenen bei Ländern und Kommunen zusammen Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer in Höhe von ca. 2,3 Mrd. Euro bzw. allein 600 Mio. Euro bei den Kommunen. Laut Gesetzentwurf ist lediglich eine anteilige Kompensation von Ländern und Kommunen durch den Bund in Höhe von 1,2 Mrd. Euro beabsichtigt. Im Ergebnis verbleiben aus der beabsichtigten Änderung des Tarifverlaufs Mindereinnahmen bei Ländern und Kommunen von mehr als einer Milliarde Euro. Die kommunalen Haushalte würden also erheblich und in nicht tragbarer Weise belastet. (...)"
Az.: IV/1 921-00/2