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StGB NRW-Mitteilung 135/1996 vom 20.03.1996
Gespräch mit Minister Horstmann
Am 16.2.1996 fand auf Einladung des Ministeriums ein Gespräch von Vertretern der kommunalen Spitzenverbände mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Herrn Dr. Horstmann, sowie Herrn Ministerialdirigenten Jeromin statt. Vertreter des NWStGB waren Herr Präsident Leifert, Geschäftsführendes Präsidialmitglied Heinrichs sowie Beigeordneter Portz. Der Städtetag war durch Frau Oberbürgermeisterin Kraus, Wuppertal, sowie dem zuständigen Beigeordneten Dr. Articus und der Landkreistag durch Herrn Geschäftsführer Dr. Bauer und Beigeordneten Mauss vertreten.
Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes, die Zusammenführung von Aufgaben- und Finanzverantwortung im Bereich der Sozialhilfe und der Pflege sowie die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz.
Zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes geben Minister Dr. Horstmann und Herr Jeromin zunächst einen Sachstandsbericht, insbesondere über den Stand der 5 Verordnungen. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände wiesen darauf hin, daß die bisherigen landesrechtlichen Regelungen aus kommunaler Sicht gänzlich unzureichend seien. Erforderlich sei eine kontinuierliche und verbindliche Beteiligung des Landes an den Investitionskosten. Die beabsichtigte Begrenzung der Investitionshilfen von 140 Mio. DM auf 3 Jahre berücksichtige nicht, daß es die Kommunen seien, die die Pflegeinfrastruktur vorhalten müssen. Erforderlich sei daher eine langfristige Beteiligung des Landes an den Investitionskosten und an den Ausgaben des Pflegewohngeldes. Es müsse im Gesetz sichergestellt werden, daß die Investitionskosten insgesamt nicht die Hälfte der Entlastungen der Sozialhilfe übersteigen.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände kritisierten, daß das Landespflegegesetz einschließlich seiner Verordnungen weit über die Erfordernisse des § 9 Pflege-Versicherungsgesetz, wonach die Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich sind, hinausgehe. Es könne nicht hingenommen werden, daß angesichts der Haushaltslage der Kommunen Finanzierungsregelungen getroffen und Standards festgelegt würden, die eine Erweiterung der bisher geltenden Investitionsförderungen darstellen.
Umgekehrt beschleunige sich eine Entwicklung, wonach die Einsparungen bei den Trägern der Sozialhilfe durch eine Reihe - auch bundesrechtlicher - Neuregelungen immer geringer ausfalle. Dies betreffe den beabsichtigten vollständigen Ausschluß von Behinderten, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe versorgt, betreut und gepflegt werden, von den Leistungen der Pflege-Versicherung sowie auch die in dem "Kompromiß" zwischen Bundesarbeitsminister Blüm und Bundesgesundheitsminister Seehofer vorgenommene Verlagerung der medizinischen Behandlung auf die Pflegebedürftigen.
Insgesamt stellte Minister Dr. Horstmann klar, daß die Entlastungen der Landschaftsverbände die Entlastungen der Kommunen übersteigen würden.
Von den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände kritisch angesprochen wurden erste Ergebnisse der Einstufungspraxis des Medizinischen Dienstes für Krankenkassen in den Pflegeheimen in Westfalen-Lippe. Danach sei erkennbar, daß ein großer Teil derjenigen Heimbewohner, die bislang der erhöhten, der schweren oder sogar der schwersten Pflege (mit Zusatzpersonal) bedürften, als nicht erheblich pflegebedürftig qualifiziert und damit vom Leistungsbezug der Pflege-Versicherung ausgeschlossen würden. Die ersten Ergebnisse ließen auf einen Anteil von 20 bis 40 % schließen. Diese Entwicklung gehe zu Lasten eines großen Teils der Pflegebedürftigen und führe weiterhin dazu, daß die Einsparungen aus der Pflege-Versicherung bei den Kommunen in drastischer Weise nach unten hin korrigiert werden müßten.
Hinsichtlich der am 01.07. dieses Jahres in Kraft tretenden zweiten Stufe der Pflege-Versicherung vertrat Minister Dr. Horstmann die Auffassung, daß keine neuen stationären Plätze notwendig seien. Sachgerecht sei es aber, die Größe der Heime zu begrenzen und die Häuser insgesamt kleiner zu machen.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände appellierten weiter an den Minister, davon abzusehen, den Kommunen Aufgaben aufzubürden, die originär - wie etwa die Beratungsstellen - Aufgaben der Pflegekassen seien.
In einem zweiten Punkt wurde die Zusammenführung von Aufgaben- und Finanzverantwortung im Bereich der Sozialhilfe und der Pflege erörtert. Einigkeit bestand darin, daß die Neuregelungen nicht vordergründig aufgrund der gegenwärtigen Finanzlage in den Kommunen abhängig gemacht werden dürften. Angesprochen werde vielmehr die Frage einer effektiven und letztlich den Bedürftigen nutzende Zusammenführung der Aufgaben- und Finanzverantwortung. Dies betreffe sowohl ein "Herunterzonung" der sachlichen Aufgaben- und Finanzzuständigkeit von den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe auf die örtlichen Träger bei der Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nach § 100 BSHG als auch eine Änderung des § 96 BSHG, wonach die Länder insgesamt ermächtigt werden sollen, auch kreisangehörige Städte und Gemeinden in Teilaufgaben, z.B. für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu Trägern der Sozialhilfe zu erklären.
Gegenwärtig bestehe gerade für kreisangehörige Städte und Gemeinden wenig Anreiz, sich z.B. eines Programms "Hilfe zur Arbeit für Sozialhilfeempfänger" zu engagieren. Die Folge wäre nur eine Entlastung des Kreishaushalts, nicht aber des eigenen Haushalts in der Gemeinde.
Zwar würden einige kreisangehörige Städte und Gemeinden mit dem zuständigen Kreis bereits gegenwärtig Modelle zur Übertragung einer weitergehenden Aufgaben- und Finanzverantwortung erproben, dies sei jedoch rechtlich vor dem Hintergrund der eindeutigen Regelung des § 96 BSHG problematisch, so daß zur Gewährleistung einer einheitlichen Praxis eine Gesetzesänderung der richtigere Weg sei. Sozialschwachen Städten und Gemeinden müsse jedoch mit einem eigenen Soziallastenansatz im GFG geholfen werden.
Minister Dr. Horstmann begrüßte die Initiative der kommunalen Spitzenverbände und versprach, eine Umsetzung dann zu unterstützen, wenn er ein einheitliches Signal aus dem kommunalen Raum erhalte. Dieses einheitliche Signal konnten ihm die kommunalen Spitzenverbände für eine Zuständigkeitsänderung im Rahmen des § 96 BSHG geben, während der Städtetag bei der Frage einer Verlagerung der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers (Hilfe zur Pflege) nach § 100 BSHG noch eine genaue Beratung in seinen Gremien wünschte.
Im dritten Schwerpunkt erläuterte Minister Dr. Horstmann das weitere Vorgehen des Landes bei der Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz. Ziel des Landes sei es, in der bisherigen Art bis zum 01.01.1999 weiter zu fördern. Dies bedeute für das Jahr 1996, auf der Grundlage des Haushaltsansatzes 20.000 zusätzliche Kindergartenplätze zu realisieren, für die die Mittel schon bereit stünden. Die Abgrenzung der Neubauförderung im Verhältnis zu den kostengünstigen Maßnahmen weise ein Verhältnis von 60 % zu 40 % auf. Da für das Stichdatum 01.01.1999 das letzte interessante Haushaltsjahr das Jahr 1997 sei, müsse das Land auch 1997 eine Rate für den Kindergartenbau vorhalten.
Minister Dr. Horstmann sprach als Sonderthema die auch in vielen Kommunen beabsichtigten bzw. praktizierten Überbrückungsmaßnahmen an. Hier gebe es zwei Varianten. Zum einen sollte so viel wie möglich von der Inanspruchnahme von Nachmittagsplätzen Gebrauch gemacht werden. Hier würden Überlegungen existieren, für eine derartige Nachmittagsbetreuung nur den halben Elternbeitrag zu erheben. Zum anderen müßten andere Überbrückungsmaßnahmen (z.B. Tagespflege) verstärkt ausgebaut werden.
Die kommunalen Spitzenverbände sprachen sich bei der Finanzierung der Kindergartenplätze für rechtzeitige und verbindliche Signale einer kontinuierlichen Landesförderung über das Jahr 1996 hinaus aus. Dabei müßte auch die gegenwärtige Betriebskostenförderung und eine Änderung der Betriebskostenverordnung (Abkopplung der Personalkosten von den Sachkosten) auf den Prüfstand kommen.
In einem weiteren Punkt legte Minister Dr. Horstmann dar, daß Eckpunkte zu einem neuen KJHG wahrscheinlich noch vor der Sommerpause aufgestellt werden sollten. Zu näheren Einzelheiten werde man dann auch Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden führen.
Az.: II