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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 768/2003 vom 15.10.2003
Gewerbesteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen
Das Bundesministerium der Finanzen hat uns ein Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen übersandt. Dieses Schreiben ist im Intranet-Angebot des StGB NRW unter "Fachinformation und Service", "Fachgebiete", "Finanzen und Kommunalwirtschaft", "Steuerpolitik des Bundes", "Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen" abrufbar. Es handelt sich dabei um eine Verwaltungsregelung, auf die sich die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder verständigt haben. Sie sieht im Ergebnis vor, Sanierungsgewinne nach Verrechnung mit Verlusten oder negativen Einkünften nicht zu besteuern. Nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist durch diese Maßnahme ein Hindernis für sinnvolle Sanierungsmaßnahmen entfallen.
Für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig (vgl. Rn. 15 Satz 1 des BMF-Schreibens). Zur Frage der Steuerfestsetzung von Steuermessbeträgen weisen wir daher auf die Regelungen der §§ 163 Sätze 2 und 3 sowie 184 Abs. 2 AO ausdrücklich hin.
Der Verzicht auf die Besteuerung entstandener Gewinne oder Erträge wirft europarechtlich immer die Frage auf, inwieweit es sich dabei um unzulässige staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87 EG-Vertrag handelt. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben sich mit dieser Problematik auseinander gesetzt und weisen im Ergebnis auf Folgendes hin:
"Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag betrachtet ... staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, (als) mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Neue Beihilfen, d. h. Beihilfen, die nicht bereits vor dem 01.01.1958 eingeführt wurden, bedürfen grundsätzlich der vorherigen Genehmigung durch die Kommission, Artikel 88 Abs. 3 EG-Vertrag. Verletzungen dieser Notifizierungspflicht bewirken nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs regelmäßig zumindest die formelle Unwirksamkeit der Maßnahme.
Vor Herausgabe des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 war daher zu prüfen, ob die abweichende Steuerfestsetzung eine Beihilfe im o. g. Sinne darstellt. Steuerliche Begünstigungen können als ,Verzicht' des Staates auf Einnahmen prinzipiell unter den Beihilfebegriff fallen. Die Maßnahmen müssen selektiv sein, d. h. sie müssen spezifische Unternehmen oder Sektoren begünstigen und sich auf diese Weise von den sog. ,allgemeinen Maßnahmen' unterscheiden. Nicht jede steuerliche Regelung mit günstigen Auswirkungen für die betroffenen Unternehmen ist allerdings als Beihilfe zu betrachten. Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (BStBI. I 1999 S. 205) näher erläutert, wann abweichende Festsetzungen bei direkten Unternehmenssteuern beihilferelevant sind. Im Fall der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben handelt es sich um eine allgemeine Maßnahme, die allen Wirtschaftsteilnehmern im Gebiet eines Mitgliedsstaats zugute kommt. Sie steht allen Unternehmen in gleicher Weise offen und kann nicht - etwa aufgrund einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde - einzelnen Unternehmen oder Unternehmensgruppen verweigert werden. Sie hat damit keinen Beihilfecharakter im oben dargestellten Sinn.
Diese Problematik ist bei einer evtl. Maßnahme im Rahmen der Steuerfestsetzung von Steuermessbeträgen und der sich daran anschließenden Erhebung der Gewerbesteuer gleichermaßen zu berücksichtigen. Dabei wird es darauf ankommen, dass die Maßnahme von den beteiligten Stellen verbindlich nach vorgegebenen und einheitlichen Kriterien praktiziert wird und dies gegenüber der Kommission für den Fall eines Aufgriffs auch dargetan werden kann."
Az.: IV/1 920-00