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Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation
StGB NRW-Mitteilung 345/1997 vom 20.07.1997
Grundsatzfragen des Personalvertretungsrechts
Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat der Geschäftsstelle mit Schreiben vom 02.06.1997 Hinweise zur Anwendung von § 8 Abs. 1 und 4 LPersVG NW gegeben. Wegen der besonderen Bedeutung ist das entpsrechende Schreiben nachfolgend wörtlich wiedergegeben:
"Durch Art. 1 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.09.1994 - GV. NW S. 846 - wurde § 8 Abs. 4 LPVG neu gefaßt. Zur Begründung enthalten die Gesetzesmaterialien - hier: Gesetzentwurf der Landesregierung, Landtagsdrucksache 11/5258, S. 32 - folgende Hinweise:
Die derzeitige Regelung des § 8 Abs. 4 sieht vor, daß auch Mitarbeiter unterhalb der Ebene der Personalabteilungsleiter Korrespondenzpartner der Personalvertretung sein können. Um die hierbei in der Vergangenheit aufgetretenen Schwierigkeiten beim Vollzug der Norm zu beseitigen, soll die Vorschrift sprachlich neu und klarer gefaßt werden. Sie erhält außerdem das Gebot an den Dienststellenleiter, der Personalvertretung die Zeichnungsbefugten namentlich zu benennen. Auf diese Weise ist gewährleistet, daß die Personalvertretung im einzelnen davon Kenntnis erhält, wer zeichnungsbefugt ist.
Beabsichtigt war, eine Regelung zu konzipieren, nach der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterhalb der Ebene der Personalabteilungsleitung einer Dienststelle (vgl. § 8 Abs. 1 LPVG) ermächtigt sind, personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren einzuleiten, also Vorlagen an den Personalrat zu unterzeichnen (vgl. auch mein Runderlaß vom 22.03.1996 zur Durchführung des LPVG - SMBl. NW. 2035 -, hier: Nr. 1, 3. Absatz).
Zwischenzeitlich liegen mir Urteile des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 29.07.1996 und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.12.1996 vor, in denen sich beide Gerichte mit der Neufassung des § 8 Abs. 4 LPVG und seiner praktischen Bedeutung im Hinblick auf § 8 Abs. 1 LPVG auseinandersetzen.
Im ersten Fall ging es um eine außerordentliche fristlose sowie gleichzeitig vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung, im zweiten Fall um eine Kündigung während der Probezeit. In beiden Fällen wurde das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren nicht von einer der in § 8 Abs. 1 LPVG genannten Personen eingeleitet. Auch lag in beiden Fällen nicht eine besondere, auf den Einzelfall bezogene Ermächtigung zur Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens vor. Aus diesem Grunde haben die Landesarbeitsgerichte die im weiteren Verlauf der Verfahren ausgesprochenen Kündigungen - trotz der im ersten Fall vorliegenden ausdrücklichen Zustimmung des Personalrats zur ordentlichen Kündigung und des im zweiten Fall vorliegenden ausdrücklichen Verzichts auf Abgabe einer Stellungnahme seitens des Personalrats zur Kündigung während der Probezeit - im Hinblick auf § 72 a Abs. 3 LPVG (entspricht zur Kündigung der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 108 Abs. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz) für unwirksam erklärt. Nach dieser Rechtsprechung führt auch eine fehlerhafte Einleitung des Beteiligungsverfahrens zur Unwirksamkeit der Kündigung. Nach Auffassung der Landesarbeitsgerichte wird durch die neue Fassung des § 8 Abs. 4 LPVG die in § 8 Abs. 1 LPVG verfügte Handlungsbeschränkung auf bestimmte Personen nicht etwa für den Bereich von schriftlichen Äußerungen der Dienststelle gegenüber dem Personalrat aufgehoben. Es ergäbe sich sonst ein kaum lösbarer Widerspruch, wenn der Landesgesetzgeber einerseits in § 8 Abs. 1 Satz 2 LPVG die Vertretung der Dienststelle gegenüber dem Personalrat nur Personen gestattet, soweit diese entscheidungsbefugt sind, und andererseits in § 8 Abs. 4 LPVG auf dieses Erfordernis bei schriftlichen rechtserheblichen Erklärungen der Dienststelle gegenüber dem Personalrat verzichten würde. Denn nicht jeder der in § 8 Abs. 4 LPVG genannten allgemein Zeichnungsberechtigten sei auch im Sinne des § 8 Abs. 1 LPVG entscheidungsbefugt. Daß der Landesgesetzgeber durch die Neufassung des § 8 Abs. 4 LPVG eine Ausuferung der in § 8 Abs. 1 LPVG eng geregelten Handlungsbefugnis für die Dienststelle gewollt habe, sei dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 LPVG nicht zu entnehmen.
Für das Verfahren zwischen einem Beamten und seinem Dienstherrn hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23.02.1989 (BVerwGE 81, 288) entschieden, daß eine mit Zustimmung des Personalrats getroffene Maßnahme nicht wegen eines vom Dienststellenleiter zu verantwortenden Mangels bei der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens rechtswidrig sei. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Mitbestimmungsverfahren diene nicht in erster Linie den Individualinteressen eines Beschäftigten, vielmehr seien vornehmlich das Wohl aller Beschäftigten und die Verhältnisse in der Dienststelle als Ganzes die Richtschnur jeden personalvertretungsrechtlichen Handelns. Grundsätzlich können deshalb durch vom Personalrat nicht beanstandete formelle Mängel bei der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens, die dessen Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nicht bleibend ausschließen, nicht Rechte des einzelnen Beschäftigten berührt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich diese Mängel - wie in der Regel - nicht auf eine ausdrücklich zu der beabsichtigten Maßnahme erteilte Zustimmung auszuwirken vermögen.
Dem mir jetzt bekannt gewordenen Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29.07.1996 liegt ein Streitfall aus dem kommunalen Bereich zugrunde, dessen weiterer Fortgang mir nicht bekannt ist. In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf war das Land Beklagter; gegen das Urteil ist inzwischen Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt worden.
Die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens vermag ich derzeit nicht abzuschätzen. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung des Verhältnisses des neu gefaßten § 8 Abs. 4 LPVG zu § 8 Abs. 1 LPVG bitte ich daher bei den Arbeitnehmer belastenden Maßnahmen, insbesondere in den Fällen einer Kündigung während der Probezeit und bei außerordentlichen Kündigungen - hier kann ein etwaiger Formfehler bei Einleitung/Durchführung des Beteiligungsverfahrens wegen der nach § 53 Abs. 1/§ 54 BAT und § 57 Abs. 1/§ 59 MTArb zu beachtenden Fristen nicht durch erneute Einleitung eines Beteiligungsverfahrens bereinigt werden -, abweichend von dem mit Durchführungserlaß vom 22.03.1996 zu § 8 LPVG erteilten o.g. Hinweis vorsorglich die Unterzeichnung sämtlicher Personalratsvorlagen durch eine der in § 8 Abs. 1 LPVG genannten Personen vorzusehen.
Über den Ausgang des Revisionsverfahrens werde ich Sie zu gegebener Zeit unterrichten. Davon wird auch die Entscheidung abhängig gemacht werden müssen, ob § 8 LPVG insgesamt nochmals für eine Änderung vorzusehen ist".
Wir bitten um Beachtung.
Az.: I/1 048-02-0 wi/gt