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StGB NRW-Mitteilung 738/2007 vom 13.11.2007
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene haben jüngst erneut zu der mit einem 2. Änderungsgesetz zum SGB XII von der Bundesregierung verfolgten Revision Stellung bezogen:
„Wir begrüßen ausdrücklich die Überführung des bislang festen Bundesanteils in eine prozentuale Beteiligung des Bundes an den Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008. Auch ist die Überführung der Bundesbeteiligung vom Wohngeldgesetz in das SGB XII sachgerecht, gleiches gilt für die Verteilung der Bundesmittel anhand der tatsächlichen Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Schließlich vereinfachen der Wegfall der Revisionsklausel und die direkte Abgeltung der Kosten für die arbeitsmedizinischen Gutachten das Verfahren für alle Beteiligten.
Hauptkritikpunkt ist aber erwartungsgemäß die Höhe der Bundesbeteiligung. Hier ist eine Absenkung der bisherigen Bundesbeteiligung von 409 Mio. Euro pro Jahr auf eine Beteiligungsquote von 7,1% vorgesehen und damit (nach den derzeitigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006) im Jahr 2008 auf ca. 213 Mio. Euro beabsichtigt.
Diese nahezu Halbierung des Kostenbeteiligung des Bundes überrascht angesichts der hohen und deutlich gestiegenen Ausgaben der Kommunen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. 2006 sind die Kosten für die Kommunen erneut im Vergleich zum Vorjahr erheblich, nämlich um 9,8% auf insg. 3,1 Milliarden Euro gestiegen. Die Steigerungsraten sind in großem Umfang darauf zurückzuführen, dass der Bundesgesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen so gestaltet hat, dass viel mehr Menschen Grundsicherungsleistungen beziehen als nach der alten Sozialhilfe. Genannt seien neben der Privilegierung der Grundsicherung gegenüber den anderen Leistungsarten der Sozialhilfe zudem die Auswirkungen der vorgelagerten Sicherungssysteme der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung sowie der lediglich geringfügigen Rentenanwartschaften von Langzeitarbeitslosen.
Ein Ende der Kostenverschiebungen auf die Kommunen ist nicht abzusehen. Aktuelles Beispiel ist die frühstmögliche Verrentung älterer Langzeitarbeitsloser durch das Auslaufen der sog. 58er-Regelung ab dem 1. Januar 2008, die durch den Verweis auf Rentenansprüche sowohl die Geldleistungen als auch die Eingliederungsleistungen des SGB II verlieren und im Falle nicht auskömmlicher Rente auf die kommunale Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. mit Erreichen der Regelaltersgrenze auf die kommunalen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sein werden.
Durch die von den Kommunen nicht zu beeinflussenden Regelungen zur gesetzlichen Rentenversicherung ist bereits heute die Situation eingetreten, dass ein Durchschnittsverdiener gut 28 Jahre braucht, um eine Rente auf Sozialhilfe/Grundsicherungsniveau zu erhalten. Angesichts der vielfach unterbrochenen Erwerbsbiographien insb. im Osten Deutschlands ist eine weitere Zunahme der Leistungsbezieher daher absehbar. Auch viele Selbständige, die (oftmals gefördert durch die BA) nicht in berufsständischen Versorgungswerken versichert sind, fallen bei einem unternehmerischen Misserfolg bzw. nicht über die Lebenshaltungskosten hinausgehenden Erfolg im Alter in die kommunale Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, weil die Mittel zur (zusätzlichen) Altersvorsorge bzw. zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung fehlen.
Diese und weitere Faktoren können nicht von den Kommunen beeinflusst werden und führen dazu, dass die Zahl der Leistungsbezieher in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung weiter ansteigen wird. Es gilt daher, dieser enorm gestiegenen Belastung bei der Revision der Bundesbeteiligung an der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Rechnung zu tragen. Eine Beteiligung des Bundes mit nur 7,1% demonstriert die hier nach wie vor bestehende Schutzlosigkeit der Kommunen. Die Ermittlung der Bundesbeteiligung setzt hauptsächlich beim Wegfall des Unterhaltsrückgriffsbei der Grundsicherung an. Dabei kommt das BMAS auf komplizierten Schätzwegen zu einer deutlich geringeren Summe als bei der Ermittlung der damals vom Bund angenommenen 409 Mio. Euro. Insgesamt ermittelt das BMAS Mehrkosten bezogen auf das Jahr 2004 lediglich in Höhe von 180 Mio. Euro.
Problematisch ist insbesondere, dass die revisionsrelevante Berücksichtigung von Mehrkosten wegen des Verzichts auf den Unterhaltsrückgriff in der Grundsicherung lediglich geschätzt wird. Richtig ist, dass es objektiv unmöglich ist, die Kosten für den Verzicht auf den Unterhaltsrückgriff statistisch zu erfassen, weil mit dem fehlenden Unterhaltsrückgriff auch Nachfragen der Sozialämter nach etwaigen Unterhaltspflichten nicht zulässig sind. Diese Unmöglichkeit in der gesetzlichen Regelung war aber von Anfang an bekannt, die kommunalen Spitzenverbände haben wiederholt darauf hingewiesen. Es verwundert daher, wenn die 2001 geschätzten Werte nunmehr wesentlich niedriger geschätzt werden.
Wir plädieren daher dafür, dass die im Gesetzgebungsverfahren zum Grundsicherungsgesetz 2001 zugrunde gelegten politischen Prämissen, die die kommunalen Mehrkosten mit 409 Mio. Euro beziffert haben, auch heute noch maßgeblich und konsensfähig sein sollten.
Der Bundesrat hat am 24. November 2006 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wohngeldgesetzes und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch beschlossen (BR-Drs. 752/06 (Beschluss)), mit dem die Bundesbeteiligung in der derzeitigen Höhe gesichert und in einen entsprechenden prozentualen Anteil von 20% umgewandelt werden soll. Dieser Vorschlag wird von den kommunalen Spitzenverbänden befürwortet, auch wenn er der kommunalen Belastung und der Verursachung durch den Bundesgesetzgeber gleichfalls noch nicht ausreichend Rechnung trägt.“
Az.: III 810-12