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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 565/2003 vom 26.06.2003
Grundstückskaufvertrag und Beihilfe
Der Bundesgerichtshof hat einen Kaufvertrag über ein Grundstück deshalb für nichtig erklärt, weil der Kaufpreis deutlich unter dem Verkehrswert lag und durch eine Entscheidung der Europäischen Kommission deshalb als notifizierungspflichtige Beihilfe eingestuft wurde, ohne dass eine solche Notifizierung erfolgt ist. Durch diese Entscheidung wird die Möglichkeit des Rechtsschutzes vor nationalen Gerichten gegen nicht notifizierte Beihilfen im Sinne der Art. 87 ff. EG-Vertrag verstärkt in das Blickfeld gerückt. Im Zusammenhang mit den zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Thema in jüngster Zeit könnte dies zu vermehrten Klagen auch gegen kommunale Maßnahmen, die als staatliche Beihilfen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts angesehen werden könnten, führen.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 4. April 2003 ist unter dem Az. V ZR 314/02 im Internet unter www.bundesgerichtshof.de im Bereich Entscheidungen" abrufbar.
Im vorliegenden Fall war der begünstigte Flächenerwerb auf Grund einer Entscheidung der Europäischen Kommission eine mit dem gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe und verstieß deshalb gegen das Beihilfeverbot nach Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag. Unabhängig davon ist der BGH jedoch der Auffassung, dass der Grundstückskaufvertrag gegen das in Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag enthaltene Verbot der Durchführung beabsichtigter Beihilfemaßnahmen verstoßen hat. Diese Norm ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unmittelbar durch die nationalen Gerichte anwendbar und betrifft insbesondere jede Beihilfemaßnahme, die ohne die in Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EG-Vertrag vorgeschriebene Notifizierung, d. h. Anmeldung bei der Europäischen Kommission, durchgeführt wird. Der BGH sieht in Art. 88 Abs. 3 Satz 3 ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB, so dass die unterbliebene Notifizierung zur Nichtigkeit des gesamten Grundstückskaufvertrages führt.
Zur Begründung wird in dem Urteil ausgeführt, dass die unterlassene Notifizierung zwar einen lediglich formellen Verstoß darstellt, der für sich genommen noch nicht die Sanktionen des § 134 BGB auslöst. Doch kommt dem Abschluss beihilfegewährender Verträge ohne vorherige Notifizierung und ohne abschließende (positive) Kommissionsentscheidung materielle Bedeutung zu. Das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag soll im Interesse gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen eine solche verfrühte Beihilfegewährung verhindern.
Durch dieses Urteil des Bundesgerichtshofes wird die bisher in Deutschland kaum genutzte Möglichkeit des Rechtsschutzes gegenüber staatlichen Beihilfemaßnahmen vor den nationalen Gerichten stärker ins Blickfeld gerückt. Allein wegen der Verletzung des formalen Erfordernisses, staatliche und somit auch kommunale Beihilfemaßnahmen vor ihrer Gewährung bei der Europäischen Kommission zu notifizieren und eine Durchführung der Maßnahme bis zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission zu unterlassen, kann vor nationalen Gerichten ein Unterlassungs- und sogar ein Rückzahlungsanspruch durch Wettbewerber des Begünstigten geltend gemacht werden. Diese Möglichkeit besteht sogar für den Fall, dass die Beihilfe später durch die Kommission genehmigt wird.
In den letzten Monaten sind zahlreiche Veröffentlichungen zum europäischen Beihilferecht erschienen. Diese weisen immer auch auf die Rechtschutzmöglichkeit vor nationalen Gerichten hin. Die Entscheidung des BGH kann so durch die Rechtsberater von Unternehmen zum Anlass genommen werden, verstärkt auch das europäische Beihilferecht als Mittel in der Auseinandersetzung mit Konkurrenten zu nutzen. Dies kann sich z. B. gegen Maßnahmen der Kommunen gegenüber ihren Unternehmen richten. Denkbar ist aber auch, dass Kommunen, die im Wettbewerb um ansiedlungswillige Unternehmen stehen, sich untereinander dieses rechtlichen Mittels bedienen.
Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfen bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand" die aus ihrer Sicht wesentlichen Anhaltspunkte dafür, wie der Verkauf von Grundstücken strukturiert werden sollte, um das Vorliegen von Beihilfeelementen auszuschließen, dargelegt. Sie stellt dabei insbesondere auf ein Bieterverfahren, aber auch auf unabhängige Wertgutachten ab. Die Mitteilung ist im Amtsblatt der EG Nr. C 209/3 vom 10. Juli 1997 veröffentlicht. Das Amtsblatt der EG ist im Internet unter www.europa.eu.int/eur-lex/de abrufbar.
Az.: IV 970-08