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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 117/2009 vom 18.02.2009
Gutachten zum Örtlichkeitsprinzip des § 107 GO NW
Das Örtlichkeitsprinzip in der NRW-Gemeindeordnung verstößt gegen das Europarecht. Das ist die zentrale Aussage eines Gutachtens des Kölner Rechtsprofessors Dr. Ulrich Ehricke, das 16 nordrhein-westfälische Stadtwerke nach der Verschärfung des NRW-Gemeinderechts im Jahr 2007 in Auftrag gegeben hatten und das der Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) am 18.02.2009 vorstellte. Der VKU und die kommunalen Spitzenverbände fordern die Landesregierung mit Nachdruck auf, das Gemeindewirtschaftsrecht so zu verändern, dass es mit dem EU-Recht vereinbar ist. Wenn dies zu keinem Erfolg im Sinne der Stadtwerke führe, würde man den Beschwerdeweg nach Brüssel beschreiten.
Durch das Örtlichkeitsprinzip, das die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, insbesondere bei grenzüberschreitender Tätigkeit erschwere, würden NRW-Stadtwerke im Wettbewerb eindeutig benachteiligt. Das sei gleich in mehrfacher Hinsicht nicht mit EG-Recht vereinbar. Im Einzelnen handele es sich um Verstöße gegen die Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit sowie das Verbot marktabschottender Gebietskartelle. Aufgrund dieser Verstöße gegen Europarecht bestehe die Möglichkeit, so Prof. Ehricke, dass die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Verfahren wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts einleite.
Die Ergebnisse des Gutachtens bestätigen die Befürchtungen des VKU, der allein in NRW 230 Stadtwerke vertritt. „Die Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen wirkt wettbewerbsbehindernd und geht damit letztlich zu Lasten der Verbraucher“, so der VKU-Landesvorsitzende Dr. Hermann Janning, Chef der Duisburger Stadtwerke. Aktuell belege das u. a. das Scheitern der bereits im Herbst 2007 angekündigten deutsch/schweizerischen Kooperation zwischen den Stadtwerken Menden und der Rätia Energie AG zum Aufbau einer gemeinsamen Vertriebs- und Servicegesellschaft. Durch ein bisher 15 Monate dauerndes Genehmigungsverfahren, das von den Behörden unnötig in die Länge gezogen wurde und bei dem ein Ende nicht absehbar war, sei eine für alle Parteien sinnvolle Vertriebskooperation geplatzt. Dieser Fall zeige exemplarisch, dass die neue NRW-Gemeindeordnung nicht nur vom Wortlaut her, sondern auch in ihrer praktischen Auslegung durch die Kommunalaufsicht die im Wettbewerb stehenden Stadtwerke massiv benachteilige. Diese sehen sich innerhalb der Gemeindegrenzen einem zunehmenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt, ohne sich selbst - außerhalb des Stadtgebietes - hinreichend an diesem Wettbewerb beteiligen zu können. Gerade aber der innerstaatliche Wettbewerb auf den Energiemärkten sei durch den Druck der EU immer mehr forciert worden. „Wir fühlen uns wie Sprinter, die mit Fußfesseln an den Start geschickt werden“, so Janning. „Die Stadtwerke und ihre Kommunen wollen den Wettbewerb - aber nur unter gleichen Bedingungen für alle“. Im Vergleich zu anderen Bundesländern, wo die starre Haltung im Hinblick auf das kommunale Örtlichkeitsprinzip aufbreche, würden die NRW-Stadtwerke sogar gegenüber anderen kommunalen Unternehmen benachteiligt.
Az.: II/3 810-05/3