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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 741/1999 vom 20.10.1999
Hessischer Verwaltungsgerichtshof zur Querfinanzierung der Biotonne
In den Mitteilungen des NWStGB 1999 Nr. 376, S. 183, hatte die Geschäftsstelle zuletzt darauf hingewiesen, daß es eine unterschiedliche obergerichtliche Rechtsprechung dazu gibt, ob ein Eigenkompostierer, der keine Biotonne in Benutzung nimmt, zu den Kosten der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung über das Restmüllgefäß herangezogen werden kann.
Zur Rechtslage nach dem alten Landesabfallgesetz NW hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster mit Urteil vom 17. März 1998 (Az.: 9 A 1430/96 - Städte- und Gemeinderat 1998, S. 21 ff.) entschieden, eine Querfinanzierung der Biotonne über das Restmüllgefäß bei gleichzeitiger Erhebung einer nicht kostendeckenden Sondergebühr für die Biotonne sei unzulässig, wenn ein Eigenkompostierer keine Biotonne in Benutzung nimmt. Dieser Rechtsprechungslinie hatte sich auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 4. Februar 1999 (Az.: 12 C 13 291/96) angeschlossen. Anders haben der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 29.03.1995 (Az.: 4 N 93.3641 und 4 N 93.2548, NVwZ-RR 1995, S. 167) entschieden, daß Eigenkompostierern, die nicht an der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung teilnehmen, kein Gebührenabschlag zu gewähren ist. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22.10.1998 (Az.: 2 S 399/97) entschieden, daß auch derjenige, der nicht an der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung teilnimmt, mit den mengenunabhängigen Vorhaltekosten für die kommunale Bioabfallerfassung und -verwertung belastet werden kann. Eine solche Kostenverteilung berücksichtigt nach dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in zulässiger Weise, daß diejenigen Hausmüllgebührenschuldner, die ihre Bioabfälle selbst kompostieren, diese Entscheidung jederzeit ändern und an der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung teilnehmen können, weshalb die Kommune als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger diese Teileinrichtung auch für sie vorhalten muß.
Nunmehr hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 18.08.1999 (Az.: 5 UE 251/97) entschieden, daß eine Heranziehung von Eigenkompostierern, die keine Biotonne in Benutzung nehmen, zu den Kosten der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung über eine Einheitsgebühr (Gesamtbenutzungsgebühr - bezogen auf das Restmüllgefäß) dann gerechtfertigt sein kann, wenn der zulässige Kostenanteil, der auch die Nichtnutzer der Biomüllentsorgung trifft, nicht von erheblichem Gewicht ist. In dem zu entscheidenden Fall hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof dies aber abgelehnt, weil der zusätzliche Kostenanteil mit über 40 % zu erheblich war. Damit nehme die Gesamtgebühr die Nichtnutzer der Biomüllentsorgung für einen wesentlichen Teil der Kosten der Einrichtung in Anspruch, obwohl sie diese nicht nutzen, so daß ein Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht. Die Heranziehung der Eigenkompostierer rechtfertige sich in diesem Fall auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Gefahren eines Mißbrauchs der Eigenkompostierung durch die Inanspruchnahme der Restmülltonne für den nicht verwertbaren Biomüll. Denn hier bestehe die Möglichkeit von (kontrollierenden) Stichproben. Im übrigen weist der Hessische Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß auch der Grundsatz der Typengerechtigkeit für eine Rechtfertigung nicht herangezogen werden kann, weil hierfür Voraussetzung sei, daß mindestens 90 % der von der Gebührenregelung betroffenen Sachverhalte dem "Regeltyp" entsprechen müssen und nur bei weniger als 10 % der Anwendungsfälle dieses nicht zutreffend ist. Insoweit folgt der Hessische Verwaltungsgerichtshof damit im Grundsatz der Rechtsprechung des OVG NRW und schließt sich nicht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an, daß Eigenkompostierern, die keine Biotonne benutzen, kein Gebührenabschlag zu gewähren ist. Insoweit weist der Hessische Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß in dem Fall des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluß vom 29.03.1995 - 4 N 93.2548 - NVwZ 1995, S. 603) der Kostenanteil für die Biomüllentsorgung im Rahmen der Gesamtbenutzungsgebühr (Einheitsgebühr) lediglich bei 23,1 % gelegen hat.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat allerdings ausdrücklich offengelassen, ob und inwieweit bestimmte mengenunabhängige Vorhaltekosten der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung - und damit auch der Biomüllentsorgung - Eingang in eine Grundgebühr finden können. Insoweit verweist der Hessische Verwaltungsgerichtshof auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22.10.1998 (Az.: 2 S 399/97, Städte- und Gemeinderat 1999, S. 41), wonach die Nichtnutzer der Biotonne, die zugleich Eigenkompostierer sind, mit den mengenunabhängigen Vorhaltekosten für die kommunale Bioabfallerfassung und -verwertung belastet werden können.
Die Geschäftsstelle weist unter Bezugnahme auf die Mitteilungen des NWStGB 1999 Nr. 376, S. 183, ausdrücklich darauf hin, daß der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber mit dem zum 01.01.1999 in Kraft getretenen neuen Landesabfallgesetz (GV NRW 1998, S. 666) und dort in § 9 Abs. 2 Satz 5 und Satz 7 LAbfG eine klare Entscheidung dahin getroffen hat, daß auch Eigenkompostierer, die keine Biotonne in Benutzung nehmen, zu den Kosten der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung herangezogen werden können. Durch § 9 Abs. 2 Satz 5, 2. Alternative LAbfG NW wird die Möglichkeit eröffnet, für das Bioabfallgefäß eine Sondergebühr zu erheben, aber gleichwohl diese Sondergebühr nicht kostendeckend zu kalkulieren, sondern einen Teil der Kosten über die restliche Einheitsgebühr - bezogen auf das Restmüllgefäß - abzurechnen, also "quer zu finanzieren". Nimmt ein Eigenkompostierer keine Biotonne in Benutzung, so muß er die Sondergebühr für die Biotonne nicht bezahlen, kann aber gleichwohl über die restliche Einheitsgebühr bezogen auf das Restmüllgefäß zu den Kosten der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung anteilig herangezogen werden.
Weiterhin ist es auch möglich, keine Sondergebühr für die Biotonne zu kalkulieren und die Kosten für die Bioabfallerfassung und -verwertung insgesamt über die einheitliche Abfallgebühr (Gesamtbenutzungsgebühr) bezogen auf das Restmüllgefäß abzurechnen (§ 9 Abs. 2 Satz 5, 1. Alternative LAbfG NW). In diesem Zusammenhang hat der Landesgesetzgeber in § 9 Abs. 2 Satz 7 LAbfG NW zusätzlich bestimmt, daß Eigenkompostierern ein angemessener Gebührenabschlag zu gewähren ist. Diesen Gebührenabschlag erhält der Eigenkompostierer aber auch bei einer nicht kostendeckend kalkulierten Sondergebühr für die Biotonne, weil er diese Sondergebühr nicht bezahlen muß, wenn er keine Biotonne in Benutzung nimmt. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der gebührenrechtlichen Heranziehung der Eigenkompostierer zu den Kosten der kommunalen Bioabfallerfassung und -verwertung bei Nichtnutzung des Bioabfallgefäßes in Nordrhein-Westfalen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zugeführt worden.
Az.: II/2 33-10