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StGB NRW-Mitteilung 306/2019 vom 19.06.2019
Leitentscheidung zu Honorarärzten im Krankenhaus
Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, sind in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht. Dies hat der 12. Senat des Bundessozial-gerichts am 04.06.2019 in einem Leitfall entschieden (Aktenzeichen B 12 R 11/18 R). Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen habe keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen. In Konsequenz des Urteils müssen Krankenhäuser, die zur Überbrückung von Personalengpässen auf Honorarärzte zurückgegriffen haben, Sozialbeiträge an die Deutschen Rentenversicherung nachzahlen. Aufgrund des Personalmangels sind viele Kliniken andererseits auf Honorarärzte angewiesen. Als Alternative zu Honorarverträgen werden auch Zeitverträge angeboten. Für die Klinken bedeutet dies mehr Sicherheit, da die Mediziner bei den Zeitarbeitsfirmen angestellt sind.
Bei einer Tätigkeit als Arzt ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht von vornherein wegen der besonderen Qualität der ärztlichen Heilkunde als Dienst „höherer Art“ ausgeschlossen. Entscheidend ist, ob die Betroffenen weisungsgebunden beziehungsweise in eine Arbeitsorganisation eingegliedert sind. Letzteres ist bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation herrscht, auf die die Betroffenen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss haben. So sind Anästhesisten – wie die Ärztin im Leitfall – bei einer Operation in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten muss. Auch die Tätigkeit als Stationsarzt setzt regelmäßig voraus, dass sich die Betroffenen in die vorgegebenen Strukturen und Abläufe einfügen. Im Leitfall war die Ärztin wiederholt im Tag- und Bereitschaftsdienst und überwiegend im OP tätig. Hinzu kommt, dass Honorarärzte ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzen. So war die Ärztin hier nicht anders als beim Krankenhaus angestellte Ärzte vollständig eingegliedert in den Betriebsablauf. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind bei einer Tätigkeit als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben. Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien und vorliegend nicht ausschlaggebend.
Wie viele Ärzte an deutschen Kliniken als Honorarärzte arbeiten ist nicht genau bekannt. Von etwa 5000 Medizinern geht der Bundesverband der Honorarärzte in Deutschland aus. Der Marburger Bund sieht dagegen die Attraktivität von Honorarärzten durch Haftungs- und Regressrisiken als geringer an. Fakt ist dabei, dass aufgrund des akuten Personalmangels in den Kliniken diese auf „Honorarärzte“ angewiesen sind. Ärzte fehlen dabei nicht nur auf dem Land, sondern auch in großen Kliniken. Hinzu kommen temporäre Spitzen, die ebenfalls nur durch zusätzliche Ärzte bewältigt werden können. Für die Kliniken sind Leihärzte eine teure Lösung. Sie sollen durchschnittlich 90 Euro pro Stunde verdienen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist ein deutlicher Hinweis an die Krankenhäuser. Wer Honorarärzte ohne die nötige Klärung einer Statusfeststellung mit der Deutschen Rentenversicherung eingeht, muss nicht nur mit Nachzahlungen rechnen, sondern möglicherweise drohen auch Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialversicherungsbetruges. Entsprechende Verfahren sollen bereits durch Staatsanwaltschaften eingeleitet worden sein.
(Quelle: DStGB Aktuell 2319 v.07.06.2019)
Az.: 38.1.3-002/003