Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 579/2015 vom 23.09.2015

Informationen zu Vergaberecht und Energieeinsparrecht für Kommunen

In den letzten Wochen hat der StGB NRW mehrfach auf Informationen zum Vergabe- und Energieeinsparrecht im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung hingewiesen, welche die EU-Kommission sowie die Bundes- und Landesministerien herausgegeben haben. Auch auf die speziell hierfür eingerichteten Informationsangebote für Kommunen hatten wir bereits zeitnah in Mitteilungen und Schnellbriefen hingewiesen. 

Nunmehr hat das BMWi seine Internetseite zu diesen Fragen aktualisiert und eine neue Zusammenfassung aller Informationen veröffentlicht. Im Einzelnen finden sich unter www.bmwi.de (Rubriken: Themen / Wirtschaft / Öffentliche Aufträge und Vergabe / Flüchtlingshilfe in Kommunen):

  • Hinweise zum Vergabe- und Energieeinsparrecht 
  • eine Telefonhotline des BMWi (030 / 340 60 65 70) für eine direkte telefonische Beratung kommunaler Vertreter/innen zum Vergabe- und Energieeinsparrecht bei der Flüchtlingsunterbringung
  • Kontakt ist auch per E-Mail möglich unter: Fluechtlingshilfe.Kommune@bmwi.bund.de

Nach der am 19. August 2015 veröffentlichten Flüchtlingsprognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werden für das Jahr 2015 bis zu 800.000 Flüchtlinge erwartet. Die zunehmende Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden stellt Bund, Länder und Kommunen im Hinblick auf die angemessene Unterbringung und Versorgung dieser Menschen vor enorme Herausforderungen.  Es werden  wesentlich mehr Unterbringungsmöglichkeiten und Versorgungskapazitäten gebraucht als zu erwarten war. Aus diesem Anlass weist die Geschäftsstelle nochmals auf die aktuelle Rechts- und Erlasslage hin:

Vergaberecht

Kommunen brauchen Flexibilität bei öffentlichen Aufträgen zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen. Das Vergaberecht bietet in außergewöhnlichen Lagen große Spielräume. Bei öffentlichen Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte (5,186 Mio. Euro für Bauaufträge; 207 Tsd. Euro für Liefer- und Dienstleistungen) kommt das Haushaltsrecht zur Anwendung bzw. ist das Land NRW für notwendige Verfahrenserleichterungen zuständig.

Die Landesregierung hat in ihrem Runderlass vom 06.08.2015 (siehe Schnellbrief Nr. 161 vom 12.08.2015) zwar ausgeführt, dass die Beschaffung von Leistungen zum Zweck der Unterbringung, Sicherheit, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen unterhalb des EU-Schwellenwertes freihändig vergeben werden können.  Allerdings verhindern die sehr bürokratischen und starren Regelungen des Tariftreue- und Vergabegesetzes eine schnellere Beschaffung. Daher fordern wir, die Regelungen wie auch in anderen Bundesländern in das pflichtgemäße Ermessen der Städte und Gemeinden zu stellen.

Für Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte kommt aufgrund der derzeit bestehenden besonderen Dringlichkeit ein beschleunigtes Vergabeverfahren in Betracht (siehe hierzu bereits die Schnellbriefe Nr. 179 vom 31.08.2015 und Nr. 194 vom 11.09.2015).

Beschleunigtes nicht offenes Verfahren: Im beschleunigten nicht offenen Verfahren können die Fristen für Teilnahmeanträge auf 15 Tage (im Fall einer elektronische Bekanntmachung auf 10 Tage) und für die Abgabe von Angeboten auf 10 Tage herabgesetzt werden. Voraussetzung ist, dass der Auftrag besonders dringlich ist. Die besondere Dringlichkeit dürfte aufgrund der vorliegenden Informationen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen derzeit im Regelfall anzunehmen sein.

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb: Sollten aus dringenden unvorhergesehenen Gründen - wie wir sie mit den drastisch steigenden Flüchtlingszahlen haben - im Einzelfall gar keine Fristen eingehalten werden können, kommt auch ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in Betracht. Dabei kann der öffentliche Auftraggeber unmittelbar mit wenigen potentiellen Bietern verhandeln, ohne den beabsichtigten Auftrag vorab veröffentlichen zu müssen. Zu beachten ist: Eine Direktvergabe ist weiterhin nicht möglich! (Anmerkung: Dieses hehre Ziel des BMWi dürfte aufgrund der oft gegebenen Sachlage vor Ort in der Praxis nicht einhaltbar sein, insbesondere dann nicht, wenn nur ein Unternehmen die zu beschaffende Leistung liefern kann, beispielsweise bei Containern.)

Das BMWi weist weiter darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs drei kumulative Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der jeweiligen Ausnahmetatbestände für das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfüllt sein müssen. Der Verzicht auf die EU-weite Bekanntmachung ist danach nur zulässig, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis vorliegt, dringliche und zwingende Gründe bestehen und ein kausaler Zusammenhang besteht zwischen dem unvorhergesehen Ereignis und der Unmöglichkeit, die Fristen einzuhalten.

Aufgrund des plötzlichen Anstiegs der Flüchtlingszahlen dürften derzeit regelmäßig sowohl das Tatbestandsmerkmal "unvorhergesehenes Ereignis" als auch "dringliche und zwingende Gründe" im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen erfüllt sein. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der jeweilige öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, dass er kurzfristig wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen muss, als zu erwarten war. Dies kann im konkreten Einzelfall zu äußerst kurzfristigem Beschaffungsbedarf führen, bei dem aufgrund der bestehenden Gefährdungen für ein wichtiges Rechtsgut (Gesundheit der Flüchtlinge) Aufträge zügig vergeben und ausgeführt werden müssen und von einem Teilnahmewettbewerb abgesehen werden kann. Im Sinne einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln empfiehlt es sich, mehrere Unternehmen zur Abgabe von Angeboten aufzufordern.

Ferner wird angeregt, stets zu prüfen, ob im Zusammenhang mit der Versorgung einer noch nicht genau abzuschätzenden Zahl von Flüchtlingen mit Liefer- und Dienstleistungen auf das Instrument einer Rahmenvereinbarung zurückgegriffen werden kann.

Energieeinsparrecht

Energetische Anforderungen sind grundsätzlich wichtig - aber in der gegebenen Situation müssen die Belange Schutz suchender Menschen Vorrang haben.

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) regelt die energetische Qualität von Gebäuden und Anlagetechnik - das Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) regelt grundsätzlich die Verpflichtung zum Einsatz Erneuerbarer Energien im Neubau. Die Vorschriften des Energieeinsparrechts im Gebäude stehen der Vielzahl der jetzt akut erforderlichen Maßnahmen zur Unterbringung von Flüchtlingen nicht entgegen. Die kommunalen Entscheidungsträger sollen die Möglichkeit erhalten, schnell beziehbare Unterkünfte zu schaffen.

Reine Nutzungsänderung von Gebäuden: Keine besonderen Anforderungen: In der Praxis der kommunalen Flüchtlingsunterbringung dürfte die Nutzungsänderung von Gebäuden der derzeit häufigste Fall sein. Das heißt, dass Bestandsgebäude als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden. Wird bei bestehenden, an sich funktionsfähigen Gebäuden nur die Nutzung geändert (ohne bauliche Veränderungen), stellen EnEV und EEWärmeG keine Anforderungen.

Provisorische Gebäude (Container): Ebenfalls keine Anforderungen stellen EnEV und EEWärmeG an provisorische Gebäude (z.B. Container) - wenn die Nutzungsdauer zwei Jahre nicht überschreitet. Eingeschränkte Anforderungen gelten hier, wenn die Nutzungsdauer 5 Jahre nicht überschreitet. Die am Markt verfügbaren Container erfüllen im Regelfall diese eingeschränkten Anforderungen.

Umbau bestehender Gebäude: Werden bestehende Gebäude umgebaut - beispielsweise die Ausrüstung einer alten Kaserne mit einer Heizungsanlage oder die Erneuerung von Fenstern -  sehen EnEV und EEWärmeG Ausnahmeregeln von den energetischen Anforderungen vor. Die Länder haben dann die Möglichkeit, wegen "unbilliger Härte" die Mindestanforderungen der EnEV nicht einzuhalten. Zu diesem Thema hat sich das MBWSV im Erlass vom 22.09.2015 geäußert: Wenn energetische Anforderungen dazu führen, dass die öffentliche Hand im Einzelfall erforderliche bauliche Maßnahmen nicht umgehend umsetzen kann, soll dies als ein Fall der "unbilligen Härte in sonstiger Weise" bewertet werden. Die Geschäftsstelle hatte die Landesregierung zu einer solchen Einschätzung aufgefordert. Über Befreiungen ist nach Antrag durch die Untere Bauaufsichtsbehörde zu entscheiden.

Neubauten und grundlegende Renovierung: Selbst wenn bei Neubau oder bei grundlegender Renovierung von Bestandsbauten grundsätzlich die Anforderungen von EnEV und EEWärmeG gelten: Die Ausnahme- und Befreiungsmöglichkeiten können auch hier zur Anwendung kommen. BMWi und BMUB haben in einem gemeinsamen Anschreiben die für den Vollzug der Gesetze zuständigen Bundesländer ermutigt - da wo erforderlich - der besonderen Situation durch Nutzung der Befreiungs- und Ausnahmemöglichkeiten Rechnung zu tragen (siehe hierzu Schnellbrief Nr. 186 vom 04.09.2015).

Der StGB NRW hat darüber hinaus die Ministerpräsidentin mit Schreiben vom 10.09.2015 dazu aufgefordert, sich gegenüber dem Bund für eine übergangsweise Absenkung des Dämmstandards für Flüchtlingsunterkünfte in der Energieeinsparverordnung (EnEV) einzusetzen sowie im Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) klarzustellen, dass für solche Unterkünfte die Vorschriften dieses Gesetzes nicht gelten.

Az.: Az.: II/1 21.1.1.4

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