Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 810/2004 vom 20.10.2004

Interkommunale Zusammenarbeit und Vergaberecht

Die Geschäftsstelle hat in den Mitteilungen von Juli 2004 (Nr. 506/2004) über einen Beschluss des OLG Düsseldorf vom 05.05.2004 (Az.: VII Verg 78/03) berichtet, der eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung von zwei Kommunen bei der Müllabfuhr nicht für zulässig hält und die Ansicht vertritt, der Vorgang müsse nach den Vorschriften des Vergaberechts öffentlich ausgeschrieben werden. Das OLG Frankfurt/M. hat sich in einem Beschluss vom 07.09.2004 in ähnlicher Weise geäußert (Az.: 11 Verg 11 und 12/04).

Der Städte- und Gemeindebund vertritt - trotz zum Teil entgegenstehender Rechtsprechung - nach wie vor die Meinung, dass die interkommunale Zusammenarbeit kein vergaberechtlicher Vorgang ist. Wenn eine Gemeinde sich entscheidet, eine ihr vom Gesetzgeber zugewiesene Aufgabe zusammen mit einer anderen Gemeinde durchzuführen, ist dies eine Frage der – internen – Aufgabenorganisation unter Anwendung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG), und zwar gleichgültig, ob eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung geschlossen oder ein Zweckverband gegründet wird. Es handelt sich gerade nicht um einen öffentlichen Auftrag im Sinn des Vergaberechts, da es sich nicht um den Einkauf einer Leistung am Markt handelt.

Die Frage hat für die Praxis eine enorm große Bedeutung. Allein bei den 396 nordrhein-westfälischen Kommunen ist davon auszugehen, dass es mehrere tausend Fälle von interkommunaler Kooperation gibt, und zwar mit zunehmender Tendenz, weil sämtliche Aufsichtsbehörden und Verwaltungsfachleute zur effektiveren Erledigung von öffentlichen Aufgaben die Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit empfehlen.

Der Städte- und Gemeindebund NRW und das „forum vergabe e.V.“ haben zur Diskussion der aufgeworfenen Fragen zu einer wissenschaftlich-praktischen Veranstaltung am 07. Oktober 2004 in Solingen eingeladen, an der über 100 Interessenten teilgenommen haben. Die Veranstaltung stand unter der Leitung von Rechtsanwalt Wolfgang Jaeger, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf a.D.. Eingangsreferate hielten Prof. Dr. Martin Burgi (Ruhr-Universität Bochum, Forschungsstelle für Verwaltungsrechtsmodernisierung und Vergaberecht), Dr. Hans-Ulrich Schwarzmann (Beigeordneter für Bauen und Vergabe beim Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf) und Rechtsanwältin Dr. Ute Jasper (Partnerin der Rechtsanwalts-Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf). Sämtliche Referenten und praktisch alle Diskussionsteilnehmer kamen zum Ergebnis, dass alle Formen der interkommunalen Zusammenarbeit keine vergaberechtlichen Vorgänge sind, weil die Kommunen im Rahmen der Erfüllung ihrer ihnen vom Gesetzgeber zugewiesenen öffentlichen Aufgaben bleiben und diese Aufgaben durch eigene Mitarbeiter erfüllen. Sie gehen also gar nicht „an den Markt“, also nicht in die Privatwirtschaft, was Voraussetzung für die Anwendung des Vergaberechts wäre. Prof. Dr. Burgi und Rechtsanwältin Dr. Jasper: Wenn der Gesetzgeber der öffentlichen Hand eine Aufgabe überträgt und diese öffentliche Hand mit eigenem Personal und eigenen Sachmitteln diese Aufgabe durchführt, ist und bleibt dies öffentliche Verwaltung. Eine Einschaltung der Privatwirtschaft erfolgt in diesen Fällen gerade nicht – und dies wäre Voraussetzung für die Geltung des Vergaberechts. Ob eine solche öffentliche Aufgabe von einer oder mehreren staatlichen Behörden, von einer oder mehreren Kommunen durchgeführt wird, ist für das Verhältnis zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand gleichgültig. Es ist und bleibt ein innerstaatlicher, ein innerorganisatorischer Vorgang, in welche und wie viele Untergliederungen des „Staats“ die Erfüllung einer solchen öffentlichen Aufgabe aufgeteilt wird.

In der Diskussion wurde den kommunalen Vertretern durchaus empfohlen, die bisherigen Formen der interkommunalen Zusammenarbeit beizubehalten und auch neue Gerichtsverfahren nicht zu scheuen. Es bestehe durchaus die Chance, die Gerichte mit den geschilderten Argumenten zu überzeugen, dass es sich hier nicht um vergaberechtliche Vorgänge handelt.

Das Innenministerium Nordrhein-Westfalen hat auf die Bitte des Städte- und Gemeindebunds NRW, den Einzelfall des OLG-Beschlusses nicht zum Anlass von rechtsaufsichtlichen Maßnahmen zu nehmen, wie folgt geantwortet: Es verwies auf eine Besprechung mit den Bezirksregierungen. „In dieser Besprechung vertrat das Innenministerium die Position, dass eine nach § 24 Abs. 2 GKG erforderliche Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen nach § 23 GKG sich allein nach GKG-Kriterien bemesse. Die Frage der Vereinbarkeit mit dem Vergaberecht sei hiervon unberührt. In der Besprechung schälte sich aus konsensuale Linie heraus, dass man die Kommunen im Hinblick auf die OLG-Entscheidung beraten und auf die Risiken hinweisen, aber in aller Regel nicht kommunalaufsichtlich einschreiten müsse. Ein solches Einschreiten käme nur einem identischen oder nahezu identischem Sachverhalt wie dem vom OLG entschiedenen Fall in Betracht. Dies dürfte aber in der Praxis kaum gegeben sein.“

Erfreulicherweise hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit angekündigt, dass bei der im Jahr 2005 bevorstehenden Änderung der vergaberechtlichen Vorschriften (§§ 97 ff GWB) eine gesetzgeberische Klarstellung erfolgen wird, die sicherstellt, dass interkommunale Zusammenarbeit kein vergaberechtlicher Vorgang ist.





Az.: II schw/g

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