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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 429/2003 vom 20.05.2003
Keine BGH-Entscheidung zu langfristigen Energielieferungsverträgen
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 20.05.2003 die
Verkündung einer Entscheidung in dem Verfahren KZR 12/02 - Stadtwerke
Schwäbisch-Hall gegen Gasversorgung Süddeutschland - terminiert. In diesem
Rechtsstreit ging es um die kartellrechtliche Wirksamkeit einer auch sonst
häufig verwendeten vertraglichen Bestimmung, nach der ein kommunales
Energieversorgungsunternehmen seinen Erdgasbedarf über viele Jahre hinweg
von einem Ferngasunternehmen beziehen muss.
Die Gasversorgung Süddeutschland (GVS), die von Dritten bezogenes Erdgas
über ein eigenes Leitungsnetz vor allem in Baden-Württem-berg absetzt, hatte
mit den Stadtwerken Schwäbisch-Hall im Jahre 1996 einen Liefervertrag für
Erdgas geschlossen, mit dem die Vertragsparteien eine seit 1982 bestehende
Geschäftsbeziehung fortgesetzt hatten. Nach diesem Vertrag, der eine
Laufzeit von zwanzig Jahren haben sollte, waren die Stadtwerke
Schwäbisch-Hall verpflichtet, eine Gasmenge abzunehmen, die jeweils nicht
unter der im Vorjahr abgenommenen Menge liegen durfte. Solange diese Menge
nicht abgenommen war, durften die Stadtwerke kein Erdgas von Dritten
beziehen. Auch zusätzlichen Bedarf mussten die Stadtwerke bei der GVS decken,
soweit GVS zu einer Lieferung zu marktgerechten Bedingungen bereit und
imstande war. Ferner enthielt der Vertrag eine Demarkationsabrede, nach der
GVS sich verpflichtete, im Versorgungsgebiet der Stadtwerke kein Gas zu
vertreiben.
Dieser Vertrag war vor der Liberalisierung der Energiemärkte abgeschlossen
worden. Für Energielieferverträge gab es im deutschen Kartellrecht eine
so genannte Bereichsausnahme, nach der diese Verträge von den zentralen
kartellrechtlichen Bestimmungen freigestellt waren. Nach dem Wegfall dieser
Privilegierung im Jahre 1998 stellten sich die Stadtwerke auf den
Standpunkt, der Vertrag sei kartellrechtswidrig und nichtig, und erhoben
eine entsprechende Feststellungsklage. Nachdem das Landgericht Stuttgart der
Klage stattgegeben hatte, beschränkten die Stadtwerke ihre Klage auf die
Feststellung der Unwirksamkeit der Demarka-tionsabrede und der
Bezugsverpflichtung. Für die Demarkationsabrede akzeptierte GVS eine solche
Feststellung, nicht dagegen für die Bezugsverpflichtung. Das
Oberlandesgericht Stuttgart wies die Klage ab: Zwar verstoße die fragliche
Bezugsverpflichtung sowohl gegen deutsches als auch gegen europäisches
Kartellrecht. Da der Vertrag aber eine Klausel enthalte, wonach die Parteien
eine nichtige Klausel möglichst durch eine gleichwertige unbedenkliche
Vertragsbestimmung ersetzen müssten, könne die Unwirksamkeit der Klausel
nicht festgestellt werden, weil sie möglicherweise durch eine andere Klausel
ersetzt werden müsse.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Kartellsenat am 8. April 2003 wurde
mit den Parteivertretern und den Vertretern des Bundeskartellamts eingehend
erörtert, ob die beanstandete langfristige Bezugsverpflichtung gegen das
Kartellverbot des § 1 GWB und Art. 81 des EG-Vertrags verstößt und ob
gegebenenfalls die zwanzigjährige Vertragsdauer - um kartellrechtlichen
Bedenken zu begegnen - deutlich zurückgeführt werden muss. Die für heute
vorgesehene Urteilsverkündung entfällt, nachdem die Stadtwerke
Schwäbisch-Hall die Revision im Zuge eines gestern abend geschlossenen
Vergleichs zurückge-nommen haben.
Beim Kartellsenat ist noch der Rechtsstreit Thyssengas gegen Stadtwerke
Aachen (KZR 26/01) anhängig, in dem sich ähnliche Fragen stellen. In diesem
Verfahren wurde am 20.05.2003 die Revision der Thyssengas angenommen. Die Sache wird
voraussichtlich am 4. November 2003 vor dem Kartellsenat verhandelt werden.
Az.: IV/3 811-00