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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 846/2003 vom 04.11.2003
Keine BGH-Entscheidung zu langfristigen Energielieferverträgen
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hatte beabsichtigt, am 4.11.2003 die Verhandlung in dem Verfahren Thyssengas gegen STAWAG Stadtwerke Aachen (KZR 26/01) durchzuführen. In diesem Rechtsstreit ging es um die kartellrechtliche Wirksamkeit einer auch sonst häufig verwendeten vertraglichen Bestimmung, nach der ein kommunales Energieversorgungsunternehmen über viele Jahre eine bestimmte, seinem Gesamtbedarf etwa entsprechende Menge Erdgas von einem Ferngasunternehmen beziehen muss.
Thyssengas und STAWAG hatten im Jahre 1984 einen Vertrag mit einer Laufzeit von 19 Jahren über die Lieferung von Erdgas geschlossen. Dieser Vertrag enthielt u.a. eine so genannte Gesamtbedarfsdeckungsklausel, die später durch die Vereinbarung einer festen jährlichen Vertragsmenge ersetzt wurde, die aber in etwa dem Gesamtjahresbedarf der STAWAG entsprach. Der Vertrag war vor der Liberalisierung der Energiemärkte abgeschlossen worden. Für Energielieferverträge gab es im deutschen Kartellrecht eine so genannte Bereichsausnahme, nach der diese Verträge von den zentralen kartellrechtlichen Bestimmungen freigestellt waren. Nach dem Wegfall dieser Privilegierung im Jahre 1998 stellte sich die STAWAG auf den Standpunkt, der Vertrag sei kartellrechtswidrig und nichtig. Sie nimmt seit 1999 nicht mehr die volle nach dem Vertrag vereinbarte Menge von Thyssengas ab, sondern bezieht einen Teil ihres Gasbedarfs von zwei anderen Lieferanten. Mit der Klage im vorliegenden Verfahren begehrte Thyssengas die Feststellung, dass der Gaslieferungsvertrag aus dem Jahre 1984 nach wie vor wirksam sei. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung von Thyssengas hatte keinen Erfolg. Diese von der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ausgehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hatte Thyssengas mit der Revision angegriffen. Der Bundesgerichtshof hätte in dem Verfahren in erster Linie klären müssen, für wie viele Jahre sich die STAWAG wirksam verpflichten konnte, ihren gesamten Bedarf an Erdgas bei Thyssengas zu beziehen. Hierzu kommt es nicht, weil Thyssengas die Revision am 3.11.2003 zurückgezogen und damit in Kauf genommen hat, dass die für sie ungünstige Entscheidung des Einzelfalls rechtskräftig geworden ist.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs war mit Spannung erwartet worden, weil sie für eine große Zahl anderer langfristiger Energielieferungsverträge Bedeutung hätte haben können. Die Aufmerksamkeit der Fachöffentlichkeit hatte sich auf das vorliegende Verfahren konzentriert, nachdem im Mai diesen Jahres eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über eine ähnliche Klausel in einem Energielieferungsvertrag ebenfalls in letzter Minute durch Rücknahme der Revision verhindert worden war (Stadtwerke Schwäbisch-Hall gegen Gasversorgung Süddeutschland - KZR 12/02).
Az.: IV/3 811-00