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StGB NRW-Mitteilung 405/2012 vom 03.07.2012
Klage gegen Hundesteuer vor dem Europäischen Gerichtshof
In den Medien wird in den letzten Tagen über die Klage eines Rechtsanwalts gegen die Hundesteuer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg berichtet. In der Folge haben auch schon vereinzelt Bürgerinnen und Bürger Rechtsmittel gegen Hundesteuerbescheide eingelegt und diese mit einem Verstoß der Hundesteuer gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) begründet. Wegen der Medienberichterstattung (so berichtete am 11.05.2012 der Spiegel-Online-Ableger Legal Tribune Online über das Verfahren) und wegen der Diskussion des Themas in den einschlägigen Foren der Hundehalter ist es nicht auszuschließen, dass sich auch andere Städte Rechtsmitteln gegenüber sehen.
Die StGB NRW-Geschäftsstelle teilt zu dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte folgende Einschätzung mit, die uns vom Hessischen Städtetag übermittelt worden ist und der wir uns inhaltlich voll anschließen:
1. Zur Rolle des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
In der Verwaltungspraxis der Kommunen sind Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eher selten. Daher erlauben wir uns einige einführende Hinweise: Der EGMR ist das Gericht, das für die Durchsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention geschaffen wurde. Er ist ein Organ des Europarates und kein Organ der Europäischen Union. Er darf daher nicht mit dem Europäischen Gerichtshof verwechselt werden.
Der EGMR befasst sich im Regelfall mit schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde. Beispielsweise verurteilte der EGMR Russland wegen der Tötung von Zivilisten in Tschetschenien. Deutschland wurde wegen der nachträglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung verurteilt. All diese Urteile wirken nur zwischen den Parteien. Im Gegensatz zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts — die nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben können — binden die Entscheidungen nur die Beteiligten. Eine allgemeine Auswirkung ergibt sich damit nie aus dem Urteil selbst, sondern nur aus der politischen Reaktion darauf. Insofern ist die Auswirkung eines Urteils des EGMR mit einem Urteil des BFH oder des BVerwG vergleichbar, bei dem die rechtsetzende Körperschaft reagiert, weil der Ausgang zukünftiger Prozesse vorhersehbar ist.
2. Zur Belastbarkeit der vorgebrachten Argumente
Voranstellend ist zu bemerken, dass sich die Einschätzung der Argumente auf die in der öffentlichen Diskussion vorgebrachten Aspekte stützt, da die Begründung der Beschwerdeschrift nicht bekannt ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass - ähnlich wie bei dem Bundesverfassungsgericht - bei weitem nicht jede Individualbeschwerde zur Verhandlung angenommen wird. Nach Art. 35 Abs. 3 der EMRK kann eine Individualbeschwerde für unzulässig erklärt werden, wenn sie mit der EMRK nicht vereinbar ist, offenkundig unbegründet ist oder einen Missbrauch des Beschwerderechts darstellt.
Angesichts der Tatsache, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Regelfall mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen befasst, erscheint es schon fraglich, ob die Belastung durch die Hundesteuer überhaupt eine Menschenrechtsverletzung darstellt, über die der EGMR zu entscheiden gedenkt.
Inhaltlich stützt sich die behauptete Menschenrechtsverletzung auf drei Argumentationslinien. Die vorgetragene Verletzung des Art. 13 EMRK (Recht auf wirksame Beschwerde) ist für die Erhebung der Hundesteuer ohne Relevanz. Dieses Argument trifft allein das Bundesverfassungsgericht, dem vorgeworfen werden könnte, dass es die Argumente des Antragstellers nicht hinreichend gewürdigt hat. Selbst wenn der EGMR einen Verstoß gegen die Menschenrechte annehmen sollte, würde dies die Erhebung der Hundesteuer nicht beeinträchtigen.
Das zweite Argument zielt auf Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Bei diesem Argument ist nicht klar, wie sich aus der Erhebung der Hundesteuer eine Beeinträchtigung des Privatlebens ergibt. Daher ist davon auszugehen, dass der EGMR dieses Argument als weniger stichhaltig erachtet.
Das dritte Argument beruht auf dem Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK. Dem Wortlaut nach ist das Diskriminierungsverbot nicht einschlägig, da dieses lediglich die diskriminierungsfreie Ausübung der Menschenrechte betrifft. Allerdings wird dieses durch das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK auch in Richtung eines allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes erweitert. Die Rüge der ungleichen Behandlung besteht damit im Kern aus zwei Fragestellungen. Zum einen wird geltend gemacht, dass nur Hunde der Besteuerung unterworfen werden, nicht jedoch Katzen und andere Tiere. Wie im nationalen Recht dürfte die bessere Kontrollierbarkeit von Hunden ein tragfähiges Argument für die Besteuerung liefern. Zum anderen wird ein Verstoß gegen die Besteuerungsgerechtigkeit vorgetragen, da die Kommunen nicht immer alle Hunde erfassen. Dieses Argument ist etwas ernster zu nehmen, setzt aber voraus, dass der EGMR Grundsätze wie die Steuergerechtigkeit überhaupt anwendet. Zum anderen ergibt sich aus der Behauptung einer ungleichen Besteuerung nicht notwendigerweise der Verzicht auf die Steuererhebung, sondern allein der Auftrag zur stärkeren Kontrolle.
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Argumente nicht belastbar sind. Nach unserer Einschätzung wird der EGMR die Klage als unzulässig oder unbegründet abweisen.
3. Aussetzung des Verfahrens / Ruhen des Verfahrens wegen Verfahren vor dem EGMR
Nach Einschätzung der Geschäftsstelle des StGB NRW sollte ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EMRG abgelehnt werden.
- Zum einen ist ein Erfolg der Klage aus den oben genannten Gründen unwahrscheinlich.
- Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine Aussetzung des Verfahrens wegen eines Verfahrens vor dem EGMR nach nationalem Recht nicht geboten ist. Dies wurde vom FG Rheinland-Pfalz zum § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO entschieden. Das Finanzgericht stützt sich in seinem Urteil vom 21.11.2011 (Az. 5 K 2478/10) darauf, dass § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO den EGMR ausdrücklich nicht erwähnt. Aufgrund des Verweises in § 12 KAG ist diese Rechtsprechung auch bei Erhebung der Hundesteuer beachtlich. Die Wertung der Abgabenordnung, die sich der Landesgesetzgeber zu Eigen gemacht hat, muss beachtet werden.
- Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Verfahren vor dem EGMR typischerweise sehr lang andauern. In der Selbstbeschreibung gibt der Gerichtshof an, dass er sich um eine Entscheidung innerhalb von drei Jahren bemüht. Aus den Aktenzeichen und den Entscheidungsdaten ist ersichtlich, dass die normale Entscheidungsdauer eher fünf Jahre beträgt.
Az.: IV/1 933-01