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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 727/2006 vom 24.10.2006
Kommunale Spitzenverbände zum europäischen Vergaberecht
Die kommunalen Spitzenverbände haben die Europäische Union aufgefordert, die Entscheidungsfreiheit der deutschen Städte, Landkreise und Gemeinden zu respektieren und nicht zu beschränken. Das gilt gleichermaßen für die interkommunale Zusammenarbeit, so genannte In-house-Geschäfte, die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und für die Gründung von gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften. In diesem Bereich kommunaler Selbstverwaltung benötigen wir aus Brüssel dringend weniger Einmischung, so die Präsidenten Landrat Hans Jörg Duppré (Deutscher Landkreistag), Bürgermeister Roland Schäfer (Deutscher Städte- und Gemeindebund) und der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Dr. Stephan Articus in Brüssel.
Jüngere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes sowie die Auffassung der EU-Kommission im Bereich des europäischen Vergaberechts schränkten die Kommunen in zunehmendem Maße in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung ein. Duppré dazu: Die EU bleibt nach wie vor aufgefordert, die Zusammenarbeit zwischen Städten, Kreisen und Gemeinden nicht den EU-Vergaberichtlinien zu unterstellen. Interkommunale Kooperation ist eine Frage der Binnenorganisation und kein Beschaffungsvorgang am Markt.
Dieser verwaltungsinterne Akt dient im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zur Bereithaltung eines breiten Dienstleistungsangebots vor allem den Interessen der Bürger. Daher müssen alle Formen der interkommunalen Kooperation, also sowohl der Zusammenschluss in einem Zweckverband als auch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen zwischen Kommunen, vom Vergaberecht freigestellt werden, erklärte Schäfer.
Articus betonte, die Kommunen müssten Dienstleistungsaufträge auch dann ohne Ausschreibung an eigene Unternehmen vergeben können, wenn private Partner an diesen Unternehmen beteiligt sind. Wenn es grundsätzlich nicht mehr möglich sein soll, dass Kommunen Aufträge an gemischtwirtschaftliche Unternehmen ausschreibungsfrei vergeben können, würde den Kommunen jede Wahlfreiheit genommen, in welcher Form sie Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen, so Articus. Der Europäische Gerichtshof hatte 2005 die ausschreibungsfreie Direktvergabe auf die Fälle beschränkt, in denen sich das beauftragte Unternehmen zu 100 Prozent im kommunalen Eigentum befindet. Diese Rechtsprechung hat zur Folge, dass viele Kommunen Leistungen der Daseinsvorsorge wieder verstärkt selbst erbringen und die Gründung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen gar nicht anstreben oder bestehende Partnerschaften auflösen.
Eine so rigide Auslegung des europäischen Rechts macht es außerdem für private Unternehmen sehr riskant, sich an öffentlichen Unternehmen zu beteiligen, erklärten Duppré, Schäfer und Articus, Das läuft dem auf allen Politikebenen geteilten Ziel zuwider, öffentlich-private Partnerschaften zu fördern. Wie im Kompromiss zur neuen ÖPNV-Verordnung müsse daher eine ausschreibungsfreie Direktvergabe an gemischtwirtschaftliche Unternehmen auch etwa dann möglich sein, wenn ein Auftrag an eine vom öffentlichen Auftraggeber getrennte Einrichtung vergeben wird, in der der private Partner nur eine geringe Minderheitsbeteiligung hält und die Kommune die unternehmerische Führung hat.
Az.: II/1 608-44