Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 708/2022 vom 02.12.2022

Kommunalfinanzen in Krisenzeiten – BMF-Monatsbericht

Die Projektion des BMF zur Entwicklung der Kommunalfinanzen unterstreicht, dass die Zeiten von in der Summe positiver kommunaler Finanzierungssaldi vorbei sind. Der Bund betont auch weiterhin, an der Seite der Kommunen zu stehen, unterstreicht dabei jedoch deutlich, dass ihm finanziell die Hände gebunden sind und die Finanzierungsverantwortung für eine aufgabenadäquate kommunale Finanzausstattung bei den Ländern liegt. Als ein Problem der kommunalen Finanzausstattung sieht der Bund die Vulnerabilität auf der Einnahmenseite. Das BMF regt daher an, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen nach Wegen für eine krisenresilientere kommunale Finanzausstattung zu suchen.

Der aktuelle November-Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) umfasst eine umfassende Analyse der „Bundespolitik und Kommunalfinanzen in Krisenzeiten“. Das BMF betont darin, dass es für die Bewältigung der aktuellen Krisen vor Ort und für die kommunale Aufgabenerfüllung handlungsfähiger Kommunen bedarf. Entsprechend habe der Bund die Kommunen in der Vergangenheit bereits enorm unterstützt und werde auch in Zukunft an der Seite der Kommunen stehen. Durch die multiplen Krisen sind die finanziellen Möglichkeiten des Bundes jedoch stark eingeschränkt. Künftig müsse der Bund sich daher verstärkt auf seine originären Aufgaben konzentrieren. In der Konsequenz bedeute dies, dass die Länder entsprechend ihrer verfassungsrechtlichen Finanzverantwortung für ihre Kommunen für eine angemessene Finanzausstattung Sorge tragen müssen.

Ausblick Entwicklung Kommunalfinanzen

Das BMF führt aus, dass die Kommunen finanziell insgesamt gut durch die Corona-Krise gekommen sind, was auch auf Unterstützungsleistungen des Bundes zurückzuführen sei. Auch in diesem Jahr übernehme der Bund finanzielle Mitverantwortung und unterstütze die Kommunen in vielen Bereichen mit zusätzlichen Mitteln (z. B. Flüchtlingsfinanzierung, ÖPNV). Die aktuell vom Bund ergriffenen Maßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise, insbesondere die Entlastungspakete und der wirtschaftliche Abwehrschirm, dürften ebenfalls erheblich zur Stabilisierung der kommunalen Finanzlage beitragen.

Auf der Einnahmenseite schätzt das BMF für das laufende Jahr eine deutliche Zunahme der kommunalen Einnahmen in Höhe von 5½ Prozent (+2½ Prozent im Jahr 2023). Begründet ist dies durch den Anstieg bei den laufenden Zuweisungen der Länder an die Gemeinden um rund 10 Mrd. Euro (+9 %, unter anderem aufgrund höherer finanzieller Leistungen des Bundes (KdU, Grundsicherung, Flüchtlingsfinanzierung)). Anders beim Steueraufkommen. Hier wird im laufenden Jahr von Stagnation ausgegangen, 2023 wird dann ein Zuwachs von 3½ Prozent erwartet.

Auf der Ausgabenseite erwartet das BMF vor allem in diesem Jahr eine überdurchschnittlich starke Steigerung in Höhe von 7½ Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hernach wird wieder ein moderates Ausgabenwachstum von drei Prozent angenommen. Ursächlich für den besonders hohen Anstieg der kommunalen Ausgaben in diesem Jahr ist der gestiegene laufende Sachaufwand (+7 %) infolge der allgemeinen Preissteigerungen sowie des Online-Zugangsgesetzes. Auch die Sozialausgaben (+6 %), allen voran die flüchtlingsinduzierten Ausgaben, steigen in diesem Jahr deutlich an. Für 2023 projiziert das BMF dann nur noch eine Steigerungsrate von 1½ Prozent. Deutliche Zuwächse werden auch bei den Personalausgaben mit +6 Prozent im Jahr 2022 und +4 Prozent im Jahr 2023 geschätzt.

Nach der September-Projektion geht das BMF von einem für die Kommunen in der Summe negativen Finanzierungssaldo in Höhe von -1½ Mrd. Euro aus, welches im kommenden Jahr mit -3 Mrd. Euro nochmals größer ausfallen dürfte.

Hingewiesen sei darauf, dass das BMF bei dieser Projektion zwar bereits die wesentlichen Elemente des 3. Entlastungspaketes (u. a. Inflationsausgleichsgesetz) berücksichtigen konnte, die aktuelle Steuerschätzung sowie die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels vom 2. November 2022 (u. a. zsl. finanzielle Unterstützung bei den Flüchtlingskosten) jedoch noch nicht Eingang finden konnten. Das BMF geht daher davon aus, dass die kommunalen Finanzierungssaldi in den kommenden Jahren eher besser als in der Projektion dargestellt ausfallen werden.

Krisenresilientere kommunale Finanzausstattung

Ein weiteres Thema, das in dem Artikel im BMF-Monatsbericht angeschnitten wird, ist eine krisenresilientere Finanzausstattung der Kommunen. So habe die Corona-Pandemie nochmals die hohe Konjunkturreagibilität gemeindlicher Steuereinnahmen gezeigt. Zudem sind gerade kleinere Gemeinden stark von der Ertragslage einiger weniger (Gewerbe-)Steuerzahler vor Ort abhängig. Beides erschwere den Kommunen die mittel- bis langfristige Haushaltsplanung sowie die Investitionsentscheidungen erheblich. Eine insgesamt krisenresiliente kommunale Einnahmestruktur solle daher angestrebt werden. Das BMF schlägt daher vor, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam prüfen könnten, ob Wege zur strukturellen Verbesserung im kommunalen Finanzierungssystem zu finden sind.

Altschuldenhilfe

Der Bund unterstreicht im Monatsbericht seine grundsätzliche Bereitschaft zur anteiligen Übernahme kommunaler Altschulden. Ein übergreifender Konsens zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist aber Grundvoraussetzung. Hinsichtlich des Entschuldungsmodells ist man offen, allerdings wird das zwingende Erfordernis einer Grundgesetzänderung bei einer Teilübernahme der Altschulden durch den Bund gesehen. Angesichts der Zinswende drängt die Zeit für die höchstverschuldeten Kommunen. Es soll daher nun zügig Klarheit geschaffen werden, ob verfassungsändernde Mehrheiten für eine Altschuldenhilfe unter Beteiligung des Bundes im Deutschen Bundestag und Bundesrat erreicht werden können.

Anmerkung Städte- und Gemeindebund

Es ist anzuerkennen, dass der Bund einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen in der Corona-Krise geleistet hat. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die gesamte Ukraine stehen die Städte und Gemeinden nun abermals vor finanziell allein kaum bewältigbaren Herausforderungen. Trotz erwartbarer Rezession werden die Steuereinnahmen inflationsbedingt vorerst nicht einbrechen, sondern im Gegenteil sogar noch steigen, mit den gestiegenen Ausgaben können sie aber schon nicht mehr mithalten. Mit Blick auf die kommenden Jahre ist die Finanzsituation der Kommunen daher schlicht prekär und Handlungs- und Investitionsfähigkeit der Städte und Gemeinden massiv gefährdet. Bund und Länder müssen daher die weitere Entwicklung der Kommunalfinanzen genauestens beobachten, um in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden schnell reagieren zu können. Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Monate und der Risiken für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob sich das kommunale Finanzergebnis unter Berücksichtigung der Steuerschätzung vom Herbst und den Entlastungen im Zuge des Bund-Länder-Gipfels tatsächlich besser darstellen wird als noch in der BMF-Projektion Ende September angenommen. Ein merklicher finanzieller Risikofaktor sind bspw. die zu erwartenden relativ hohen Tarifabschlüsse im kommenden Jahr.

In Zeiten multipler, und zunehmend „glokaler“, Krisen ist eine krisenresilientere Aufstellung der Kommunalfinanzen notwendig. Grundvoraussetzung ist eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Die Städte und Gemeinden müssen daher finanziell dauerhaft in die Lage versetzt werden, alle ihre Aufgaben erfüllen zu können, einschließlich der nötigen Investitionen. Mit Blick auf die Krisenresilienz der kommunalen Finanzausstattung ist die Erhöhung eines gemeindlichen Steueranteils angezeigt und gerechtfertigt. Nicht zuletzt auch wegen der erheblichen kommunalen Investitionen, die für einen erfolgreichen Transformationsprozess nötig sein werden. Mindestes genauso wichtig ist eine echte Konnexität und ein Verzicht auf einseitige Standardverschärfungen ohne Gegenfinanzierung. Es kann nicht sein, dass die Kommunen bundesseitig beschlossene standardverschärfende Regelungen weitestgehend alleine tragen müssen.

Weiter setzt die Zinswende gerade die hochverschuldeten Kommunen einem erheblichen finanziellen Druck aus, den sie aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Mit Blick auf das Ziel der Erreichung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in unserem Land ist eine kommunale Altschuldenlösung daher unabdingbar. Hier stehen in erster Linie die Länder in der Verantwortung, angesichts der Summen wird es ohne die Hilfe des Bundes jedoch nicht gehen. Dies ist aber auch gerechtfertigt, schließlich sind die Altschulden zumindest teilweise auf Bundesgesetzgebung zurückzuführen. Eine gesamtstaatliche kommunale Altschuldenlösung ist daher weiter erstrebenswert. Ob die aus Sicht des Bundes zwingend erforderlichen 2/3 Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat erreicht werden können, gilt allerdings als äußerst fraglich.

Das Kapitel des BMF-Monatsberichts zu „Bundespolitik und Kommunalfinanzen in Krisenzeiten“ ist unter www.bundesfinanzministerium.de abrufbar.

Az.: 41.0.7-001/004 mu

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