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StGB NRW-Mitteilung 250/1999 vom 20.04.1999
Kommunalwahlen 1999 für 16- und 17jährige Erstwähler
Der Abgeordnete Hans Klaps, SPD, hat in einer Anfrage an die Landesregierung nach dem Verhältnis des elterlichen Sorgerechts für Minderjährige und dem Meldegesetz NRW, speziell den Melderegisterauskünften in besonderen Fällen, gefragt.
Nach dem Meldegesetz NRW haben Parteien ein halbes Jahr vor Wahlen das Recht, "Melderegisterauskünfte in besonderen Fällen" von der Meldebehörde zu erlangen. Dies schließt z.B. auch ein, sich die Adressen der minderjährigen 16- und 17jährigen Erstwähler mitteilen zu lassen.
Wegen der allgemeinen Bedeutung der Anfrage und der Antwort der Landesregierung vom 17.02.1999 ist im folgenden die Anfrage und die Antwort im Wortlaut wiedergegeben:
Frage an die Landesregierung:
1. Hat das grundgesetzlich garantierte elterliche Sorgerecht für Minderjährige bis zur Vollendung der Volljährigkeit Vorrang vor dem Meldegesetz NRW, speziell den Melderegisterauskünften in besonderen Fällen?
2. Sollte dies der Fall sein:
Was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, damit sichergestellt wird, daß im Zusammenhang mit den diesjährigen Kommunalwahlen bis zum 12. März 1999 eine Regelung gefunden wird, die das elterliche Sorgerecht sicherstellt?
Antwort des Innenministers:
Zur Frage 1:
Nach § 35 des Meldegesetzes NW haben Wahlberechtigte im Zusammenhang mit Parlaments- und Kommunalwahlen das Recht, der Weitergabe ihrer Adressdaten durch die Meldebehörde an Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen in den sechs der Wahl vorangehenden Monaten zu widersprechen. Die Wahlberechtigung für Kommunalwahlen beginnt nach dem 1998 geänderten Kommunalwahlgesetz mit der Vollendung des 16. Lebensjahres.
In den Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Meldegesetzes NW ist bestimmt, daß den Betroffenen das Widerspruchsrecht bereits ab Vollendung des 15. Lebensjahres zusteht. Dies ist dadurch begründet, daß die Daten der Wahlberechtigten bereits ein halbes Jahr vor der Wahl herausgegeben werden dürfen und die Betroffenen vorher Gelegenheit zur Erklärung des Widerspruchs erhalten sollen.
Da 16- und 17jährige für Kommunalwahlen wahlberechtigt sind, kann davon ausgegangen werden, daß sie die erforderliche Einsichtsfähigkeit zu der weniger weit reichenden Entscheidung darüber besitzen, ob sie aufgrund des Meldegesetzes der Weitergabe ihrer Daten zu Zwecken der Wahlwerbung widersprechen wollen. Diese Entscheidung muß dementsprechend rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der nach Melderecht frühestmöglichen Datenübermittlung getroffen werden können. Der Widerspruch hat zur Folge, daß Parteien und andere Träger von Wahlvorschlägen die Adressdaten nicht erhalten, und ist somit für die betroffenen Minderjährigen lediglich von Vorteil.
Nach bürgerlichem Recht bedürfen bereits sieben Jahre alte Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die sie lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, keiner Einwilligung ihrer Eltern. Die Rechtsordnung kennt eine Reihe weiterer Bestimmungen, die Minderjährigen mit zunehmender Verstandesreife die Befugnis zu eigenständigem Handeln zugestehen. So können Minderjährige ab 14 Jahre nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung selbst entscheiden, zu welcher Religion sie sich bekennen wollen. Ebenfalls ohne Zustimmung der Eltern können sie ab 15 Jahren nach dem Sozialgesetzbuch Sozialleistungen beantragen. Das BGB verpflichtet die Eltern ausdrücklich, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewußtem Handeln zu berücksichtigen. Die elterlichen Sorge ist nach Grundgesetz und BGB zugleich Recht und Pflicht und den Eltern nicht um ihrer selbst willen, sondern im Interesse des Kindes verliehen.
Wenn Minderjährige ab 15 Jahren im Zusammenhang mit Kommunalwahlen gegenüber der Meldebehörde Widerspruch gegen die Weitergabe ihrer Daten an Parteien etc. erheben dürfen, üben sie damit ihr grundgesetzlich verbürgtes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ihr von der Landesverfassung gewährtes Grundrecht auf Datenschutz aus. Bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter kann in der Anerkennung eines eigenverantwortlichen Widerspruchsrechts für 15- bis 17jährige angesichts der vom Gesetzgeber zur Wahlberechtigung getroffenen Wertentscheidung ein unzulässiger Eingriff in das Elternrecht nicht erblickt werden.
Zur Frage 2:
Vgl. Antwort zu Frage 1
Az.: I/2 024-50