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StGB NRW-Mitteilung 304/2019 vom 25.06.2019
Konzertierte Aktion für Verbesserungen in der Pflege
Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sollen sich schnell und spürbar verbessern. Das ist Ziel der „Konzertierten Aktion Pflege“, die unter der Leitung von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 04.06.2019 ihre Ergebnisse vorgelegt hat.
Danach soll bundesweit nach Tarif bezahlt, ein am Bedarf orientierter Personalschlüssel eingeführt, die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte beschleunigt und die Zahl der Auszubildenden und Ausbildungseinrichtungen gesteigert werden. Unklar bleibt allerdings, wie das Maßnahmenpaket finanziert werden soll.
Die Ergebnisse der Konzertierten Aktion im Detail:
Mehr Ausbildung
Die neuen Pflegeausbildungen starten zum 1. Januar 2020. Ihre Einführung wird begleitet durch die „Ausbildungsoffensive Pflege“ (2019 – 2023). Hierzu wurde beschlossen,
die Zahlen der Auszubildenden und der ausbildenden Einrichtungen bis 2023 im Bundesdurchschnitt um jeweils 10 Prozent zu steigern,
mit einer Informations- und Öffentlichkeitskampagne für die neuen Pflegeausbildungen zu werben,
mindestens 5000 Weiterbildungsplätze zur Nachqualifizierung von Pflegehelferinnen und -helfern einzurichten und
die Pflegeschulen in den „Digitalpakt Schule“ einzubeziehen, um sie für die neuen Herausforderungen der Digitalisierung fit zu machen.
Mehr Personal
Mit der Konzertierten Aktion sollen verbindlichere Regeln für die Besetzung von Pflegeheimen und Krankenhäusern mit Pflegekräften eingeführt werden. In den Heimen soll dafür ein Personalbemessungsverfahren umgesetzt werden, das bis Juni 2020 entwickelt und erprobt sein soll. Für die Krankenhäuser entwickeln Krankenkassen (GKV), Krankenhausgesellschaft (DKG) zusammen mit dem Verband der privaten Krankenversicherungen (PKV), Deutschem Pflegerat, Gewerkschaften und Arbeitgebern ein entsprechendes Konzept. Bis zum 31.12.2019 legen Deutscher Pflegerat, DKG und Verdi einen Interims-Vorschlag dazu vor.
Die Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland soll erleichtert werden. Dafür werden eine Zentrale Servicestelle für berufliche Anerkennung aufgebaut, ein Gütesiegel für private Vermittler ausländischer Pflegekräfte entwickelt und Möglichkeiten der Fach- und Sprachausbildung für ausländische Pflegekräfte in den Herkunftsländern geprüft. Die Bedingungen für eine Ausbildung in Deutschland sollen durch Öffnung der Berufsausbildungsbeihilfe für ausländische Auszubildende verbessert werden. Zudem wird durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der rechtliche Rahmen weiterentwickelt.
Die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften sollen verbessert werden. Dazu verpflichten sich Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser einen hohen Arbeitsschutzstandard und mehr Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung umzusetzen und das betriebliche Eingliederungsmanagement auszubauen, zu verlässlichen Dienstplänen, der Fort- und Weiterbildung von Führungskräften in der Pflege sowie der verbesserten Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.
Mehr Geld
Bislang werden Pflegekräfte sehr unterschiedlich und häufig zu niedrig entlohnt. Deshalb wurde vereinbart,
die Entlohnungsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern,
nach Qualifikation differenzierte Mindestlöhne zu entwickeln (mindestens für Pflegefach- und Hilfskräfte),
die Ost-West-Differenzierung beim Pflegemindestlohn aufzugeben.
Zur Umsetzung dieser Ziele kommen nach Auffassung der AG zwei unterschiedliche Wege in Betracht:
die Festsetzung von Mindestlöhnen auf Vorschlag der Pflegekommission oder
ein Tarifvertrag, der auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts flächendeckend erstreckt werden kann (Mehrheitsposition).
Die hierfür jeweils erforderlichen gesetzlichen Änderungen werden BMAS und BMG zügig auf den Weg bringen. Außerdem bestand Einigkeit darüber,
dass eine Verbesserung der Entlohnung eine verbesserte Finanzausstattung der Pflegeversicherung erforderlich macht und
eine finanzielle Überlastung der Pflegebedürftigen durch steigende Eigenanteile zu verhindern ist.
Mehr Verantwortung
Pflegefachkräfte sollen mehr Entscheidungsbefugnisse bekommen. Deshalb wurde beschlossen,
den Verantwortungsbereich von Pflegekräften auszuweiten. Dafür werden unter anderem Standards zur Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen (z. B. Ärzten) entwickelt und weitere Verordnungsmöglichkeiten geprüft. Das BMG startet diesen Prozess noch dieses Jahr und
die bestehenden Möglichkeiten, Heilkunde auf Pflegefachkräfte zu übertragen, besser zu nutzen und bestehende Hürden abzubauen.
Mehr Digitales
Die Arbeit von Pflegekräften soll durch Digitalisierung erleichtert werden. Dann bleibt mehr Zeit für Pflege. Deshalb wurden Folgendes beschlossen:
Die Zettelwirtschaft in der Pflege soll endlich abgeschafft werden.
Die Kommunikation zwischen der Pflege und anderen Gesundheitsberufen soll mittelfristig komplett auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt werden (elektronische Pflegeakte, Entlassungsmanagement, Verordnungen). Dazu sollen die Pflegeeinrichtungen an das sichere Datennetz des Gesundheitssystems angeschlossen werden.
Ab dem 01.10.2022 sollen ambulante Pflegedienste Leistungen der Pflegeversicherung nur noch auf elektronischem Weg mit den Kassen abrechnen. Ab dem 01.04.2023 soll dies auch für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege gelten.
Die Telepflege, etwa zur Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, soll weiter entwickelt werden.
In der häuslichen und stationären Pflege sowie in Krankenhäusern sollen technische Systeme zu Kontroll-, Routine- und logistischen Tätigkeiten vermehrt als Unterstützung eingesetzt werden, etwa robotische Systeme zum Transport, zur Lagerung und zur Mobilisierung von Personen, intelligente Pflegewagen sowie Systeme zur Risikovermeidung wie Tür-auf-Sensoren, Aufstehmelder, Sturzerkennung und Orientierungslichter.
Pflegekräfte sollen bei der Einführung digitaler Techniken von Beginn an eingebunden werden, um die Akzeptanz und den alltäglichen Nutzen von digitalen Hilfsmitteln zu fördern.
Der Vereinbarungstext im Wortlaut kann abgerufen werden unter: www.bundesgesundheitsministerium.de/konzertierte-aktion-pflege
Mit der vorgestellten „Konzertierten Aktion Pflege“ haben SPD und Union die Vorgaben des Koalitionsvertrags abgearbeitet. Unklar bleibt, wie das Maßnahmenpaket finanziert werden soll. Eingeräumt wird zwar, dass höhere Löhne die Pflegeversicherung belasten werden. Angesichts der Tatsache, dass die Pflegeversicherung nur bis 2022 ausreichend finanziert ist, muss sich die Politik den Folgen eines nach oben offenen Leistungsversprechens ehrlich stellen.
Zudem möchte man eine „finanzielle Überlastung“ der Pflegebedürftigen verhindern. Dies darf allerdings nicht zulasten der kommunal finanzierten Hilfe zur Pflege erfolgen. Allein ein Einheitstarifvertrag könnte mit Mehrkosten von zwischen 1,4 bis 5,2 Milliarden Euro einhergehen, hat das Berliner IGES-Institut abgeschätzt.
Der DStGB hat sich stets dafür ausgesprochen, dass die Beschäftigten in der Altenpflege angemessen bezahlt sein müssen. Die vom BMAS angestrebte Angleichung der Löhne an die in der Krankenpflege gezahlten Entgelte hat der VKA mit dem TVöD bereits zum 1. Januar 2017 vorgenommen. Auch die Ausbildungsbedingungen wurden mit denen bei der Krankenpflege vereinheitlicht und insgesamt verbessert.
Dies macht deutlich, dass die Kommunen die besonderen Anforderungen im Bereich der Pflege schon frühzeitig wahrgenommen und diesen Anforderungen Rechnung getragen haben. Überlegungen nach Einführung eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags, der von einem noch zu gründenden Arbeitgeberverband abgeschlossen werden soll, an dem insbesondere die nichtkirchlichen Arbeitgeberverbände der freien Wohlfahrtspflege beteiligt sein sollen, sind aus kommunaler Sicht abzulehnen.
Die Schülerzahlen in der Pflege liegen derzeit mit rund 68.000 auf Platz drei der Ausbildungsberufe. Diese um noch einmal zehn Prozent zu steigern wird schwer umsetzbar sein. Begrüßt wird, dass mit elektronischem Verordnungsmanagement Bürokratie abgebaut und so Arbeitskraft für die Pflege freigeschlagen werden soll. (Quelle: DStGB Aktuell 2319 vom 07.06.2019)
Az.: 37.0.6.1-001/005