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StGB NRW-Mitteilung 143/2014 vom 11.02.2014
Konzessionsvergabe und netzbezogene Auswahlkriterien
Das OLG Stuttgart hat die Konzessionsvergabe einer Gemeinde im Bereich Strom und Gas als missbräuchlich eingestuft, da sie im Rahmen des Auswahlverfahrens die den Zielvorgaben des § 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) entsprechenden „netzbezogenen“ Auswahlkriterien nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Ziele des § 1 EnWG müssten bei der Auswahlentscheidung der Gemeinde nicht nur vorrangig, sondern sogar ausschließlich oder jedenfalls deutlich vorrangig berücksichtigt werden. Das OLG ordnete eine vollständige Wiederholung der Auswahlkriterien an. Aus kommunaler Sicht werden die Rechtsunsicherheiten bei der Konzessionsvergabe durch die bestehende Rechtsprechung noch verstärkt und die kommunalen Gestaltungsspielräume erheblich eingeschränkt.
Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gemeinde hatte im Dezember 2010 das Auslaufen der Strom- und Gaskonzessionsverträge zum Ende des Jahres 2012 veröffentlicht. Der Gemeinderat hatte zuvor die Entscheidung getroffen, das Stromnetz zurückzukaufen, um es dann an einen Betreiber weiter zu verpachten. Der Rat hatte einen zwölf Kriterien umfassenden Kriterienkatalog mit bestimmter Gewichtung erstellt und beschlossen, zusammen mit einem interessierten Energieversorger eine gemeinsame Netzgesellschaft für Strom und Gas zu gründen. Nach Beginn des Verfahrens und nach Ablauf der Interessensbekundungsfrist hatten sich auch die eigenen Stadtwerke der Gemeinde für die Konzessionen beworben und schließlich den Zuschlag bekommen. Die Landeskartellbehörde erließ nach einer Beschwerde einer Mitbewerberin im Konzessionsverfahren die hier streitgegenständliche kartellrechtliche Missbrauchsverfügung gegen die Gemeinde, u. a. wegen der Aufstellung und Gewichtung der Auswahlkriterien in dem zugrunde gelegenen Katalog.
Begründung
Das OLG Stuttgart bestätigt in seinem Beschluss vom 7. November 2013, Az. 201 Kart 1/13, die Auffassung der Landeskartellbehörde, dass die Gemeinde bei der Konzessionsvergabe ihre marktbeherrschende Stellung i.S.v. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB missbraucht habe. Das Auswahlverfahren der Gemeinde verstoße gegen das Gebot der Diskriminierungsfreiheit, das Behinderungsverbot sowie gegen das Gebot zur Transparenz und Gleichbehandlung. Die Gemeinde habe bei der Auswahl der Konzessionsnehmer Strom und Gas die den Zielvorgaben des § 1 EnWG entsprechenden Auswahlkriterien in nicht ausreichendem Maße zugrunde gelegt.
Es genüge nicht, dass die Gemeinde bei ihrer Auswahlentscheidung die Ziele des § 1 EnWG lediglich mitberücksichtige. Vielmehr bedürfe es einer ausschließlichen oder jedenfalls gegenüber anderen gemeindlichen Zielen deutlich vorrangigen Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG, und eine Kommune könne im Rahmen des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG daneben allenfalls in ausgesprochen eingeschränktem Maße weitere Kriterien berücksichtigen. Eine vorrangige Berücksichtigung sei hier nicht gegeben, da für diejenigen sechs Kriterien, die nach der Ansicht der Gemeinde einen Bezug zu § 1 EnWG aufwiesen, nach ihren Vorgaben maximal 380 von insgesamt bis zu 840 Punkten vergeben werden konnten.
Zudem seien die Konzessionen an die Stadtwerke der Gemeinde und damit an einen Bewerber vergeben worden, der beim Kriterium Netzentgelte null Punkte erhalten habe. Auch nach dem eigenen Vortrag der Gemeinde verfügten ihre Stadtwerke weder über Fachpersonal noch über Erfahrung im Strom- bzw. Gasnetzbetrieb. Der chronologische Ablauf der Konzessionsvergabeverfahren Strom und Gas belege, dass die Gemeinde von vornherein nicht zwei voneinander unabhängige und vollständig getrennte Verfahren der eigentlichen Konzessionsvergabe und der Suche nach einem Kooperationspartner durchgeführt habe. Vielmehr sei die Grenze zwischen diesen beiden Verfahren verwischt worden, was wiederum belege, dass ein transparentes und diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren nicht durchgeführt worden sei. Das OLG Stuttgart hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Stuttgart fügt sich in die Reihe aktueller Entscheidungen, die sich mit den Anforderungen an das Auswahlverfahren im Rahmen der gemeindlichen Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG auseinander setzen (StGB NRW-Mitteilung 635/2013 vom 23.09.2013). Diese sehen nur noch wenig Spielraum der Gemeinde bei der Festlegung der Auswahlkriterien und der Bewertung der Angebote vor. Das der Gemeinde im Rahmen der Konzessionsvergabe zustehende und verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltungsrechts wird dadurch erheblich eingeschränkt.
Mit der Frage nach den Anforderungen an das gemeindliche Auswahlverfahren befasste sich erst kürzlich der Bundesgerichtshof, dem zwei Fälle des OLG Schleswig zugrunde liegen. Die schriftliche Begründung des Gerichts steht jedoch nach wie vor aus. Eine ausführliche Darstellung und Bewertung findet sich in der StGB NRW-Mitteilung 21/2014 vom 14.01.2014.
Az.: II/3 818-00