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StGB NRW-Mitteilung 477/2000 vom 05.09.2000
Kosten für Integrationshelfer beim gemeinsamen Unterricht
Am 15.06.2000 erging ein Urteil des OVG Münster Az. 16 A 3108/99 zu der Frage, ob das Sozialamt einem behinderten Kind die Kostenübernahme für einen Integrationshelfer mit der Begründung verweigern kann, der Schulträger sei hierfür vorrangig in Anspruch zu nehmen.
Das Gericht hat entschieden, daß das Sozialamt die Gewährung der Eingliederungshilfe für das behinderte Kind nicht wegen des Nachranggrundsatzes in § 2 Abs. 1 BSHG verweigern könne. Allerdings hat es offengelassen, ob dem Kind überhaupt ein Anspruch gegen den Schulträger zusteht. Darauf komme es nicht an, da der Nachranggrundsatz dem Hilfesuchenden ohnehin nur dann entgegengehalten werden könne, wenn ihm für den fraglichen Zeitraum tatsächlich Mittel zu Verfügung stünden, die eine rechtzeitige Bedarfsdeckung ermöglichten. Da höchstrichterlich ungeklärt und zweifelhaft sei, ob ein Schulträger verpflichtet ist, die Kosten eines Integrationshelfers zu übernehmen, sei es für das betroffene Kind unsicher gewesen, ob es rechtzeitig eine Leistung des Schulträgers hätte erlangen können. Die rechtzeitige Bedarfsdeckung durch einen Dritten sei daher nicht gewährleistet gewesen. Unabhängig davon, ob ein Anspruch gegen den Schulträger bestanden hätte, habe sich das Sozialamt schon aus diesem Grunde nicht auf den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 BSHG berufen können.
Auch wenn das OVG nicht abschließend klären mußte, ob der Schulträger verpflichtet ist, die Kosten für den Integrationshelfer zu tragen, hat es sich z.T. kritisch mit den Passagen des seiner Entscheidung zugrundeliegenden erstinstanzlichen Urteils des VG Arnsberg (Urteil v. 19.5.1999; Az 9 K 2297/98 ) befaßt, in denen das VG Arnsberg die Kostentragungspflicht des Schulträgers begründete.
So hat das VG Arnsberg die Verpflichtung des Schulträgers u.a. auf § 7 Abs. 2 S. 1 SchpflG gestützt. Stimme der Schulträger der integrativen Beschulung eines behinderten Kindes zu, beinhalte dies zugleich die Zusage, daß die personellen und sächlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Daher sei es Aufgabe des Schulträgers, das Betreuungspersonal bereitzustellen und die hierdurch entstehenden Kosten in Anlehnung an die gesetzliche Regelung in § 3 Abs. 2 SchFG zu tragen. Auch der Zustimmungsvorbehalt des Schulträgers, die Kosten für den Integrationshelfer nicht tragen zu wollen, ändere hieran nichts. Dieser Vorbehalt sei allein im Rahmen des behördenübergreifenden Zustimmungsverfahrens geäußert worden. Er habe auch keinen Eingang in den Bescheid der Schulaufsicht über die integrative Beschulung des betroffenen Kindes in einer Grundschule gefunden. Der Kostenvorbehalt könne dem Kind gegenüber daher nicht geltend gemacht werden. Das OVG ist hier anderer Ansicht. Aufgrund der eindeutigen Erklärung des Schulträgers scheide ein Anspruch auf Kostenübernahme trotz der Zustimmung nach § 7 Abs. 2 S. 1 SchFG aus.
Das VG Arnsberg hat weiter ausgeführt, daß der Integrationshelfer den in § 3 Abs. 2 SchFG aufgelisteten Bediensteten zuzurechnen sei und daher der Schulträger für dessen Kosten aufzukommen habe. Der Integrationshelfer übe zur Erfüllung der Schulpflicht behinderter Kinder Tätigkeiten aus, zu deren Gewährleistung, nämlich der Erfüllung der personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung, sich der Schulträger im Rahmen der erteilten Zustimmung nach § 7 Abs. 2 S. 1 SchpflG bereit gefunden habe. Der Integrationshelfer werde daher für den Schulträger tätig. Zwar verneint auch das VG Arnsberg einen direkten Anspruch des behinderten Kindes aus § 3 Abs. 2 SchFG gegen den Schulträger, da diese Vorschrift als Organisationsvorschrift kein subjektiv-öffentliches Recht gewähre. Bei einer Verpflichtung des Schulträgers aus § 3 Abs. 2 SchFG stünde dies jedoch einem Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Schulträger nicht entgegen.
Das OVG stellt hingegen auf die fehlende Beauftragung des Integrationshelfers durch den Schulträger ab und merkt daher an, daß dieser kaum als "anderer Bediensteter" an der Grundschule angesehen werden könne. Allenfalls könne sich insoweit ein öffentlich-rechtlicher Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ergeben. Voraussetzung hierfür sei aber, daß es sich bei den Kosten des Integrationshelfers um Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 SchFG handele. Gerade dies wird wiederum offengelassen. Diese Frage ist jedoch der eigentliche Streitpunkt zwischen den Verwaltungsgerichten. Während das VG Arnsberg im o.g. Urteil der Ansicht ist, es handele sich um Schulkosten, hat das VG Minden dies in mehreren Urteilen verneint (z.B. Urteil v. 18.03.1998, Az.: - 3 K 5422/97 -, wir berichteten hierüber in Mitteilung Nr. 262 v. 20. 5.1998; gleicher Ansicht ist wohl auch das Ministerium für Schule und Weiterbildung, s. unsere Mitteilung Nr. 168 v. 05.04.1998).
Das OVG läßt schließlich auch offen, ob die genannten Vorschriften möglicherweise im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG anderweitig verfassungskonform auszulegen sind oder sich hieraus gar ein originärer Leistungsanspruch des Kindes gegen den Schulträger ergibt.
Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zum Anspruch eines behinderten Kindes auf integrative Beschulung (Beschluß v. 08.10.1997, Az.: - 1 BvR 9/97 -, wir berichteten in der Mitteilung Nr. 563 vom 20.11.1997) ist nach unserer Ansicht weder ein Anspruch des Kindes noch eine Rückgriffsmöglichkeit des in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers möglich. Denn das BVerfG hat ausgeführt, daß es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei, wenn die integrative Beschulung unter dem Vorbehalt des personell und sächlich Möglichen gestellt sei. Vor diesem Hintergrund muß unserer Ansicht nach § 7 Abs. 2 S. 1 SchpflG nicht verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, daß einem behinderten Kind eine integrative Beschulung unter Kostenübernahme zu ermöglichen sei. Wenn der Schulträger unter dem Vorbehalt, die Kosten für den Integrationshelfer nicht tragen zu wollen, der integrativen Beschulung zustimmt, so steht dem Kind auch unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG kein Anspruch auf Kostenübernahme zu.
Letztlich bleibt die Frage nach der Verpflichtung des Schulträgers zur Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers weiterhin ungeklärt. Ein eindeutiges Urteil des OVG Münster wird es wohl erst dann geben, wenn dort in einem Kostenerstattungsverfahren eines Sozialhilfeträgers gegen einen Schulträger zu entscheiden ist.
(Die Entscheidung kann im Volltext im Intranet abgerufen werden.)
Az.: IV/2 211-38/3