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StGB NRW-Mitteilung 539/1996 vom 20.11.1996
Kostenträgerschaft für die Betreuung von behinderten Kindern in Regelschulen
Der neugefaßte § 7 Schulpflichtgesetz sieht vor, daß schulpflichtige Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf ihre Schulpflicht unter bestimmten Voraussetzungen durch den Besuch einer allgemeinen Schule erfüllen können. Mit der Einrichtung sogenannter Integrationsklassen ist für den Schulträger zumeist ein erheblicher finanzieller Aufwand verbunden. Neben evtl. erforderlichen baulichen Veränderungen und den individuellen Lern- und Unterrichtsmitteln ist im wesentlichen an die Bereiche Schülerbeförderung und Einsatz von Zivildienstleistenden für die Betreuung zu denken. Anzeichen für eine Kostenbeteiligung des Landes - beispielsweise durch Änderung des Schulfinanzgesetzes - gibt es nicht.
Vor dem Hintergrund zahlreicher Anfragen betroffener Kommunen zur Kostenträgerschaft für die Betreuung von behinderten Kindern in Regelschulen faßt die Geschäftsstelle nachfolgend den derzeitigen Diskussions- und Erkenntnisstand zu den umstrittenen Punkten "Fahrkosten" und "individuelle Betreuung" zusammen:
1. Schülerfahrkosten:
Nach § 2 SchFG werden die Sachausgaben der öffentlichen Schulen vom Schulträger getragen. Zu den Sachausgaben zählen gem. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 7 SchFG auch die Kosten, die für die wirtschaftlichste Beförderung von Schülern zur Schule und zurück notwendigerweise entstehen. Hieraus folgt zunächst, daß die Stadt als Schulträger die Kosten für die Schülerbeförderung zu tragen hat, auch wenn aufgrund der Behinderung des betroffenen Schülers die Art der Beförderung höhere Kosten erfordert. Hinsichtlich der Kosten für eine Schulwegbegleitung, beispielsweise durch einen Zivildienstleistenden, ist davon auszugehen, daß der Begriff der Schülerfahrkosten in § 7 Abs. 1 SchFG durch die Schülerfahrkostenverordnung in zulässiger Weise konkretisiert wird. Nach § 11 der Schülerfahrkostenverordnung gehören die Fahrkosten für eine Begleitperson zu den notwendigen Schülerfahrkosten, wenn die Notwendigkeit der Begleitung des behinderten Schülers nach § 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 Schülerfahrkostenverordnung nachgewiesen ist.
2. Nichtpädagogische Unterrichtsbetreuung
Problematisch stellt sich die Frage der Kostentragung für die nichtpädagogische Unterrichtsbetreuung dar. Nach § 3 Abs. 1 SchFG trägt das Land die Personalausgaben für Lehrer; die Personalausgaben für die nicht als Lehrer im Schuldienst tätigen Beamten und anderen Bediensteten an den Schulen trägt der Schulträger.
Sofern die nichtpädagogische Unterrichtsbetreuung erforderlich ist, um den Unterricht innerhalb der Schule geregelt durchführen zu können, könnte § 3 Abs. 1 SchFG dahingehend verstanden werden, daß diese Kosten vom Schulträger zu tragen sind. Diese Auffassung vertritt auch die Landesregierung, wie aus der Beantwortung der Kleinen Anfrage 309 vom 23.04.1996 (Drs. 12/928; dort zu Frage 4) hervorgeht.
Fraglich bleibt, ob hiervon auch besondere Begleitpersonen erfaßt werden, deren Betreuungsbegleitung deshalb notwendig ist, um den behinderten Kindern eine Teilnahme am Schulunterricht überhaupt zu ermöglichen. Nach den der Geschäftsstelle vorliegenden Informationen vertreten einige Sozialhilfeträger die Auffassung, daß die nichtpädagogische Unterrichtsbetreuung/-begleitung allein durch den Schulträger zu finanzieren ist. Dies wird wie folgt begründet:
§ 7 Schulpflichtgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung in Schulen schreibe vor, daß der Schulträger dann, wenn eine integrative Beschulung durchgeführt werden soll, hierzu seine Zustimmung erteilen muß. Dies dürfe er nur dann tun, wenn die personellen und sächlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Insofern müsse man in Anlehnung an Ziff. 1.1 Abs. 4 des Einführungserlasses zu der Schlußfolgerung kommen, daß auch die Bereitstellung von zwingend notwendigem nichtpädagogischen Betreuungspersonal einschließlich Übernahme der hierfür anfallenden Kosten nach Zustimmung vorrangig Aufgabe des zuständigen Schulträgers sei. Die Sozialhilfe komme aufgrund des Nachranggrundsatzes nicht zum Tragen.
Diese Auffassung wird scheinbar auch von der Landesregierung geteilt. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales haben anläßlich einer Besprechung mit den kommunalen Spitzenverbänden am 1. Oktober 1996 die Auffassung bekräftigt, daß die Eingliederungshilfe nach dem BSHG nur nachrangig gewährt werde und eine vorrangige Verpflichtung des Schulträgers bestehe, die Kosten des Besuchs behinderter Kinder in Regelschulen sicherzustellen.
Nach Auffassung der Geschäftsstelle läßt sich dem entgegenhalten, daß der Anwendungsbereich des Schulfinanzgesetzes über seinen ursprünglichen Sinn und Zweck hinaus auf Bereiche ausgedehnt wird, die für den Gesetzgeber überhaupt nicht absehbar waren. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht Aufgabe des Schulträgers, sondern die des örtlichen Sozialhilfeträgers, die entsprechenden Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 39, 40 BSHG i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-VO zu übernehmen. Dieser Gedanke liegt auch in einem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 5.11.1992 (2 K 233/90) zugrunde.
Das in § 7 Schulpflichtgesetz vorgesehene Zustimmungserfordernis räumt dem Schulträger konkret so wenig Steuerungsmöglichkeiten ein, daß allein mit Hinweis hierauf u.E. keine Kostentragungspflichten begründet werden können. Im übrigen würden die Vorschriften der §§ 39, 40 BSHG i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-VO weitgehend leerlaufen.
Die Geschäftsstelle hat unter Hinweis auf das vorzitierte Urteil des VG Gelsenkirchen nochmals das Ministerium für Schule und Weiterbildung angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Über die Antwort werden wir an dieser Stelle berichten. Sofern einzelnen Mitgliedsstädten und -gemeinden weitere Entscheidungen nordrhein-westfälischer Gerichte zur Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe nach dem BSHG einerseits und Kostentragungspflicht nach dem Schulfinanzgesetz andererseits vorliegen, bitten wir um Mitteilung.
Az.: II/1 211-38/3