Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 590/2002 vom 05.10.2002

Kredite kommunaler Sparkassen

Eine Maßnahme muß dem Staat zurechenbar sein, damit sie als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV qualifiziert werden kann. Diese Zurechenbarkeit kann aber, so der EuGH in einer neuen Entscheidung, nicht allein daraus abgeleitet werden, daß die Maßnahme von einem öffentlichen Unternehmen getroffen wurde. Damit können auch Kredite kommunaler Sparkassen nicht schon deshalb als staatliche Maßnahmen angesehen werden, weil das jeweilige Kreditinstitut in einer kommunalen Trägerschaft steht. Nach Auffassung des EuGH muß die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens aus einem Komplex von Indizien abgeleitet werden, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist.

Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Mai 2002 (Rechtssache C-482/99, Französische Republik ./. Kommission der Europäischen Gemeinschaft; abrufbar unter www.curia.eu.int) hervor.

Art. 87 Abs. 1 EGV erklärt staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, für mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigen (generelles Beihilfenverbot). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist dabei nicht danach zu unterscheiden, ob die Beihilfe unmittelbar vom Staat oder von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder beauftragt wurden, gewährt wird. Damit jedoch Vergünstigungen als Beihilfen i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EGV eingestuft werden können, müssen sie zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein.

Eine solche Zurechenbarkeit kann aber nicht allein daraus abgeleitet werden, daß die Maßnahme von einem öffentlichen Unternehmen getroffen wurde. Der EuGH vertritt in seiner Entscheidung die Auffassung, daß, auch wenn der Staat in der Lage ist, ein öffentliches Unternehmen zu kontrollieren und einen beherrschenden Einfluß auf dessen Tätigkeiten auszuüben, nicht ohne weiteres vermutet werden kann, daß diese Kontrolle in einem konkreten Fall tatsächlich ausgeübt wird. Ein öffentliches Unternehmen kann je nach dem Maß an Selbständigkeit, das ihm der Staat beläßt, mehr oder weniger unabhängig handeln. Die bloße Tatsache, daß ein öffentliches Unternehmen unter staatlicher Kontrolle steht, genügt daher nicht, um Maßnahmen dieses Unternehmens dem Staat zuzurechnen. Es muß außerdem geprüft werden, ob davon auszugehen ist, daß die Behörden in irgendeiner Weise am Erlaß dieser Maßnahmen beteiligt waren. Ein solcher Nachweis muß jedoch nicht auf der Grundlage einer genauen staatlichen Anweisung erfolgen, auf Grund derer das öffentliche Unternehmen konkret veranlaßt wurde, die fragliche Beihilfemaßnahme zu treffen. Die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme kann vielmehr aus einem Komplex von Indizien abgeleitet werden, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist.

Als Indizien nennt der EuGH:

- das öffentliche Unternehmen konnte die beanstandete Entscheidung nicht treffen, ohne den Anforderungen der öffentlichen Stellen Rechnung zu tragen;

- das öffentliche Unternehmen hatte bei seinen Entscheidungen über die Maßnahme Richtlinien der öffentlichen Stellen zu beachten;

- Eingliederung des Unternehmens in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung;

- die Art der Tätigkeit des öffentlichen Unternehmens und deren Ausübung auf dem Markt unter normalen Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Wirtschaftsteilnehmern;

- der Rechtsstatus des Unternehmens (öffentlich-rechtlich oder privat-rechtlich);

- die Intensität der behördlichen Aufsicht über die Unternehmensführung, sowie

- jedes andere Indiz, das im konkreten Fall auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung an einer Maßnahme hinweist, wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind.

Mögliche Auswirkungen der Entscheidung

Die Europäische Kommission hat bereits in mehreren Fällen Kredite kommunaler Sparkassen in Deutschland als staatliche Beihilfen i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EGV eingestuft (siehe z. B. Beihilfeverfahren Nr. C-67/2001, ABlEG 2001, Nr. C 335-2, Rd-Nr. 25). Dies dürfte zukünftig hinsichtlich der Zurechenbarkeit der Kreditvergabe als staatliche Maßnahme zumindest nicht mehr lediglich mit dem Hinweis auf die kommunale Trägerschaft der Sparkasse möglich sein. Die Kommission wird auf Grund der vorliegenden Entscheidung des EuGH vielmehr dazu verpflichtet sein, anhand der aufgezeigten Indizien jeweils eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Nach einer ersten Einschätzung dürfte von den konkret genannten Indizien lediglich die öffentlich-rechtliche Rechtsform der Sparkassen gegeben sein. Zu prüfen dürfte außerdem sein, inwieweit Entscheidungen der durch Vertreter der Trägerkommunen besetzten Gremien der Sparkasse als eine Pflicht zur Beachtung staatlicher Weisungen interpretiert werden können. Hinsichtlich weiterer, durch den EuGH nicht konkret benannter Indizien für einen staatlichen Einfluß ist in jedem Einzelfall der Kreditvergabe durch eine kommunale Sparkasse möglichst darzulegen, daß die Vergabe unabhängig von kommunalem Einfluß war oder dieser jedenfalls nicht maßgeblich für die Entscheidung war.

[Quelle: DStGB Aktuell 3102 v. 02.08.2002]

Az.: IV/1 970-08

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search