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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 602/1997 vom 05.12.1997
Küchenabfallzerkleinerer
In den letzten Wochen haben sich einzelne Mitgliedsstädte und -gemeinden mit der Frage der Zulässigkeit von sogenannten Küchenabfallzerkleinerern auseinandergesetzt. Wir weisen deshalb darauf hin, daß solche Geräte, mit denen aus Gründen der Bequemlichkeit Küchenabfälle in die gemeindlichen Entwässerungsanlagen eingebracht werden, sowohl mit den technischen als auch mit den rechtlichen Vorgaben der öffentlichen Entwässerungseinrichtungen unvereinbar sind. Hinsichtlich der Begrenzung des Benutzungsrechts verweisen wir insbesondere auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 unseres Musters einer Entwässerungsatzung, Mitteilungen NWStGB 1995, 317, 318.
Die Hersteller solcher Geräte haben bei der EU-Kommission ein Beschwerdeverfahren wegen Behinderung des Warenverkehrs innerhalb der EU eingeleitet. In diesem Verfahren hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegenüber der EU-Kommission mit Schreiben vom 14.07.1997 Stellung genommen. Nachfolgend veröffentlichen wir Auszüge aus dieser Stellungnahme:
"Bio-Abfallzerkleinerer, die die zerkleinerten Abfälle über den Abwasserpfad entsorgen, können in Deutschland aus wasserrechtlichen, abfallrechtlichen sowie fachtechnischen Gründen nicht zur Anwendung kommen. (.....)
Nach § 1a des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sind Gewässer so zu bewirtschaften, daß jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibt. Mit dem Eintrag von zerkleinertem Bioabfall erhöhen sich die Zulauffrachten von kommunalen Kläranlagen wesentlich. Auf diese Zusatzfrachten sind sie wegen fehlender Reserven nicht ausgelegt. Eine Vergrößerung nur wegen der Entsorgung von Bioabfällen ist wirtschaftlich nicht vertretbar und liefe dem aktuellen Bestreben aller Beteiligten zuwider, Abwasserbeseitigung unter Beibehaltung der Standards kostengünstig und wirtschaftlich zu realisieren. Bio-Abfallzerkleinerer verursachen erhöhte Ablauffrachten und belasten dadurch die Gewässer zusätzlich. Zudem können sie zu Ablagerungen im Kanal führen. Keinesfalls tragen sie zu einer Rohrreinigung bei, wie oftmals behauptet wird. Im Regenwetterfall kommt es im Mischsystem, mit dem in Deutschland ca. die Hälfte der Kanalnetze ausgestattet ist, zu einem erhöhten Austrag von Schmutzfrachten über die Entlastungsanlagen.
Es ist auch wasserwirtschaftlich fragwürdig, feste Abfälle mit entsprechendem Aufwand an Energie und Wasser ins Abwassersystem einzuleiten, um sie anschließend mit erhöhtem Aufwand in der Kläranlage zu trennen und über die Klärschlammverwertung ggf. in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen.
Aus den vorgenannten wasserrechtlichen und fachlichen Gründen können Bio-Abfallzerkleinerer nach den landesrechtlichen Regelungen und kommunalen Abwassersatzungen nicht eingesetzt werden.
Aus abfallrechtlicher Sicht ist anzumerken, daß Bio-Abfallzerkleinerer dem geltenden Abfallrecht widersprechen.
Abfälle, die nicht vermieden werden können, sind gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) zu verwerten. Die Verwertung hat Vorrang vor der Beseitigung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 KrW-/AbfG). Dabei ist eine der Art und Beschaffenheit des Abfalls entsprechende hochwertige Verwertung anzustreben (§ 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG). Dem wird gerade nicht entsprochen, wenn Bioabfälle mit sog. Küchenabfall-Spülshreddern zerkleinert und über das Abwasser "entsorgt" werden.
Dies gilt auch unter dem Aspekt, daß der Klärschlamm aus der Kläranlage (möglicherweise) verwertet wird. Hierbei würde es sich um eine spätere, also indirekte Verwertung des Bioabfalls handeln. Aufgrund der Vermischung des zerkleinerten Bioabfalls mit anderen Stoffen im Abwasser und in der Kläranlage kann dabei nicht von einer möglichst hochwertigen Verwertung gesprochen werden.
Für die Entsorgung von Siedlungsabfällen sind am 01.06.1993 die bundeseinheitlichen Regelungen der Technischen Anleitung (TA) Siedlungsabfall in Kraft getreten. In Konkretisierung des abfallgesetzlichen Gebots der Verwertung vor der sonstigen umweltverträglichen Beseitigung enthält die TA Siedlungsabfall u.a. Vorgaben für die Erfassung und Verwertung der Bioabfälle, wozu auch organische Küchenabfälle zählen. Danach sind Bioabfälle getrennt zu erfassen und einer Verwertung durch Kompostierung (aerobe Behandlung) oder Vergärung (anaerobe Behandlung) zuzuführen (vgl. insbesondere Nr. 5.1, Nr. 5.2.1.2, Nr. 5.4.1 und Nr. 5.4.2 TA Siedlungsabfall).
Eine "Entsorgung" von Küchenabfällen mit vorheriger Zermahlung über das häusliche Abwasser steht zu diesen Anforderung in Widerspruch.
Schließlich stehen einer solchen "Entsorgung" von Bioabfällen die Überlassungspflichten gem. § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG entgegen. Danach sind Abfälle aus privaten Haushalten den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, soweit Erzeuger oder Besitzer zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen.
Das Verbot von Bio-Abfallzerkleinerern in der Bundesrepublik Deutschland beruht damit auf zwingenden Erfordernissen des Gewässerschutzes und der Abfallwirtschaft, so daß die immanente Schranke des Art. 30 EG-Vertrag einschlägig ist. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des EG-Vertrages ist auch deshalb nicht gegeben, weil das Verbot unterschiedslos für einheimische und für aus anderen Mitgliedsstaaten verbrachte Geräte gilt, also keine Diskriminierung stattfindet. Aus EG-rechtlichen Gründen kann das Verbot des Vertriebs von Bio-Abfallzerkleinerern in Deutschland also nicht beanstandet werden."
Az.: IV/1 24-16 de/sb