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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 493/2014 vom 21.08.2014
Landgericht Bielefeld zur Rüge von Verstößen gegen Vergaberecht
Das Landgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 27.02.2014 (1 O 23/14) folgende Entscheidung gefällt:
- Schreibt ein öffentlicher Auftraggeber den Beschaffungsbedarf förmlich aus, begründet er damit ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit den entsprechenden wechselseitigen Rechtspflichten.
- Für den Bieter resultiert daraus die Verpflichtung, erkannte vergaberechtliche Verstöße rechtzeitig zu rügen.
Der öffentliche Auftraggeber schreibt die Lieferung von zwei Notarzteinsatzfahrzeugen aus. Mit Hinweis darauf, dass die Referenzanforderungen angepasst werden müssten, wurde die erste Ausschreibung aufgehoben und später wiederholt. Die Antragstellerin (ASt) beteiligte sich an beiden Ausschreibungen, zuletzt mit einem aussichtsreichen Angebot. Bei der Überprüfung desselben kam es zu teilweise erheblichen Unstimmigkeiten zwischen den Referenzangaben einerseits und den dazu eingeholten Auskünften der Referenzgeber andererseits.
Unter Hinweis darauf, dass die Referenzliste nicht den Anforderungen entspreche, wurde der Angebotsausschluss nach § 16 Abs. 3a VOL/A angedroht. Dagegen wendet sich die ASt mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und dem Ziel, dem Auftraggeber einstweilen untersagen zu lassen, einem Mitbewerber den Zuschlag zu erteilen. Sie macht geltend, dass die Referenzanforderungen rechtswidrig seien. Diese enthielten quantitative Vorbedingungen für die Bewerberauswahl, die durch den Gegenstand des Auftrags nicht mehr zu rechtfertigen seien.
Entscheidung
Die zunächst erlassene Beschlussverfügung hebt das Landgericht im Rechtfertigungsverfahren auf und weist den Antrag zurück. Es schließt sich der mittlerweile ganz herrschenden Auffassung dahingehend an, dass in Vergabeverfahren unterhalb der EU-Auftragsschwellenwerte gerichtlicher Primärrechtsschutz durch einstweilige Verfügung, gerichtet auf (einstweilige) Unterlassung einer Auftragsvergabe, gewährt würde, verneint aber vorliegend die tatsächlichen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB. Die Wertung der Angebote, vor allem desjenigen der ASt, sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Allerdings liege auch kein Verfügungsgrund vor, denn die ASt habe es versäumt, den erstmals behaupteten Vergabeverstoß unzulässiger, weil überdimensionierter Referenzen unverzüglich zu rügen (wie LG Wiesbaden, IBR 2012, 723 und LG Berlin, IBR 2012, 98). Die Pflicht zur rechtzeitigen Rüge etwaiger Vergaberechtsverstöße resultiere entweder aus § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB analog oder aus § 241 Abs. 2, § 242 BGB.
Praxishinweis
Eine weitere Entscheidung des Inhalts, dass das vorvertragliche „Ausschreibungsschuldverhältnis" wechselseitige Rücksichtnahmepflichten begründet und nicht nur auftraggeberseitige (BGH, IBR 2011, 534). Damit ist es nicht vereinbar, wenn der Bieter auf erkannte oder ohne weiteres erkennbare Vergaberechtsfehler zunächst spekuliert, um diese gegebenenfalls später dem Auftraggeber vorzuhalten. Die Verletzung der Rügepflicht betrifft richtigerweise bereits den Verfügungsanspruch, so dass für Bieter dringend anzuraten ist, Vergabeverstöße auch in „unterschwelligen" Verfahren umgehend zu rügen.
Az.: II/1 608-00