Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 513/1999 vom 05.08.1999
Leitbild für das innerörtliche Straßennetz
Als Reaktion auf die Festlegung der kommunalen Position zu Tempo-30-Zonen durch das Präsidium des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes am 26. Mai 1999 (vgl. Mitt. NWStGB vom 20.06.1999, lfd. Nr. 401) hat das Umweltbundesamt ausführlich zum Thema innerörtliche Geschwindigkeitsplanung Stellung genommen. Danach befürwortet das Umweltbundesamt die Verbandsposition, daß den Städten und Gemeinden durch bundesrechtliche Neuregelungen des Anwohnerparkens und der Regelungen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts der größtmögliche Spielraum zum besseren Schutz der Verkehrsteilnehmer sowie zur Wohnumfeldverbesserung und städtebaulichen Entwicklung eingeräumt werden soll. Auch das Umweltbundesamt ist der Auffassung, daß bundeseinheitliche Standards und Vorgaben in den Fällen, wo sie im Hinblick auf verschiedenartige örtliche Situationen einer Verbesserung der Verkehrssicherheit und Umweltsituation im Wege stehen, nicht vorgesehen werden sollten.
Das Umweltbundesamt hat aber auch seine Auffassung verdeutlicht, daß es durchaus Problembereiche gebe, wo nur durch verbindliche einheitliche Regelungen die bestehenden Probleme in einer vertretbaren Zeit und zu tragbaren Kosten gelöst werden können. Speziell zu Tempo-30-Regelungen innerorts hat das Umweltbundesamt seine Ansicht u.a. wie folgt festgehalten:
"Im Hinblick auf die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Fahrradfahrer, die für ein umweltschonendes Verkehrssystem unverzichtbar sind, halten wir es für dringend geboten, das allgemeine Geschwindigkeitsniveau innerorts zu senken. Dabei muß im Hinblick auf die Rechtssicherheit für Kraftfahrer klargestellt werden, daß die Kraftfahrer im Zweifelsfall, d.h. wenn auf einem Straßenabschnitt nicht eindeutig erkennbar ist, welche Geschwindigkeitsbegrenzung gerade gilt, 30 km/h innerorts nicht überschreiten sollen.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß es im Hinblick auf Verkehrssicherheit, Umweltschutz und Kosten die optimale Lösung ist, das innerörtliche Geschwindigkeitsniveau abseits von Vorfahrtstraßen generell auf 30 km/h zu senken.
Auf Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) halten wir eine Geschwindigkeit von 50 km/h innerorts in der Regel für vertretbar, sofern nicht in der konkreten Situation vor Ort die Verkehrssicherheit oder der Schutz der Anwohner vor Lärm und Abgasen dagegen sprechen (Vorrangstraßen-Modell).
Unabhängig davon, ob die StVO in diesem Sinne grundlegend geändert wird oder nicht, halten wir es in jedem Fall für eine vordringliche Planungsaufgabe der Gemeinden, ein Leitbild für das innerörtliche Straßennetz zu entwickeln und die Funktion der jeweiligen Straßen für Verkehr und sonstige Nutzungen sowie das jeweils angestrebte Geschwindigkeitsniveau darzustellen.
Insbesondere der Verlauf bzw. die Abgrenzung von
- Vorfahrtstraßen (i.d.R. mit 50 km/h),
- Verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen (i.d.R. mit 20 km/h),
- Verkehrsberuhigten Zonen oder Fahrradstraßen (i.d.R. mit Schrittgeschwindigkeit oder bis 20 km/h),
- Einzelnen Straßenabschnitten, die Besonderheiten aufweisen, z.B. Gefahrenstellen oder Straßen mit ÖPNV-Linien (Geschwindigkeitsbeschränkung und Vorfahrtregelung mit Rakete je nach Situation),
- Sowie das übrige innerörtliche Nebennetz mit Rechts-vor Links-Regelung und - falls keine grundlegende Änderung der StVO erfolgt - mit Tempo 30-Zonen bzw. mit der neuen Regelgeschwindigkeit 30 km/h
Ist aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse durch kommunale Planung zu identifizieren und festzulegen. Diese "innerörtliche Geschwindigkeitsplanung" ist nach unserer Auffassung ein überaus wichtiges Handlungsfeld in der Verantwortung der Kommunen.
Das heißt natürlich auch, daß die Kommunen dann, wenn sie ausnahmsweise in bestimmten Straßen höhere Geschwindigkeiten als die jeweilige Regelgeschwindigkeit zulassen wollen - unabhängig davon, ob die Regelgeschwindigkeit 30 km/h oder 50 km/h beträgt - in jedem Fall sorgfältig abwägen und begründen müssen, ob die Verkehrsbedeutung der Straße und die Belange motorisierten Verkehrs die erhöhte Trennwirkung und Verkehrsgefährdung v.a. für Fußgänger und Radfahrer sowie ggf. erhöhte Umweltbelastungen (z.B. Lärmimmissionen) wirklich rechtfertigen.
Wir sind uns darüber im klaren, daß es im Hinblick auf Umweltschutz und Verkehrssicherheit schwieriger ist, eine Geschwindigkeitserhöhung zu begründen, als eine Reduzierung der Geschwindigkeit. Wir sind aber auch der Meinung, daß nach der geltenden Rechtslage in vielen innerörtlichen Straßenzügen hohe Geschwindigkeiten zugelassen werden, ohne daß vorher geprüft wurde, ob die hierdurch erzeugten Verkehrsgefährdungen und Umweltbelastungen überhaupt vertretbar sind. Eine Überprüfung des Status Quo z. B. im Rahmen von Verkehrssicherheitsprogrammen, Lärmminderungsplänen, § 40 Abs. 2 BImSchG oder der lokalen Agenda 21 ist unseres Erachtens in vielen Kommunen ohnehin erforderlich.
Eine generelle Absenkung der Regelgeschwindigkeit verwehrt es den Kommunen im übrigen nicht, dort wo es vertretbar ist, höhere Geschwindigkeiten zuzulassen. Erforderlich ist aber der Nachweis, daß die Unschädlichkeit dieser Maßnahme sorgfältig geprüft wurde und die Gemeinde dafür die Verantwortung übernimmt. Wir meinen, daß dies im Sinne eines sicheren und umweltschonenden Stadtverkehrs ist."
Az.: III 151-29