Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 726/2020 vom 24.11.2020

LKW-Kartell: EuGH prüft Einbeziehung von Sonderfahrzeugen

Der Europäische Gerichtshof soll klären, ob das von der EU-Kommission am 19.07.2016 festgestellte Lkw-Kartell auch Sonder- beziehungsweise Spezialfahrzeuge erfasst. Hierum bittet das LG Hannover im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens. Im zugrunde liegenden Fall hat die Erwerberin zweier Müllfahrzeuge gegen einen Kartellanten auf Schadenersatz wegen überhöhter Preise geklagt (LG Hannover, Beschluss vom 19.10.2020 (Az.: 13 O 24/19)).

Die Klägerin macht gegen einen Lkw-Hersteller Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Preisüberhöhungen bei dem Erwerb von zwei Müllfahrzeugen geltend. Der Lkw-Hersteller war Teilnehmer des von der Kommission festgestellten Kartells. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beschluss der Kommission und damit das Lkw-Kartell auch Müllfahrzeuge als Sonder- beziehungsweise Spezialfahrzeuge erfasst.

Kommissionsbeschluss nicht eindeutig

Dies sei entscheidend, betont das LG Hannover, da die nationalen Gerichte nach § 33 GWB a.F. grundsätzlich an die Feststellungen des Kommissionsbeschlusses gebunden seien. Der Wortlaut des Beschlusses erscheine dem LG insoweit jedoch nicht eindeutig und auch die Entstehungsgeschichte im sogenannten Settlement-Verfahren lasse unterschiedliche Deutungen zu.

Klärung von grundsätzlichem Interesse

Da im weiteren Verfahrensverlauf eine aufwändige Beweisaufnahme zur wirtschaftlichen Bedeutung des Kartells erforderlich wäre, bittet das LG Hannover den EuGH um Vorabentscheidung. Es bestehe zudem ein grundsätzliches Interesse an der Klärung. Denn es seien noch weitere Verfahren mit ähnlich gelagerten Sachverhalten – zum Teil mit mehreren hundert Lkw-Erwerbsvorgängen – anhängig, in denen es ebenfalls darum gehe, ob von dem Kommissionsbeschluss auch Sonder- und/oder Spezialfahrzeuge aller Art wie etwa Feuerwehrfahrzeuge, Beton-Fahrmischer, Kehrmaschinen, Winterdienstfahrzeuge oder Tank- und Gefahrgutfahrzeuge erfasst sind.

Anmerkung

Die vom LG Hannover vorgelegte Fragestellung überrascht. Von der Zuwiderhandlung betroffen waren laut Kommissionsbeschluss: „Lastkraftwagen zwischen 6 und 16 Tonnen („mittelschwere Lkw“) sowie Lastkraftwagen über 16 Tonnen („schwere Lkw“), wobei es sich sowohl um Solofahrzeuge als auch um Sattelzugmaschinen handelt (im Folgenden werden mittelschwere und schwere Lkw gemeinsam als „Lkw“ bezeichnet). Nicht betroffen sind der Kundendienst, andere Dienstleistungen und Garantien für Lkw, der Verkauf von gebrauchten Lkw und jegliche anderen Waren oder Dienstleistungen.“

Der Beschluss der EU-Kommission hat mithin formuliert, dass eine kartellrechtswidrige Koordinierung der Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen stattgefunden hat. Mit Ausnahme von Militärfahrzeugen hat die Kommission – anders als noch in verschiedenen Zwischenberichten zum LKW-Kartell – ausdrücklich keine Ausnahmen bezüglich Sonderfahrzeugen o. ä. benannt. Mithin dürften die Fahrgestelle für mittelschwere Lkw und schwere Lkw – unabhängig von ihrem individuellen Aufbau – bei der Einordnung als kartellrelevantes Fahrzeug zu Grunde zu legen sein. Die weitere Entscheidung bleibt abzuwarten.

Az.: 21.1.4.8-002/001 we

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