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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 51/2019 vom 16.01.2019
Bundesverwaltungsgericht zu baulicher Nutzung und Nachbarschutz
Das BVerwG hat mit Urteil vom 09. August 2018 (Az.: 4 C 7.17) zur Frage der nachbarschützenden Wirkungen von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung entschieden und folgendes festgestellt: Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung eines Bebauungsplans können auch dann Nachbarschutz vermitteln, wenn der Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hat.
Ein an das Baugrundstück angrenzender Nachbar hatte Klage gegen einen Bauvorbescheid erhoben, der die Errichtung eines Wohnhauses (mit Gewerbeanteil) und einer Tiefgarage zum Inhalt hatte. Das Grundstück des Klägers und des Bauherrn lagen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans aus dem Jahr 1959, der u. a. zum Maß der baulichen Nutzung eine Baumasse von 1,0 cbm je Baugrundstück und eine zulässige Anzahl von zwei Vollgeschossen festsetzte.
Das im Bauvorbescheid genehmigte Bauvorhaben sah jedoch die Errichtung von sechs Vollgeschossen bei einer Baumasse von 4,30 cbm vor, weshalb die Bauaufsichtsbehörde eine Befreiung von den diesbezüglichen Festsetzungen in Aussicht gestellt hatte. Das VG Berlin gab der Klage (Aufhebung Bauvorbescheid) statt. Auch das OVG Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Bauherrn zurückgewiesen, jedoch aufgrund der Besonderheiten des Falls die Revision zum BVerwG zugelassen.
Das BVerwG hat zunächst unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung betont, dass jede fehlerhafte Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans unmittelbar nachbarliche Abwehransprüche begründe. Bei einem derartigen Verstoß komme es daher auch nicht darauf an, ob der Nachbar hiervon konkret beeinträchtigt sei. Ob insbesondere eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sei, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hänge weiter vom Willen des Plangebers ab.
Dabei könnten Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit stamme, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht habe. Der Umstand, dass der Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung folglich nicht in seinen Willen aufgenommen habe, verbiete es somit nicht, die Festsetzungen nachträglich als nachbarschützend zu qualifizieren.
Praxishinweis
Die Entscheidung erbringt eine Klarstellung: Während Festsetzungen zur zulässigen Nutzungsart stets Nachbarschutz vermitteln, ist dies bei den übrigen Festsetzungen des Planungsrechts (Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche, gesicherte Erschließung) grundsätzlich nur dann der Fall, wenn die Auslegung des Bebauungsplans einen entsprechenden Willen des Plangebers aufzeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt festgestellt, dass ein Nachbarschutz auch bestehen kann, wenn der Plangeber zur Zeit der Planaufstellung den Nachbarschutz nicht in seinen Willen aufgenommen hat.
Az.: 20.1.1.4-014/001 gr