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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 552/2012 vom 16.10.2012
Netzübernahme im Rahmen des Konzessionsverfahrens
Das Landgericht München befasste sich mit den Klagen zweier oberbayerischer kommunaler Energieversorgungsunternehmen gegen den bisherigen Netzbetreiber auf Herausgabe des Stromnetzes. Das Gericht wies beide Netzübernahmebegehren aufgrund der Nichtigkeit des neuen Konzessionsvertrages und ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Konzessionsvergabeverfahrens ab.
Sachverhalt
Die beiden kommunalen Energieversorger bewarben sich im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens zweier oberbayerischer Städte erfolgreich um die Übernahme des Stromnetzes. Nachdem die Stadt je einen neuen Konzessionsvertrag für die künftige Stromversorgung in dem Stadtgebiet abschloss, verlangen die neuen Versorger nunmehr die Herausgabe der hierfür erforderlichen Netze und Anlagen von der ehemaligen Netzbetreiberin.
Diese bewarb sich erneut im Konzessionsverfahren und unterlag. Sie verweigerte die Herausgabe der Stromnetze und griff sowohl die Auswahlentscheidung der Stadt als auch den neuen Konzessionsvertrag mit der Begründung an, die kommunalen Energieversorger seien ohne sachlichen Grund bevorzugt worden. Hiergegen wenden sich die neuen Energieversorger aus von der Stadt abgetretenem Recht mit ihrer Klage vor dem Landgericht München auf Herausgabe des Stromnetzes. Dabei sind sowohl der Umfang als auch die Art und Weise der Übertragung der Stromversorgungsanlagen als auch die Modalitäten der Entflechtung zwischen den Parteien streitig.
Die neuen Konzessionsverträge regeln dabei in beiden Fällen u.a. die Zusammenarbeit mit der Stadt. So ist vorgesehen, dass die neuen Versorger die Gemeinde bei dem Aufbau dezentraler Energieversorgungsstrukturen, wie der Eigenerzeugung von Strom und bei der Förderung des Klimaschutzes durch Energiekonzepte vor Ort unterstützen. Danach haben sie die hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen und gegebenenfalls Zuschüsse zu gewähren, soweit sie konzessionsabgabenrechtlich zulässig sind.
Begründung
Das Landgericht München weist beide Klagen auf Überlassung der Stromnetze und auf Erteilung von Auskünften ab. Für beide Ansprüche sowohl aus dem Gesetz gem. § 46 EnWG als auch aus der Endschaftsbestimmung aus dem Vertrag sei Voraussetzung, dass der Konzessionsvertrag mit dem neuen Energieversorgungsunternehmen wirksam zustande komme. Nur der neue Konzessionsnehmer könne einen solchen Anspruch geltend machen. Da das Gericht beide Neukonzessionsverträge als nichtig ansieht, bliebe den Klägerinnen ein Überlassungsanspruch verwehrt.
Der Konzessionsvertrag sei in erster Linie wegen eines Verstoßes gegen § 3 Konzessionsabgabenverordnung (KAV) nichtig, der Verstoß führe zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Das Gericht weist darauf hin, dass Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung von kommunalen und regionalen Energiekonzepten oder für Maßnahmen, die dem sparsamen und ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, nur zulässig seien, soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen. Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden, und Verpflichtungen zur Übertragung von Versorgungseinrichtungen, dürfen ohne wirtschaftlich angemessenes Entgelt nicht vereinbart werden.
Dies haben Stadt und Gemeinde in beiden Fällen nicht eingehalten. Sowohl die Unterstützung kommunaler Energiekonzepte und der Eigenerzeugung von Strom, die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Daten als auch eine mögliche Zuschussgewährung stellen sachfremde Leistungen dar, denen keine angemessene Gegenleistung der Gemeinde gegenüber stehen. § 3 KAV diene dabei dem Schutz des Stromkunden vor vermeidbaren Kosten des Versorgungsunternehmens. Lediglich reine Beratungsleistungen seien nach Ansicht des Gerichts zulässig.
Das Gericht lässt dabei grundsätzlich dahinstehen, ob der Vertrag daneben auch wegen Mängeln bei der Auswahlentscheidung nichtig sei. Es beruft sich jedoch auf die Argumentation des Landgerichts Kiel (vgl. Mitteilung Nr. 199/2012) und sieht die Anforderungen an die Ziele des § 1 EnWG aufgrund mangelnder Berücksichtigung der Kriterien des Netzbetriebes und unzulässiger einseitiger Berücksichtigung fiskalischer Interessen der Gemeinde als nicht erfüllt an.
Anmerkung
Die Urteile des Landgerichts München vom 1. August 2012 (Az.: 37 O 19383/10, Az.: 37 O 23668/10) setzen sich in erster Linie mit dem Nebenleistungsverbot im Rahmen der Ausgestaltung von Konzessionsverträgen auseinander. Dabei weist das Gericht selbst darauf hin, dass das Vereinbarungsverbot von Leistungen zur Erstellung von Energiekonzepten und dem sparsamen Umgang mit Energie dienlichen Maßnahmen in dem Konzessionsvertrag nicht als unstrittig anzusehen ist. So wird zum Teil vertreten, dass das Verbot teleologisch zu beschränken sei, um Aspekte des Umweltschutzes besser berücksichtigen zu können.
Auch wenn sich das Gericht mit der Rechtmäßigkeit der kommunalen Auswahlentscheidung nur am Rande beschäftigt, ist an dieser Stelle noch einmal auf die der Gemeinde im Rahmen der Konzessionsvergabe zustehenden Selbstverwaltungsgarantie hinzuweisen. Wie in jüngster Zeit bereits das Verwaltungsgericht Oldenburg (vgl. Mitteilung Nrn. 381/2012 und 390/2012) bestätigte, kommt den Kommunen im Rahmen der örtlichen Daseinsvorsorge bei der Festlegung der Auswahlkriterien und der Bewertung der Angebote aufgrund der Selbstverwaltungsgarantie ein weiter Gestaltungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zu, der sowohl kommunalaufsichtsrechtlich als auch gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.
Gegen beide Urteile wurden Rechtsmittel eingelegt.
Az.: II/3 818-00