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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 10/2012 vom 25.01.2012
Neue EU-Beihilfevorschriften zu Dienstleistungen
Die Europäische Kommission hat am 20. Dezember 2011 das geänderte Paket mit EU- Beihilfevorschriften für die Prüfung öffentlicher Ausgleichsleistungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) verabschiedet. Die neuen Regeln sind an die Stelle des sog. „Monti-Kroes-Pakets“ aus dem Jahr 2005 getreten, das Ende 2011 ausgelaufen ist (vgl. dazu auch unsere Schnellbriefe Nr. 80 vom 19.07.2005 und Nr. 94 vom 10.08.2005).
Die Reform bringt vor allem durch die neue De-minimis-Verordnung für DAWI Erleichterungen für die Kommunen als Erbringer der Dienstleistungen. Damit kommt die Kommission einer Forderung des DStGB nach, die auch vom Europäischen Parlament unterstützt wurde. Das von der Kommission ausgegebene Ziel, mit der Reform für mehr Klarheit zu sorgen, wurde jedoch nur zum Teil erreicht.
I. kurze Bewertung
Das neue Gesetzespaket der Europäischen Kommission mit nunmehr vier Rechtsakten hat sein Ziel, verhältnismäßigere, einfachere und klarere Beihilferegelungen für DAWI zu schaffen, nur zum Teil erfüllt.
So führt der vorgenannte Rechtsrahmen der Vorschriften aufgrund seiner Systematik und des Wortlauts zu vermehrten Unsicherheiten. Zum anderen wurde der allgemeine Schwellenwert zur Befreiung der Anmeldepflicht von DAWI-Beihilfen auf 15 Mio. Euro halbiert und die Begrenzung des Betrauungszeitraums auf in der Regel 10 Jahre beibehalten. Die Anwendung der Freistellungsvorschriften wird weiter erschwert und zusätzlicher Verwaltungsaufwand wird verursacht.
Positiv ist hingegen, dass das Paket den Erbringern von Daseinsvorsorge und lokale Behörden auch einige Erleichterungen verschafft. Insbesondere der Entwurf der neuen „De-minimis-Verordnung“ schafft für Kommunen im Bereich von DAWI einen weitaus größeren Handlungsspielraum, da seine Anwendung nicht - wie noch in der Entwurfsfassung vorgesehen - an eine Einwohnerschwelle geknüpft ist. Einige gewichtige Forderungen der kommunalen Spitzenverbände wurden in dem Reformpaket berücksichtigt, viele Hindernisse sind jedoch für die Kommunen bestehen geblieben.
Die reformierten DAWI-Regelungen werden im Folgenden insbesondere im Hinblick auf die im Vorfeld abgegebene Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände an die Europäische Kommission dargestellt, die sich kritisch mit den Entwürfen auseinandergesetzt hat.
II. Inhalt des Pakets
Das neue DAWI-Paket umfasst vier Instrumente und richtet sich an alle Behörden, die Ausgleichsleistungen für die Erbringung von DAWI gewähren:
1. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (sog. „DAWI-Mitteilung“)
Die DAWI-Mitteilung führt die für Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen wichtigsten beihilferechtlichen Bestimmungen auf. Zugleich definiert und erläutert die Mitteilung die für die DAWI relevanten grundlegenden Begriffe (so u.a. die Begriffe DAWI, wirtschaftliche/nicht wirtschaftliche Tätigkeit, Kohärenz zwischen öffentlichen Vergabeverfahren und Nichtvorliegen einer Beihilfe).
2. Beschluss der EU- Kommission über die Anwendung von Artikel 106 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (sog. „Freistellungsbeschluss“)
Der Freistellungsbeschluss regelt die Voraussetzungen, unter denen Ausgleichsleistungen für die Erbringung bestimmter öffentlicher Dienstleistungen von der Anmeldepflicht bei der Europäischen Kommission befreit sind. Erfasst werden DAWI im Bereich von Sozialdienstleistungen und DAWI-Tätigkeiten unterhalb eines Schwellenwertes in Höhe von 15 Mio. Euro pro Jahr.
3. Mitteilung der EU-Kommission: Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (sog. „EU-Rahmen“)
Der EU-Rahmen dient als Prüfungsrahmen von Ausgleichsbeträgen für die Erbringung von DAWI, die nicht bereits unter den Anwendungsbereich der De-minimis-Verordnung oder des Freistellungsbeschlusses fallen. Solche Dienstleistungen sind grundsätzlich anmeldepflichtig und unterliegen der Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Europäischen Binnenmarkt. Der Rahmen führt die Prüfungskriterien hierfür auf.
4. Verordnung der EU-Kommission über die Anwendung des Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen (sog. „De-minimis-Verordnung“)
Die De-minimis-Verordnung legt fest, dass Ausgleichsleistungen für Erbringung von DAWI nicht der beihilferechtlichen Kontrolle unterliegen, sofern sie unterhalb eines Schwellenwertes von 500.000 Euro in drei Steuerjahren liegen. Diese Ausgleichsleistungen stellen keine Beihilfe dar und unterliegen damit nicht der Anmeldepflicht.
Die De-minimis-Verordnung liegt derzeit noch in Form eines Entwurfes vor, sie wird voraussichtlich im Frühjahr 2012 nach einer letzten Konsultation in Kraft treten.
Die Regelungen sind im StGB NRW-Intranetangebot unter Fachinfo/Service > Fachgebiete > Finanzen und Kommunalwirtschaft > EU-Beihilferecht für Mitgliedskommunen abrufbar.
III. Systematik
1. „De-minimis-Verordnung“
Nach der De-minimis-Verordnung stellen Ausgleichsleistungen an die Erbringer von DAWI dann bereits keine beihilferelevanten Maßnahmen dar, wenn sie unterhalb eines Schwellenwertes von 500.000 Euro in drei Steuerjahren liegen. Die kommunalen Ausgleichsleistungen gelten unterhalb des Schwellenwertes als nicht geeignet, Wettbewerbsverfälschungen zu verursachen. Die Wettbewerbsvorschriften finden in diesem Fall keine Anwendung, was zugleich auch die Anmeldepflicht betrifft.
Es sollte daher zunächst überprüft werden, ob die Ausgleichsleistung unterhalb des genannten Schwellenwertes liegt und damit unter die Verordnung fällt. Erst, wenn eine Anwendung der Verordnung ausgeschlossen werden kann, bedarf es einer anschließenden Prüfung, ob die beihilferelevante Maßnahme gegebenenfalls von der Anmeldepflicht befreit ist und/oder mit dem Binnenmarkt nach den Kriterien des EU-Rahmens als vereinbar angesehen werden kann.
2. „EU-Rahmen“ und „Freistellungsbeschluss“
Die Anwendung sowohl des EU-Rahmens und als auch des Freistellungsbeschlusses setzt voraus, dass es sich um eine beihilferelevante Ausgleichleistung für die Erbringung von DAWI im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV handelt.
Entscheidend ist, dass sich der Prüfungsrahmen des EU-Rahmens grundsätzlich nur auf DAWI-Tätigkeiten erstreckt, die nicht bereits unter den Freistellungsbeschluss fallen und damit der Anmeldepflicht gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegen.
Die Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses sind daher vorrangig zu prüfen. DAWI-Tätigkeiten nach dem Freistellungsbeschluss (Art. 2 Abs. 1) werden privilegiert behandelt. Die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt wird bei Ihnen angenommen.
Es handelt sich dabei um Ausgleichsleistungen für DAWI-Tätigkeiten, die
- unter den Voraussetzungen des Art. 106 II AEUV gewährt werden und
- mit nicht mehr als 15 Mio. Euro jährlich finanziert werden u.a. die Erbringung von
DAWI durch Krankenhäuser und die Erbringung von DAWI zur Deckung des sozialen Bedarfs (weitere in Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses).
Alle DAWI-Tätigkeiten, die nicht unter den Freistellungsbeschluss fallen, werden am Maßstab des Art. 106 Abs. 2 AEUV und damit anhand der Kriterien des EU-Rahmens von der Kommission auf ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt überprüft. Solche Beihilfen unterstehen grundsätzlich der Anmeldepflicht.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die Konstellation, in der der Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses zwar eröffnet ist, da es sich um eine DAWI-Tätigkeit nach dem Freistellungskatalog handelt, jedoch weitere, darüber hinausgehende Voraussetzungen nicht erfüllt sind. In diesem Fall findet der EU-Rahmen zwar Anwendung, jedoch mit einem eingeschränkten Prüfungsrahmen. So finden bestimmte Prüfungskriterien für diese privilegierten DAWI-Tätigkeiten keine Anwendung (Ziffer 2.11. Rz .61 EU-Rahmen).
Az.: II/3 810-06