Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 149/2023 vom 21.02.2023

Niederschlagswasserbeseitigung auf privaten Grundstücken

Aufgrund vermehrter Anfragen weist die Geschäftsstelle auf folgende Rechtssystematik unter Beachtung der ergangenen Rechtsprechung hin:

Grundsätzlich besteht eine Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser, welches auf privaten Grundstücken anfällt (so:  OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2020 – 15 A 657/19 – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de). Es besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang an einen öffentlichen Regenwasserkanal, welcher vor dem Grundstück liegt. Es gibt keinen Anspruch des privaten Grundstückseigentümers auf Versickerung, denn auch die Ableitung von Niederschlagswasser über einen öffentlichen Regenwasserkanal stellt eine ortsnahe Beseitigung des Niederschlagswassers im Sinne des § 55 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes (WHG) dar.

Dabei unterliegt der Anschluss- und Benutzungszwang weder einer Verjährung noch einer Verwirkung, denn es gibt keinen wasserrechtlichen Bestandschutz für die Zukunft (so: OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2020 - 15 A 657/19 -; OVG NRW, Beschl. vom 16.06.2016 – 15 A 1068/13 -).

Liegt ein öffentlicher Mischwasserkanal vor dem privaten Grundstück, so muss auch dieses Grundstück auf der Grundlage der Rechtsprechung an den öffentliche Mischwasserkanal angeschlossen werden (so: OVG NRW, Beschluss vom 23.08.2018 - Az.: 15 A 2063/17 – Rz. 34 der Urteilsgründe –; VG Düsseldorf, Urteil vom 16.02.2022 – 5 K 2399/21 – jeweils abrufbar unter: www.justiz.nrw.de).

Das OVG NRW hat mit Urteil vom 20.06.2022 (Az.: 11 A 2800/12 – Rz. 100 der Urteilsgründe - abrufbar unter: www.justiz.nrw.de) klargestellt, dass der Begriff „Niederschlagswasser“ im Sinne der bundesrechtlichen Abwasser-Definition (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG) nur das Wasser von Niederschlägen umfasst, welches (vom Himmel kommend unmittelbar) auf bebaute und/oder befestigte Flächen auftrifft und von dort gesammelt abfließt. Nicht erfasst wird hingegen Wasser aus Niederschlägen (Regen) auf unbefestigte Flächen (z. B. Rasen, Grünanlagen, Blumenbeete).

In § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW ist geregelt, dass die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswassers auf den privaten Grundstückseigentümer unter zwei Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer übergeht. Beide Voraussetzungen müssen somit zusammen (kumulativ) erfüllt sein. Wichtig ist, dass die Abwasserbeseitigungspflicht grundsätzlich auf die Stadt zurückfällt, wenn eine der beiden gesetzlich geregelten Voraussetzungen für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht nicht mehr erfüllt ist. Dieses ist z. B. der Fall, wenn eine erteilte wasserrechtliche Erlaubnis zeitlich befristet war und abgelaufen ist.

Erteilt die untere Wasserbehörde keine wasserrechtliche Einleitungserlaubnis für die Versickerung des Niederschlagswassers auf dem privaten Grundstück oder die ortsnahe Einleitung in ein Gewässer (Fluss, Bach), so geht die Abwasserbeseitigungspflicht nicht auf den Nutzungsberechtigten des Grundstücks über. Dabei steht die Art und Weise der Versickerung (Beseitigungsart „Mulden-Rigolen-Versickerung“ oder „belebte Bodenzone“) nicht im Belieben des Grundstückseigentümers, sondern die zuständige Wasserbehörde entscheidet im Rahmen ihres wasserwirtschaftlichen Ermessens (§ 12 Abs. 2 WHG) über die Art und Weise der Versickerung (so ausdrücklich: OVG NRW, Beschluss vom 15.06.2018 – Az.: 20 A 652/17 – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de).

Erteilt wiederum die abwasserbeseitigungspflichtige Stadt bzw. Gemeinde keine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser (§ 48 LWG NRW), so kann die untere Wasserbehörde keine wasserrechtliche Erlaubnis erteilen, weil der Grundstückseigentümer bzw. der Nutzungsberechtigte des Grundstücks bezogen auf die Erlaubnis nicht antragsbefugt ist, denn antragsbefugt ist nur derjenige, der abwasserbeseitigungspflichtig ist (§ 45 Abs. 1 LWG NRW; so: VG Münster, Urteil vom 20.10.2021 – Az.: 7 K 493/19 – nicht rechtskräftig – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de –). Die untere Wasserbehörde kann grundsätzlich erst dann entscheiden, wenn klar ist, dass Gemeinde eine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser erteilt.

Dabei ist wiederum zu beachten, dass gemäß § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG NRW unter den dort gesetzlichen Voraussetzungen die Freistellungsentscheidung der Stadt bzw. Gemeinde gesetzlich fingiert (unterstellt) wird. Dieses wird im Regelfall bei Grundstücken im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) der Fall sein, weil die Stadt/Gemeinde im Außenbereich grundsätzlich keine zentralisierte Beseitigung des Niederschlagswassers (z. B. über ein öffentliches Kanalnetz) anbieten wird.

Die Freistellungsfiktion ersetzt aber nicht die erforderliche, wasserrechtliche Erlaubnis (so ausdrücklich: VG Düsseldorf, Urteil vom 16.02.2022 – 5 K 2399/21 – Rz. 101 ff. , 120 ff. der Urteilsgründe – abrufbar unter: ww.justiz.nrw.de).

Sowohl die untere Wasserbehörde als auch die Stadt bzw. Gemeinde müssen sorgfältig klären, dass z. B. durch eine Versickerung auf einem privaten Grundstück Nachbargrundstücke oder öffentliche Verkehrsflächen nicht überschwemmt oder überflutet werden oder sonstige Nässeschäden dort auftreten, denn insoweit ist dann eine Amtshaftung aus § 839 BGB, Art 34 GG nicht ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jedenfalls mit Urteil vom 12.06.2015 (– V ZR 168/14 –) einem Grundstückseigentümer (Kläger) einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB gegen den Nachbar-Grundstückseigentümer zugesprochen, weil dieser Nachbargrundstückseigentümer Niederschlagswasser auf seinem Grundstück versickerte und in der Folge hierzu Sickerwasser auf das Grundstück des Klägers übergetreten war und dort zu Nässeschäden führte.

Unabhängig davon ist selbst bei einem Anschluss an den öffentlichen Kanal eine Nutzung des Niederschlagswassers auf dem Grundstück nicht ausgeschlossen, sondern möglich (so ausdrücklich zur Bewässerung von Obstbäumen:  OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2020 – 15 A 657/19 – Rz. 30 der Urteilsgründe).

Az.: 24.1.1 qu

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