Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 238/2008 vom 18.03.2008
Oberlandesgericht Düsseldorf zur Ausschlussfrist für Nachprüfungsanträge
Interessante Aspekte der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 21. November 2007 (AZ: VII-Verg 32/07) sind die Fragen, ob die Vergabestelle eine Ausschlussfrist für Nachprüfungsanträge festlegen darf und zu welchem Zeitpunkt die Wertungskriterien im Verhandlungsverfahren bekannt gegeben werden müssen.
1. Sachverhalt
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Für die Umstrukturierung des Hafens Krefeld in ein PPP-Projekt suchte die Auftraggeberin per Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einen privaten Partner. Nach Eingang der Teilnahmeanträge, u. a. der Antragstellerin und der Beigeladenen, versendete die Auftraggeberin an die Bewerber eine Vergabeunterlage mit Bewerbungsbedingungen. Diese sahen vor, dass der Bieter, sofern er einen Vergaberechtsverstoß rügt und die Auftraggeberin dieser Rüge widerspricht, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Widerspruchs ein Nachprüfungsverfahren einleiten muss.
Die später, mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe , versandten Anlagen enthielten Bestimmungen zur Zulassung von Nebenangeboten, inhaltliche Anforderungen an die Nebenangebote sowie die Bekanntgabe von vorläufigen Wertungskriterien und deren Gewichtung. Nachdem die Antragstellerin vergeblich gerügt hatte, dass Kriterien für die Zulässigkeit von und Mindestanforderungen an Nebenangebote fehlten und die Wertungskriterien sowie deren Gewichtung nicht ausreichend bestimmt dargelegt worden seien, gab sie ein Angebot unter Aufrechterhaltung ihrer Rüge ab.
Aufgrund geänderter Rahmenbedingungen gaben die Antragstellerin und die Beigeladene erneut ein Angebot ab. Da der Zuschlag daraufhin auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden sollte, stellte die Antragstellerin nach erfolgloser Rüge Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer entschied, dass auf keines der beiden Angebote der Zuschlag erteilt werden dürfe, da beide wegen Unvollständigkeit nicht annahmefähig seien. Dagegen wandte sich die Beigeladene mit der sofortigen Beschwerde, die Antragstellerin mit der Anschlussbeschwerde-
2. Entscheidung
Das OLG Düsseldorf hat der sofortigen Beschwerde der Beigeladenen stattgegeben und die Entscheidung der Vergabekammer aufgehoben sowie die Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.
Der Nachprüfungsantrag sei zwar zulässig. Insbesondere sei die Antragstellerin im Gegensatz zur Auffassung der Vergabekammer nicht mit ihren die Zulassung und Wertung von Nebenangeboten betreffenden Rügen präkludiert. Die Klausel in den Bewerbungsbedingungen, wonach ein Nachprüfungsverfahren innerhalb von vier Wochen nach Zurückweisung einer Rüge eingeleitet werden müsse, sei eine gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Ausschlussfrist sei nach eigenem Bekunden der Auftraggeberin für eine Vielzahl von Vergabeverfahren vorformuliert. Obgleich die Klausel nur das vorvertragliche Verhältnis der Parteien im Vergabeverfahren betreffe, sei eine AGB-rechtliche Kontrolle eröffnet. Die Präklusion benachteilige die Bieter unangemessen, indem sie die Zugangsvoraussetzungen zum Vergabeverfahren verschärfe. § 107 Abs. 3 GWB stelle Mindeststandards für die Gewährung von Rechtsschutz in Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte auf und könne daher nicht abbedungen werden.
Der Nachprüfungsantrag sei jedoch unbegründet, da der Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen habe erteilt werden dürfen. Dieses enthalte die von der Auftraggeberin geforderten Angaben und Erklärungen und könne daher gewertet werden. Auch habe die Auftraggeberin die erforderlichen Mindestbedingungen für Nebenangebote in den Verdingungsunterlagen hinreichend deutlich und bestimmt festgelegt.
Die Wertungskriterien für Nebenangebote seien auch nicht zu spät bekannt gegeben worden. Der Auftraggeberin stehe es frei, ob sie die vorgesehenen Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung schon in der Vergabebekanntmachung oder aber mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe in den Verdingungsunterlagen bekannt gebe. Die Angebotsabgabe beziehe sich dabei auf das endgültige Angebot und nicht auf die im Verhandlungsverfahren üblichen indikativen, d. h. unverbindlichen Angebote im Rahmen der Verhandlungsphase.
3. Anmerkung
Folgerungen für die Praxis: Werden im Verhandlungsverfahren mit dem Versand der Verdingungsunterlagen lediglich indikative (unverbindliche) Angebote abgefragt, muss eine Festlegung auf Wertungskriterien und deren Gewichtung dabei noch nicht erfolgen. Die Bekanntgabe von Wertungskriterien und deren Gewichtung im Verhandlungsverfahren kann auch noch nach Abgabe der indikativen Angebote vorgenommen werden. Die Bieter werden dadurch nicht benachteiligt, da auch sie sich mit ihren bis dato unverbindlich abgegebenen Angeboten noch nicht festlegen. Spätester Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kriterien und ihrer Gewichtung ist daher die Aufforderung zur Abgabe eines endgültigen Angebotes.
Gleichzeitig hat das OLG vertraglichen Ausschlussfristen für Nachprüfungsanträge eine Absage erteilt, jedenfalls solange der deutsche Gesetzgeber keine Änderung des § 107 Abs. 3 GWB herbeiführt. Eine vertragliche Regelung, die die Stellung eines Nachprüfungsantrags nur bis zum Ablauf einer bestimmten Frist nach Zurückweisung der Rüge zulässt, ist danach unwirksam.
(Quelle: forum vergabe, Monatsinfo 1/2008, S 10 ff.)
Az.: II/1 608-16