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StGB NRW-Mitteilung 101/2018 vom 23.01.2018
Oberlandesgericht Frankfurt zu Haftung für "waldtypische" Gefahren
Der Waldbesitzer ist für „waldtypische Gefahren“ nicht verantwortlich. Dies geht aus einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hervor. Selbst wenn atypische Gefahren vorlägen, könne das allgemeine Lebensrisiko nicht auf den verkehrssicherungspflichtigen Waldbesitzer abgewälzt werden, stellt das Gericht klar (Az.: 13 U 111/17).
Die Klägerin nimmt das beklagte Land Hessen auf Schadenersatz in Anspruch. Sie unternahm im Frühjahr 2016 im Kreis Groß-Gerau eine Radtour auf einem Waldweg der Beklagten. Dieser Weg ist nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet, wird aber häufig von Fußgängern und Radfahrern genutzt. Er ist unbefestigt und weist Löcher und Querrillen auf, die der Klägerin von früheren Ausflügen her bekannt waren.
Die Klägerin behauptet, trotz umsichtiger Fahrweise habe sich plötzlich und für sie gänzlich unvorhersehbar ein circa 20x20 Zentimeter breites und 20 Zentimeter tiefes Loch im Weg gezeigt. Beim Versuch, dem Loch auszuweichen, sei sie ins Schleudern geraten und auf ihre linke Schulter gestürzt. Sie nimmt deshalb das Land Hessen auf Schmerzensgeld in Anspruch.
Klage abgewiesen
Das Landgericht Darmstadt hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin hat das OLG mit dem Hinweisbeschluss bekräftigt, dass das Land für den behaupteten Unfall nicht hafte. „Eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren (ist) ausgeschlossen, weil sich der Waldbesucher mit dem Betreten des Waldes bewusst derartigen Gefahren aussetzt“, stellt das OLG klar. Dies gelte in besonderer Weise bei der Nutzung von Waldwegen, die nach dem Straßen- und Wegerecht keine öffentlichen Straßen darstellten. Selbst wenn derartige Wege — wie hier — stark frequentiert würden, sei der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren verantwortlich.
„Waldtypisch“ seien dabei Gefahren, „die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben“, so das OLG unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung. Das streitgegenständliche Loch unterfalle diesem Begriff. Es entspreche allgemeiner Erfahrung, „dass im bewaldeten Gelände Wege auf gewachsenem Boden durch Wurzelwerk und Auswaschungen infolge von Witterungseinflüssen erhebliche Unebenheiten, insbesondere auch Löcher, aufweisen können“.
Im Übrigen würde das beklagte Land auch nicht haften, wenn eine atypische Gefahr vorgelegen hätte, ergänzt das OLG. Eine Pflichtverletzung scheide grundsätzlich aus, wenn die Gefahrenquelle mit einer „Selbstwarnung“ versehen sei. „Die Verkehrssicherungspflicht dient insbesondere nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen“, betont das OLG. Die von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder belegten hier, dass das Loch als Gefahrenquelle ausreichend erkennbar gewesen sei.
Die Klägerin hat auf diesen Hinweis hin ihre Berufung zurückgenommen, sodass das landgerichtliche Urteil rechtskräftig ist.
Anmerkung aus kommunaler Sicht
Der Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt am Main ist zu begrüßen, da er mehr Rechtssicherheit für Waldbesitzer und Forstleute schafft. Mit dem Hinweisbeschluss wird klargestellt, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren haftet und das beklagte Land auch nicht haften würde, wenn eine atypische Gefahr vorgelegen hätte. Das OLG stellt klar, dass eine Pflichtverletzung grundsätzlich ausscheidet, wenn die Gefahrenquelle mit einer „Selbstwarnung“ versehen sei.
In seiner Begründung verweist das OLG auf höchstrichterliche Rechtsprechung. So hatte der BGH in seinem Urteil zur Verkehrssicherungspflicht im Wald (Urteil vom 02. Oktober 2012 VI ZR 311-11) insbesondere auch auf das Bundeswaldgesetz verwiesen, nach dem das Betreten des Waldes für jedermann zum Erholungszwecke auf eigene Gefahr gestattet ist. „Da der Waldbesucher den Wald auf eigene Gefahr nutzt, ist eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ausgeschlossen“, so die BGH-Richter.
Sie sehen die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf die Sicherung gegen solche Gefahren beschränkt, die nicht waldtypisch, sondern im Wald atypisch sind. „Die Haftungsbeschränkung auf atypische Gefahren gilt auch für Waldwege. Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher stets, also auch auf Wegen rechnen.
Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich. Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringen, gehören grundsätzlich zum entschädigungslosen hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko“, so aus der Urteilsbegründung. „Dass der Waldbesucher die waldtypischen Gefahren selbst tragen muss, ist gleichsam der Preis für die eingeräumte Betretungsbefugnis. Dass der Waldbesitzer grundsätzlich keine Pflicht trifft, den Verkehr auf Waldwegen gegen waldtypische Gefahren zu sichern, entspricht auch der nunmehr in § 14 Bundeswaldgesetz (BWaldG) für das Betreten des Waldes getroffenen Regelung“.
Typische — atypische Gefahren
Typische Gefahren sind solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Fahrspuren in Wegen, Reisig im Bestand, Trockenzweige in Baumkronen, herabhängende Äste nach Schneebruch oder Sturmschäden sind Beispiele für typische Waldgefahren.
Atypische Gefahren sind immer dann anzunehmen, wenn der Waldbesitzer selbst oder ein Dritter Gefahrenquellen schafft, selbst einen besonderen Verkehr eröffnet, anzieht oder duldet oder gegen sonstige dem Schutz von Personen oder Sachen dienende Rechtsvorschriften verstößt. Selbstgeschaffene Gefahrenquellen sind zum Beispiel Kinderspielplätze, Kunstbauten, Fanggruben, gefährliche Abgrabungen oder Parkplätze im Wald.
Az.: 26.1-006/001 gr