Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 255/2014 vom 07.04.2014

Oberlandesgericht Karlsruhe zu Verträgen über Stromnetzkonzession

Das OLG Karlsruhe hat die neu abgeschlossenen Konzessionsverträge für das Stromverteilnetz der Stadt Achern und der Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen und Rheinau für nichtig erklärt. Das Auswahlverfahren der Kommunen habe gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot verstoßen. Die SÜWAG Energie AG ist als Altkonzessionärin daher nicht verpflichtet, die Stromversorgungsanlagen an das Elektrizitätswerk Mittelbaden AG & Co. zu übertragen. Das OLG stützt sich dabei auf die erst kürzlich ergangene Entscheidung des BGH, mit der die Anforderungen an gemeindliche Netzübernahmen beträchtlich erhöht werden.

Hintergrund

Die Klägerin betrieb auf dem Gebiet der Stadt Achern und der Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen und Rheinau auf der Grundlage von Konzessionsverträgen ein Stromverteilnetz. Die Konzessionsverträge liefen 2012 beziehungsweise Anfang 2013 aus. Die Gemeinden machten 2009 das Ende der Verträge im elektronischen Bundesanzeiger bekannt und forderten interessierte Unternehmen auf, sich um den Abschluss eines Anschlusskonzessionsvertrags zu bewerben. Sowohl die Klägerin (als Altkonzessionärin) als auch die Beklagte nahmen am Auswahlverfahren teil, das unter Beteiligung eines Beraters durchgeführt wurde. Im November 2011 entschieden sich die Gemeinden, die Konzession an die Beklagte zu vergeben. Ausschlaggebend war für sie die bestmögliche Berücksichtigung der kommunalen Interessen. Im Februar beziehungsweise März 2012 schlossen die beteiligten Gemeinden Konzessionsverträge mit der Beklagten.

Die Beklagte verlangte als Neukonzessionärin von der Klägerin die Übereignung der auf dem Gebiet der beteiligten Gemeinden befindlichen Stromverteilungsanlagen. Die Beklagte warf der Kommune unter anderem vor, die Verfahren zur Suche nach einem strategischen Partner für eine künftige Kooperation und der Konzessionsvergabe an sich unzulässig vermischt zu haben. Das von den Gemeinden durchgeführte Konzessionsverfahren werde den energiewirtschafts- und kartellrechtlichen Anforderungen nicht gerecht, so dass die geschlossenen Konzessionsverträge nichtig seien. Sie klagte deshalb auf Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Übereignung der Anlagen habe. Das Landgericht Mannheim (Urteil vom 03.05.2013, Az.: 22 O 33/12 (Kart.)) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, die abgeschlossenen Konzessionsverträge seien wirksam. Ein etwaiger Verstoß der Kommune gegen Vorschriften des Konzessionierungsverfahrens würde nicht auf den nach Abschluss des Verfahrens abgeschlossenen Konzessionsvertrag durchschlagen. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

Entscheidung des OLG

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 26.03.2014 (Az.: 6 U 68/13 (Kart.)) das Urteil des Landgerichts Mannheim abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der genannten Verteilungsanlagen hat.

Vorrangige Berücksichtigung kommunaler Interessen bei der Auswahlentscheidung unzulässig

Die geschlossenen Konzessionsverträge seien unter Verstoß gegen die Anforderungen zustande gekommen, die sich aus § 46 EnWG und § 1 EnWG, dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot und dem Transparenzgebot ergäben. Die Auswahlentscheidung müsse nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorrangig an den Zielen des § 1 EnWG - Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit der Energieversorgung, zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien - orientiert sein. Dies sei beim vorliegenden Auswahlverfahren nicht der Fall, da es die kommunalen Interessen in den Vordergrund gestellt habe.

Mangelnde Transparenz der Auswahlkriterien und ihrer Gewichtung

Zudem müssten die von der Gemeinde zugrunde gelegten Auswahlkriterien und ihre Gewichtung den Bietern im gesamten Konzessionsverfahren transparent sein. Auch insoweit genügte das Auswahlverfahren nicht den zu stellenden Anforderungen. Aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) folge nichts anderes. Sie bestehe nur im Rahmen der Gesetze. Den Gemeinden verbleibe auch angesichts der genannten Vorgaben ein erheblicher Spielraum zur Ausübung ihres Ermessens und zur Wahrung ihrer Interessen.

Konzessionsverträge nichtig

Wegen dieser Gesetzesverstöße sind die Konzessionsverträge nach Auffassung des OLG nichtig (§ 134 BGB). Jedenfalls die Klägerin als Altkonzessionärin könne die Nichtigkeit auch geltend machen. Dabei komme dem Umstand, dass der unterlegene Altkonzessionär wegen der genannten Übereignungspflicht von einer fehlerhaften Konzessionsentscheidung schwerer betroffen sei als sonstige Bieter, besonderes Gewicht zu.

Anmerkung

Das Urteil des OLG Karlsruhe legt die Anforderungen an das gemeindliche Konzessionsvergabeverfahren in Anlehnung an die erst kürzlich ergangene grundlegende Entscheidung des BGH (StGB NRW-Mitteilung 196/2014 vom 02.04.2014) besonders restriktiv aus. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die weitreichenden Rechtsfolgen, die etwaige Verfahrensfehler nach sich ziehen. Die Hürden für Städte und Gemeinden, die Netze nach dem Ablauf von Konzessionen wieder selbst übernehmen, werden damit zunehmend erhöht und die kommunalen Entscheidungsspielräume erheblich eingeschränkt. Die Urteilsbegründung des OLG Karlsruhe steht jedoch noch aus, so dass bislang nur eine vorläufige Einschätzung getroffen werden kann.

Az.: II/3 818-00

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