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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 369/2015 vom 11.05.2015
Oberverwaltungsgericht Koblenz zur energetischen Verwertung
Das OVG Koblenz hat mit Urteil vom 11.03.2015 (Az.: 8 A 11003/14) entschieden, dass Abfälle aus einem Krankenhaus insgesamt einer energetischen Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zugeführt werden können, mit der Folge, dass eine Pflicht-Restmülltonne nach § 7 Satz 4 der Gewerbeabfall-Verordnung (GewAbfV) der Stadt als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (§§ 17, 20 KrWG) nicht mehr benutzt werden muss. § 7 Satz 4 GewAbfV beinhaltet die Regelvermutung, dass auch bei gewerblichen Abfallbesitzern/-erzeugern „Abfälle zur Beseitigung“ anfallen, sodass eine Pflicht-Restmülltonne für überlassungspflichtige „Abfälle zur Beseitigung“ in Benutzung zu nehmen ist. Der gewerbliche Abfallbesitzer/-erzeuger muss die Regelvermutung schlüssig und nachvollziehbar widerlegen, dass bei ihm „Abfall zur Beseitigung“ anfällt. § 7 Satz 4 GewAbfV ist insoweit verfassungsgemäß (so: BVerfG, Beschluss vom 19.7.2007 — Az.: 1 BvR 1290/05).
Nach dem OVG Koblenz konnte das Krankenhaus in dem zu entscheidenden Fall schlüssig und nachvollziehbar nachweisen, dass sämtliche Abfälle in einer Müllverbrennungsanlage energetisch verwertet werden. Dabei erachtete das OVG Koblenz den Anteil von Bioabfällen als so gering, dass auch die Vorgabe in § 6 GewAbfV nicht einschlägig sei, wonach in „Abfällen zur energetischen Verwertung“ keine Bioabfälle enthalten sein dürfen. Deshalb bestand nach dem OVG Koblenz insgesamt keine Pflicht eine Pflicht-Restmülltonne in Benutzung zu nehmen.
Die StGB NRW-Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin: Das vorstehende Urteil des OVG Koblenz ist nicht nachvollziehbar und blendet die seit dem 01.06.2012 bestehende fünfstufige Abfallhierachie (§ 6 Abs. 1 KrWG) komplett aus. Die energetische Verwertung ist lediglich die 4. Stufe der Abfallhierachie, so dass ein gewerblicher Abfallbesitzer/-erzeuger auch darlegen muss, weshalb er die stoffliche Verwertung als 3. Stufe der 5stufigen Abfallhierachie nicht beschreitet.
Hierzu hatte das Krankenhaus soweit ersichtlich keine Darlegung erbracht. Im Übrigen war bislang in der Rechtsprechung anerkannt, dass das sog. „Huckepackverfahren“ in Anbetracht der Trennungsvorgaben in den §§ 4 bis 6 der Gewerbeabfall-Verordnung unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.12.2005 — Az.: 10 C 4.04 - , UPR 2006, S. 272 und Urteil vom 17.2.2005 — Az.: 7 C 25.03 — , UPR 2005, S. 344; OVG NRW, Beschluss vom 16.4.2009 — Az.: 14 A 3731/06), d.h. Restmüll, der als solcher anfällt, nicht mit anderen Abfällen zur Verwertung vermengt und entsorgt werden darf. Insbesondere verliert Restmüll nicht seine Abfallschlüssel-Nummer nach der Abfall-Verzeichnis-Verordnung, wenn er in einen Abfallbehälter mit verwertbaren Abfällen eingefüllt wird (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.4.2009 — Az.: 14 A 3731/06).
Insoweit fiel in dem vom OVG Koblenz entschiedenen Fall unter anderem auch Restmüll aus dem Patientenzimmern an, welcher mit den „Abfällen zu energetischen Verwertung“ vermengt wurde. In einem Abfallcontainer mit „Abfällen zur Verwertung“ dürfen außerdem insbesondere keine gefährliche Abfälle (Sternchen-Abfälle nach der AVV) und keine feuchten, flüssigen Abfälle enthalten sein (§§ 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 8, 4 Abs. 1, 6 GewAbfV).
Der gewerbliche Abfallbesitzer/-erzeuger muss zudem einen nachvollziehbaren, ordnungsgemäßem sowie schadlosen Verwertungsweg in einer ganz konkreten Entsorgungsanlage (namentliche Benennung) nachweisen (BVerwG, Beschluss vom 14.04.2014 — Az.: 7 B 26.13 — ; BVerwG, Beschluss vom 23.4.2008 — Az.: 9 BN 4.07 -; OVG Rh-Pf., Beschluss vom 08.01.2014 — Az.: 8 B 11193/13.OVG - Kinoabfälle ; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.3.2007 — Az.: 10 S 2221/05 — ). Letzteres war nach dem OVG Koblenz gegeben, weil eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage mit Verwerterstatus nachgewiesen wurde.
Insgesamt muss abgewartet werden, ob diese Rechtsprechung des OVG Koblenz durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt wird. Sie führt jedenfalls im Endergebnis dazu, dass die stoffliche Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen in aller Regel „Geschichte“ sein dürfte, weil nunmehr alle gewerblichen Siedlungsabfälle einer energetischen Verwertung zugeführt werden könnten und es dann keine gewerblichen „Abfälle zur Beseitigung“ mehr geben würde.
In Anbetracht der europarechtlich und in § 6 Abs. 1 KrWG geregelten fünfstufigen Abfallhierachie greift diese Rechtsprechung erkennbar zu kurz und berücksichtigt ebenso nicht, dass der Bundesgesetzgeber zum Schutz der stofflichen Verwertung in § 8 Abs. 3 KrWG die sog. Heizwertklausel geregelt hat. Hiernach müssen „Abfälle zu energetischen Verwertung“ grundsätzlich einen Heizwert von 11.000 KJ/kg aufweisen, was ebenfalls durch den gewerblichen Abfallbesitzer/-erzeuger nachzuweisen ist. Insoweit ist zugleich der Bundes-Verordnungsgeber aufgefordert, in einer Anpassung der Gewerbeabfall-Verordnung des Bundes an die fünfstufige Abfallhierachie sicherzustellen, dass die stoffliche Verwertung als 3. Stufe der Abfallhierachie nachhaltig abgesichert wird.
Az.: II/2 31-02