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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 338/2011 vom 09.06.2011
Oberverwaltungsgericht NRW zum Abzug von Wasserschwundmengen
Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 17.05.2011 (Az.: 9 A 2021/10) die Berufung gegen ein Urteil des VG Düsseldorf vom 02.08.2010 (Az.: 5 K 1206/10) zugelassen. Nach dem OVG NRW gibt die zugelassene Berufung die Möglichkeit zu klären, ob eine Bagatellregelung in einer gemeindlichen Gebührensatzung für den Abzug von nachweislich der öffentlichen Abwassereinrichtung nicht zugeführten Wassermengen (sog. Wasserschwundmengen) rechtlich noch Bestand hat.
Hiermit macht das OVG NRW deutlich, dass die Zulässigkeit der Bagatellgrenze von 15 m³/Jahr bei dem Abzug von sog. Wasserschwundmengen im Zusammenhang mit der Abrechnung der Schmutzwassergebühr nochmals einer Prüfung unterzogen werden soll.
Das OVG NRW wird also prüfen, ob die langjährige Rechtsprechung des 9. Senats des OVG NRW zur sog. Bagatellgrenze von 15 m³ noch weiter aufrechterhalten wird. Zuletzt hatte das OVG NRW mit Beschluss vom 09.06.2009 (Az.: 9 A 3249/07) abermals seine ständige Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.03.1999 — Az.: 9 A 1069/99) bestätigt, wonach in kommunalen Satzungen im Hinblick auf die Frischwasser-Abzugsmengen (Wasserschwundmengen) zulässigerweise eine Bagatellgrenze von 15 m³/Jahr geregelt werden kann.
Diese Bagatellgrenze bewirkt, dass die ersten 15 m³ pro Jahr bei der Geltendmachung von Wasserschwundmengen außer Betracht bleiben, d.h. diese Schwelle muss erst überschritten werden, ansonsten erfolgt kein Abzug der Wasserschwundmengen bei der Abrechnung der Schmutzwassergebühr auf der Grundlage des Frischwassermaßstabes (Frischwasser=Abwasser). Auch bei demjenigen, der 16 m³/Jahr an Wasserschwundmengen (Frischwasser—Abzug) geltend macht, wird nach dieser bislang ergangenen Rechtsprechung lediglich 1 m³ anerkannt, weil die ersten 15 m³ als Bagatelle unberücksichtigt bleiben.
Unklar ist bislang, wann das OVG NRW in den zugelassenen Berufungsverfahren entscheiden wird. Ebenso ist zurzeit unbekannt, welche Stadt in dem anhängigen Berufungsverfahren Beklagte ist, weil sich diese Stadt beim StGB NRW bislang nicht gemeldet hat. Möglich ist, dass das OVG NRW die Bagatellgrenze vollständig für unzulässig erklärt. Möglich ist aber ebenso, dass die Höhe der Bagatellgrenze abgesenkt wird z.B. von 15 m³/Jahr auf 10 m³/Jahr.
Jedenfalls hatte das Verwaltungsgericht Minden (VG Minden) mit Urteil vom 9.8.2001 (Az.: 9 K 561/01) bereits entschieden, dass eine „finanzielle Bagatelle“ nicht mehr angenommen werden kann, wenn durch die Bagatellgrenze von 15 m³/Jahr eine finanzielle Belastung von ca. 60 € pro Jahr entsteht. Die Folge dieses Urteils war, dass bei einem Gebührensatz für die Schmutzwassergebühr von über 6 € pro m³ die Bagatellgrenze von 15 m³/Jahr auf 10 m³/Jahr im Zuständigkeitsbereich des VG Minden abgesenkt werden musste. Das OVG NRW hatte sich bislang mit dieser Fragestellung noch nicht beschäftigt.
Für diejenigen Städte und Gemeinden, die zur Zeit Klageverfahren im Hinblick auf die Schmutzwassergebühr bei Verwaltungsgerichten anhängig haben, wird darauf hingewiesen, dass diese damit rechnen müssen, dass das zuständige Verwaltungsgericht die Frage der Zulässigkeit der Bagatellgrenze problematisieren wird. Zurzeit ist allerdings unklar, in welche Richtung das OVG NRW in dem o.g. Berufungsverfahren entscheiden wird.
Unabhängig davon, sollte in verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Bagatellgrenze zunächst verteidigt werden, denn sie dient in erster Linie dazu, erheblichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, den alle gebührenpflichtigen Benutzer wiederum über die Schmutzwassergebühr finanzieren müssen, denn ohne eine Bagatellgrenze könnten grundsätzlich alle Wasser-Schwundmengen (z.B. für das Blumen gießen, die Tränkung von Kleintieren wie z.B. Kaninchen, Hamster, Wellensittiche) als Abzugsposten geltend gemacht werden. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung von zusätzlichen Personal- und Verwaltungskosten für jedwede Kleinstmengen von Wasserschwundmengen hat sich damit die Bagatellgrenze in der Vergangenheit durchaus im Interesse aller Gebührenpflichtigen bewährt.
Im Übrigen ist der Frischwassermaßstab (Frischwasser = Abwasser) ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW. In diesem Zusammenhang wird durch die Stadt bzw. Gemeinde etwa bei der Abrechnung der Schmutzwassergebühr auch nicht ermittelt, wie viel zusätzliches Abwasser pro Jahr z.B. Urin vom gebührenpflichtigen Benutzer über die Toilette in die öffentliche Abwasseranlage befördert wird. Das Fassungsvolumen einer menschlichen Blase beträgt ca. 0,3 bis 0,5 l (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007 zur normalen Blasenfunktion S. 246).
Diese zusätzlichen „Abwassermengen“ — die unzweifelhaft in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werden -bleiben vollständig unberücksichtigt (vgl. hierzu: Queitsch in: Hamacher/Lenz/Queitsch, KAG NRW, Loseblatt-Kommentar, § 6 KAG NRW Rz. 151ff., 161, wonach das physiologische Fassungsvolumen einer menschlichen Blase bis zu 0,5 l betragen kann).
Sollte zukünftig eine Bagatellgrenze nicht mehr zulässig sein, so wird eine klare Systematik für die Anerkennung von sog. Wasser-Schwundmengen satzungsrechtlich festgelegt werden müssen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass derjenige Gebührenschuldner, der Wasser-Schwundmengen geltend machen will, diese Wasser-Schwundmengen auch auf eigene Kosten nachweisen muss (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.06.2003 — Az.: 9 A 4440/01 —; VG Münster, Urteil vom 22.01.2010 — 7 K 711/09).
Außerdem dürfte es satzungsrechtlich als zulässig anzusehen sein, eine klare Reihenfolge der Nachweisführung vorzugeben. Hierzu gehört, dass sog. Wasser-Schwundmengen in erster Linie durch einen Abwassermesser nachgewiesen werden müssen. Wenn dieses z.B. technisch nicht möglich ist — muss der Nachweis alternativ durch eine geeichte Wasseruhr (Zwischenzähler) nachgewiesen werden. Nur im Ausnahmefall, wenn ein Abwassermesser oder ein Wasseruhr (als Zwischenzähler) nicht der Nachweisführung dienen kann, könnte dann der Nachweis durch anderweitige Unterlagen noch zugelassen werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.06.2003 — Az.: 9 A 4440/01 —; zur Notwendigkeit der Nachweisführung für Wassermengen zur Viehtränkung durch eine Wasseruhr).
Dabei müssen diese Unterlagen geeignet sein zu belegen, aus welchem nachvollziehbaren Gründen Wassermengen der öffentlichen Abwasseranlage nicht zugeleitet worden sind und wie groß diese Mengen sind, d.h. der Grund und die Höhe des Wasserverlustes (der Wasser-Schwundmenge) müssen schlüssig und nachvollziehbar rechnerisch dargelegt werden (vgl. zuletzt: VG Münster, Urteil vom 22.01.2010 — Az.: 7 K 711/09). Anderenfalls kann eine Anerkennung im Interesse aller anderen gebührenpflichtigen Benutzer nicht erfolgen.
Az.: II/2 24-21