Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 562/2008 vom 19.08.2008

Oberverwaltungsgericht NRW zum Ansatz von Fremdleistungsentgelten

Das OVG NRW hat mit Urteil vom 24.06.2008 (Az.: 9 A 373/06) nochmals zu der Frage Stellung genommen, ob und inwieweit Betriebsführungsentgelte in die Gebührenkalkulation eingestellt werden können.

Das OVG NRW weist darauf hin, dass gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW zu den ansatzfähigen Kosten auch Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen (§ 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW) gehören. Berücksichtigungsfähig sind danach auch Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Gemeinde gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen die Gemeinde selbst beteiligt ist, selbst wenn es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt. Da die an das Unternehmen zu zahlenden Fremdleistungsentgelte tatsächliche Kosten darstellen, kommt es bei deren Einstellung in die Gebührenkalkulation in der Regel weder zu Kostenüberdeckungen noch gar zur Erschließung illegaler Finanzquellen. Eine Einschränkung gilt nur mit Blick darauf, dass es sich um vertragsmäßige, betriebsnotwendige Kosten handelt, deren Bemessung letztlich nicht zu einem Verstoß gegen das kommunalabgabenrechtliche Äquivalenzprinzip führt (vgl. OVG NRW, Urt. v. 15.12.1994 – 9 A 2251/93).

Die beklagte Stadt erstattete der städtischen Gesellschaft (einer Aktiengesellschaft) die anfallenden Selbstkosten für die vertraglich vereinbarte Betriebsführung im Rahmen der Abwasserbeseitigung auf der Grundlage der hierfür jeweils geltenden Rechtsvorschriften. Bei diesen Rechtsvorschriften handelte es sich – so das OVG NRW – im Zeitpunkt der Kalkulation um die Verordnung PR Nr. 30/53 in der Fassung von Art. 340 der Verordnung vom 29.10.2001 (BGBl I, S. 2785, S. 2857) in Verbindung mit den in der Anlage hierzu aufgestellten Leitsätzen für die Preisermittlung (die sog. LSP). Da es sich bei den von der städtischen Gesellschaft erbrachten Leistungen im Rahmen der öffentlichen Abwasserbeseitigung nicht um marktgängige Leistungen handelt, durfte nach dem OVG NRW gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 3 und 4 der Verordnung PR Nr. 30/53 auch ein Betriebsentgelt in der Höhe von Selbstkostenerstattungspreisen – wie vertraglich festgelegt – gefordert werden.

Nicht in voller Höhe ansatzfähig war nach dem OVG NRW aber der sog. kalkulatorische Gewinn für das allgemeine Unternehmerwagnis, der mit 3 % der Nettoselbstkosten in das Betriebsentgelt eingerechnet worden war. Zwar gehört dieser Zuschlag als Teil des Fremdleistungsentgelts grds. zu den betriebsnotwenigen Kosten. Es sei jedoch – so das OVG NRW - nicht betriebsnotwendig, soweit er 1 % der Nettoselbstkosten überschreitet, weil er sich insoweit nicht mehr im Rahmen des preisrechtlich Zulässigen hält. Das allgemeine Unternehmerwagnis, das nach den Nr. 48 Abs. 1, 51 a) LSP im kalkulatorischen Gewinn mit abgegolten wird, deckt nach dem OVG NRW die Wagnisse ab, die das Unternehmen als Ganzes gefährden, die in seiner Eigenart, in den besonderen Bedingungen des Wirtschaftszweiges oder in wirtschaftlicher Tätigkeit schlechthin begründet sind (vgl. Nr. 47 Abs. 2 LSP).

Der Ansatz für diese Position soll – so das OVG NRW – auf lange Sicht die Existenz des Unternehmens gegen die Gefahren und Risiken sichern, die mit der unternehmerischen Tätigkeit verbunden sind. Zum allgemeinen Unternehmerwagnis gehörten z.B. Wagnisse, die aus der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entstehen, etwa Konjunkturrückgänge, plötzliche Nachfrageverschiebungen, Geldentwertungen, technische Fortschritte. Aus dem allgemeinen Unternehmerwagnis müssen im Übrigen die Aufwendungen gedeckt werden, die nach dem LSP nicht zu den Kosten gehören (vgl. hierzu auch OVG NRW, Urt. v. 04.10.2001 – 9 A 2737/00 – NVWZ-RR 2002, S. 684 f.).

Nicht hierzu gehört nach dem OVG NRW das Risiko von vorzeitigen Ausfällen im Kanalnetz. Dieses zählt nicht zum allgemeinen Unternehmerwagnis, sondern stellt sich als Einzelwagnis i.S.v. Nr. 47 Abs. 3 LSP dar. Denn hier liegt eine mit der Leistungserstellung in einem einzelnen Tätigkeitsgebiet des Betriebs verbundene Verlustgefahr einzelner Anlagegüter. Sie könne deshalb nicht im Rahmen des Zuschlags für das allgemeine Unternehmerwagnis berücksichtigt werden.

Zur Beurteilung, in welcher Höhe ein kalkulatorischer Zuschlag für das allgemeine Unternehmerwagnis angemessen sei, habe das OVG NRW in seiner Rechtsprechung bislang berücksichtigt, in welchem Umfang die Kommune an dem tätig werdenden Unternehmen beteiligt und welcher Anteil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vom Gebührenbereich abgedeckt sei.

Nach erneuter Überprüfung halte das OVG NRW diese Gesichtspunkte für die Frage der Bemessung eines angemessenen Wagniszuschlages nicht mehr für entscheidungserheblich. Auch wenn der Zuschlag auf lange Sicht vor Gefahren schützen soll, die das Unternehmen als Ganzes gefährden, so sei er doch nur in einem Umfang gerechtfertigt, in dem ein gesamtwirtschaftliches Risiko bestehe. Soweit langfristige Vertragsverhältnisse für das Unternehmen – unabhängig vom Umfang der Beteiligung des öffentlichen Trägers – nahezu ohne Risiko ausgestaltet sind, wird das Unternehmen nach dem OVG NRW auch nicht als Ganzes gefährdet. Im vorliegenden Fall sei das Risiko gering, weil ein Selbstkostenerstattungspreis zwischen der Stadt und dem städtischen Unternehmen vereinbart sei. Insoweit bestehe kaum ein Risiko, dass die Stadt dieser Verpflichtung nicht nachkomme, insbesondere dass der städtischen Gesellschaft tatsächlich nicht die Mittel zur Verfügung stehen, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Abwasserbeseitigung benötigt werden. Denn die Stadt kann sich ihrer gesetzlichen Pflichtaufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung, für deren Durchführung sie sich der städtischen Gesellschaft nur im Innenverhältnis bedient, nicht entziehen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheint – so das OVG NRW - das verbleibende allgemeine unternehmerische Risiko mit 1 % der Nettoselbstkosten angemessen bewertet.

Nach dem OVG NRW lassen auch steuerrechtliche Erfordernisse eine andere Beurteilung nicht zu. Der Ansatz eines Wagniszuschlages von nur 1 % der Selbstkosten führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftssteuergesetz, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung nach dem OVG NRW angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH, Urteile vom 28.01.2004 – Az.: I R 87/02 -, BFHE 205, 181, 183 und vom 10.07.1996 – I R 108 – 109/95 -, BFHE 181, 277, 278 f.). Diese Voraussetzungen liegen bei der Bemessung des Wagniszuschlags entsprechend dem jeweiligen Risiko nach dem OVG NRW schon deshalb nicht vor, weil nach dem einschlägigen Preisrecht ein höherer Wagniszuschlag auch gegenüber einem nicht an der Gesellschaft beteiligten öffentlichen Auftraggeber nicht berechnet werden dürfte. Genauso wenig verstößt die Geschäftsführung nach dem OVG NRW mit der Vereinbarung eines dem Preisrecht entsprechenden Wagniszuschlags gegen ihre aktiv rechtliche Pflicht zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Aktiengesetz).

Az.: II/2 24-21/33-10

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