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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 167/2012 vom 24.02.2012
Oberverwaltungsgericht NRW zum Anschluss- und Benutzungszwang
Das OVG NRW hat sich mit Beschluss vom 10.02.2012 (Az. 15 A 2020/11) erneut mit der Frage auseinander gesetzt, wann ein Grundstückseigentümer sein Grundstück an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anschließen muss.
Zunächst bestätigt das OVG NRW abermals seine Rechtsprechung, dass der Anschluss eines Grundstücks an den öffentlichen Schmutzwasserkanal sich bereits daraus rechtfertigt, dass die zentralisierte Beseitigung des Schmutzwassers durch die Gemeinde einen maßgeblichen Gesichtspunkt der Volksgesundheit darstellt, weil sich dadurch die Überwachung der Funktionstüchtigkeit einer Vielzahl von Kleinkläranlagen erübrigt und bei festgestellten Missständen auch keine Anordnungen mehr getroffen werden müssen. Dadurch werde die Sicherheit der Schmutzwasserbeseitigung erhöht, was der Volksgesundheit diene.
Weiterhin weist das OVG NRW erneut auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach selbst bei Kosten in Höhe von 25.000,- Euro je Wohnhaus für den Anschluss eines Grundstücks an den öffentlichen Kanal die Zumutbarkeitsschwelle noch nicht überschritten ist, wobei mit diesen Kosten diejenigen des Anschlusses ohne Kanalanschlussbeitrag gemeint sind. In dem konkret zu entscheidenden Fall lagen die Anschlusskosten für das Grundstück an den öffentlichen Schmutzwasserkanal bei 7.500,- Euro, so dass die Schwelle von 25.000,- Euro deutlich unterschritten war.
Nach dem OVG NRW stand dem Anschluss des klägerischen Grundstücks an den öffentlichen Abwasserkanal auch nicht entgegen, dass dieser in einem fremden Grundstück vor dem klägerischen Grundstück verlegt war. Insoweit unterlag das klägerische Grundstück — so das OVG NRW — gleichwohl dem Anschluss- und Benutzungszwang, weil die öffentliche Abwasserleitung nach der Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde lediglich in unmittelbarer Nähe des Grundstücks oder auf dem Grundstück verlaufen müsse, um den Anschluss- und Benutzungszwang zu begründen.
Dieses sei auch dann zu bejahen, wenn über einen öffentlichen oder privaten Weg ein Zugang zu dieser öffentlichen Abwasserleitung bestehe. Das klägerische Grundstück grenze hier unmittelbar an ein fremdes Grundstück an, auf dem die zur öffentlichen Kanalisation zählende öffentliche Druckentwässerungsleitung verlegt worden sei. Von diesem Grundstück sei auch ein Grundstücksanschluss bis zur Grenze des klägerischen Grundstücks herangeführt worden.
Die öffentliche Druckentwässerungsleitung sei auch hinreichend rechtlich abgesichert. Insoweit folgt das OVG NRW der Rechtsauffassung des Klägers nicht, wonach es für die gesicherte Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage einer entsprechenden dinglichen Absicherung bedarf (vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 26.11.2010 — Az. 15 E 1291/10). Diese Rechtsprechung sei — so das OVG NRW - in dem zu entscheidenden Fall nicht einschlägig und deshalb nicht anzuwenden.
Die öffentliche Druckentwässerungsleitung vor dem klägerischen Grundstück in dem dort befindlichen fremden Grundstück sei Teil der öffentlichen Abwasseranlage, weil sie als solche jedenfalls durch den angegriffenen Bescheid über den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage konkludent (schlüssig) zum Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage gewidmet worden sei. Einer ausdrücklichen oder gar förmlichen Widmung bedürfe es nicht. Für die Annahme der erforderlichen Widmung müsse lediglich der (nach außen wahrnehmbare) Wille der Stadt erkennbar sein, die fragliche (abwassertechnische) Anlage als Teil der gemeindlichen Entwässerungsanlage in Anspruch nehmen zu wollen. Dieses sei vorliegend der Fall, denn die beklagte Stadt habe den Kläger in dem angegriffenen Bescheid aufgefordert, den Anschluss an die öffentliche Druckleitung vorzunehmen (vgl. zur konkludenten Widmung auch: OVG NRW, Beschluss vom 13.05.2011 — Az. 15 A 2825/10).
Es sei auch unerheblich, dass sich der Eigentümer des fremden Grundstücks vor dem Grundstück des Klägers zwischenzeitlich nicht mehr an den mit der beklagten Stadt geschlossenen Bauerlaubnisvertrag für die öffentliche Abwasserleitung bezogen auf sein Grundstück gebunden sehe. Denn dieses ändere nichts an der Wirksamkeit der für den Betrieb einer Entwässerungsstrecke als öffentliche Einrichtung erforderlichen Widmung.
Für die Wirksamkeit der Widmung von Entwässerungsleitungen und damit für deren Einbeziehung in die öffentliche Abwasseranlage ist — so das OVG NRW — weder erforderlich, dass die einzubeziehenden Strecken im Eigentum der Gemeinde stünden, noch das der jeweilige Eigentümer der einbezogenen Flächen, die zur Rechtmäßigkeit der Widmung notwendige Zustimmung erteilt habe. Sogar eine ggf. rechtswidrige Widmung sei wirksam (vgl. § 43 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW), die Wirksamkeit einer Widmung hänge also nicht von ihrer Rechtmäßigkeit ab (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 13.05.2011 — Az. 15 A 2825/11).
Die öffentlich-rechtliche Widmung der Druckentwässerungsleitung werde auch nicht durch eine wie auch immer geartete „Anfechtung“ oder „Kündigung“ bzw. durch einen „Widerruf“ des Bauerlaubnisvertrages durch den Eigentümer des Grundstücks auf zivilrechtlichen Weg beseitigt. Hierfür wäre ein verwaltungsrechtliches bzw. verwaltungsgerichtliches Vorgehen gegen die Widmung durch den Eigentümer des Grundstücks erforderlich, in dessen Grundstück der öffentliche Kanal verlegt worden sei.
Hierfür fehlten aber nicht nur jegliche Anhaltspunkte, sondern der vorgenannte Eigentümer würde sich mit seiner Anfechtung der Widmung auch in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten stellen, da er nach seiner vom Kläger vorgelegten Erklärung vom 28.11.2011 nachhaltig Einfluss auf die heutige Beschaffenheit der in Rede stehenden öffentlichen Druckentwässerungsleitung genommen und danach den auf ihn entfallenen Anschlussbeitrag geleistet hat.
Im Übrigen sei die Widmung auch wegen Rechtswidrigkeit nicht aufgehoben worden, so dass beim Fortbestand der Widmung ein Anschluss- und Benutzungszwang des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Abwasseranlage bestehe.
Az.: II/2 24-30 qu-ko