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StGB NRW-Mitteilung 269/2006 vom 16.03.2006
Oberverwaltungsgericht NRW zum Zwangsdurchleitungsrecht
Das OVG NRW hat in einem erst jetzt bekannt gewordenen Beschluss vom 21.1.2005 (Az.: 20 A 157/04) sich nochmals grundlegend mit dem Zwangsdurchleitungsrecht nach § 128 LWG NRW befasst. Nach § 128 LWG NRW kann eine Gemeinde bei der unteren Wasserbehörde beantragen, dass ein privater Grundstückseigentümer durch eine Duldungsverfügung aufgefordert wird, die Verlegung eines öffentlichen Kanals über sein Privatgrundstück zu dulden.
Voraussetzung hierfür ist nach § 128 Abs. 1 LWG NRW i.V.m § 125 Abs. 2 LWG NRW (Hinweis: § 125 Abs. 2 LWG NRW gilt über § 128 Abs. 3 LWG NRW sinngemäß), dass das Unternehmen (gemeint ist: die Verlegung des öffentlichen Kanals auf dem Privatgrundstück) anders nicht zweckmäßiger oder nur mit erheblichen Mehraufwand durchgeführt werden kann sowie der von dem Unternehmen zu erwartende Nutzen den Schaden der Betroffenen erheblich übersteigt und das Wohl der Allgemeinheit nicht entgegensteht.
Das OVG NRW führt in seinem Beschluss vom 21.1.2005 (Az.: 20 A 157/04) aus, die Voraussetzungen für ein Zwangsdurchleitungsrecht nach § 128 LWG NRW Zweckmäßigkeit oder Mehraufwand als sog. unbestimmte Rechtsbegriffe stünden in einem Alternativverhältnis zueinander, so dass die Befugnis der Behörde, den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten zur Duldung zu verpflichten, bereits dann eröffnet sei, wenn eines der beiden Merkmale (Zweckmäßigkeit oder Mehraufwand) - uneingeschränkt und anhand objektiver Maßstäbe überprüft - gegeben sei.
Ferner weist das OVG NRW darauf hin, dass ein öffentlicher Kanal, der über ein privates Grundstück verlegt wird, zweckmäßiger sei, als ein Privatkanal (privater Anschlusskanal über ein fremdes Grundstück an die öffentlichen Abwasseranlage), weil wegen der im konkreten Fall unübersehbar gegebenen nachbarlichen und familiären Unstimmigkeiten die für eine geordnete Bebauung notwendige ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung durch einen Anschlusskanal in privater Hand typischerweise nicht annähernd gewährleistet werden könne.
Schließlich weist das OVG NRW darauf hin, dass die Duldungspflicht nach § 128 Abs. 1 LWG NRW keine auf eine bestimmte Person bezogene Pflicht ist. Vielmehr obliege die Duldungspflicht nach § 128 Abs. 1 LWG NRW dem jeweiligen Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigten als solchen im Hinblick auf das Grundstück. Bei der Duldungspflicht handele es sich um eine das Grundstück selbst erfassende öffentliche Last (vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.1993 Az.: 20 A 1886/91 - . ZfW 1994, S. 294 = NWVBl. 1993, 428 = DÖV 1994, 703). Diese Last werde durch die behördliche Anordnung im Einzelfall lediglich gegenüber dem jeweiligen Berechtigten aktualisiert und konkretisiert. Vor diesem Hintergrund sei es deshalb unbeachtlich, dass die ehemalige Grundstückseigentümerin als Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zwischenzeitlich verstorben sei.
Ergänzend weist die Geschäftsstelle auf folgendes hin:
Das Zwangsdurchleitungsrecht nach § 128 LWG NRW wird nach der Rechtsprechung des OVG NRW (vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.1993 Az.: 20 A 1886/91 - . ZfW 1994, S. 294 = NWVBl. 1993, 428 = DÖV 1994, 703) nicht als Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG), sondern als verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) eingeordnet. Nach dem OVG NRW wird über § 128 Abs. 1 LWG NRW zum Nachteil der erfassten Grundstücke eine im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 GG stehende öffentliche Last begründet. Diese Last lässt sich damit rechtfertigen, dass die begünstigten Unternehmen der Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung wasserwirtschaftlichen Zielen dienen, von denen bei typisierender Betrachtung jeder Grundstückseigentümer profitiert, weil er auf eine funktionierende Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung angewiesen ist.
Das OVG NRW hat in seinem Urteil vom 25.02.1993 ( Az.: 20 A 1886/91 - . ZfW 1994, S. 294 = NWVBl. 1993, 428 = DÖV 1994, 703) gleichwohl deutlich herausgestellt, dass im Umfang der Beeinträchtigung seines Grundstücks durch das Zwangsdurchleitungsrecht dem Grundstückseigentümer eine Entschädigung zu steht, die einer Enteignungsentschädigung nahe kommt und deshalb geeignet ist, die Einbußen als zumutbar erscheinen zulassen. Das Zwangsdurchleitungsrecht ist bei diesem Verständnis nach dem OVG NRW kein Enteignungsakt, sondern eine Regelung, die den betroffenen Grundstückseigentümer gegen Entschädigung in rechtlich vorgegebene Schranken verweist (vgl. zu diesem gesichtspunkt: BVerwG, Urteil vom 15.2.1990 Az.: 4 C 47.89 - , NJW 1990, S. 2572,2574).
Abschließend wird seitens der Geschäftsstelle darauf hingewiesen, dass § 128 Abs. 1 LWG NRW nicht nur das unterirdische Durchleiten, sondern seinem ausdrücklichen Wortlaut nach sowohl das unterirdische als auch das oberirdische Durchleiten von Abwasser (Schmutzwasser und Regenwasser i.S.d. § 51 Abs. 1 LWG NRW) sowie die Unterhaltung der Leitungen umfasst.
Az.: II/2 24 - 30 qu/g