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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 438/2001 vom 05.07.2001
Oberverwaltungsgericht NRW zur Abfallgebühr des Kreises
Das OVG NRW hat mit Urteil vom 14.02.2001 (Az.: 9 A 881/98) entschieden, daß ein Landkreis gegenüber den kreisangehörigen Städten und Gemeinden als Benutzer seiner Entsorgungseinrichtung eine Einheitsgebühr im Hinblick auf alle Abfallentsorgungsteilleistungen (u.a. Restmüllentsorgung, Sperrmüllentsorgung, Entsorgung von Altkühlgeräten) erheben kann. Es erscheine besonders schwierig, wenn nicht sogar unmöglich - so das OVG NRW - insbesondere das tatsächliche Maß der Inanspruchnahme des Abfallentsorgungspaketes des Kreises seitens jeder einzelnen Kommune zu bemessen. Wenn der betreffende Landkreis es vor diesem Hintergrund für wirtschaftlich nicht vertretbar halte, für die von den Städten und Gemeinden getrennt angelieferten Abfallsorten jeweils eine gesonderte Entsorgungsgebühr über einen gesonderten Gebührenmaßstab zu bilden, und vielmehr diese Abfallsorten über den gewählten Einheitsmaßstab miterfasse, so lasse diese Entscheidung des Kreises einen Ermessensfehler nicht erkennen.
Mit ihrer Klage wandte sich die kreisangehörige Gemeinde insbesondere dagegen, daß auch die Kosten für die Bioabfallverwertung über die Einheitsgebühr abgerechnet wurden. Hierdurch würden diejenigen Städte und Gemeinden im Landkreis mit hohen Bioabfallmengen gegenüber den anderen kreisangehörigen Gemeinden einen finanziellen Vorteil erhalten. Im übrigen sei die Querfinanzierung über die Einheitsgebühr unzulässig.
Dieser Argumentation folgte das OVG NRW nicht. Die Nichtberücksichtigung der Nichtanlieferung von Bioabfällen durch die klagende kreisangehörige Gemeinde mußte - so das Gericht - durch den beklagten Kreis nicht berücksichtigt werden. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgrundsatz) vor. Danach dürfe wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleichbehandelt werden. Die Grenze zur Willkür sei jedoch erst überschritten, wenn kein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung sich finden lasse. Solche sachlichen Gründe könnten sich aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und der Typengerechtigkeit ergeben.
Der sog. Grundsatz der Typengerechtigkeit gestatte im vorliegenden Fall dem Landkreis die verallgemeinernde und pauschalierende Anknüpfung an die Regelfälle eines (bestimmten) Sachbereichs. Die getrennte Erfassung und Entsorgung des Bioabfalls im Kreisgebiet sei im Jahr 1996 erst im Aufbau begriffen gewesen. Der Anteil der Bioabfallentsorgungskosten an den Gesamtkosten liege lediglich bei 5,69 %. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz hinnehmbar. Um in der Bevölkerung des gesamten Kreisgebietes die Akzeptanz für die getrennte Erfassung und Verwertung des Bioabfalls zu erhöhen und dadurch den Prozeß der flächendeckenden Einführung der Biotonne zu beschleunigen, sei der Kreis außerdem berechtigt gewesen, jedenfalls in der Einführungsphase und solange noch keine abschließenden Erfahrungen vorgelegen hätten, das gesamte Kreisgebiet als einheitliches Experimentiergebiet zu behandeln. Er sei daher nicht gehalten gewesen, im Hinblick auf mögliche oder absehbare unterschiedliche Geschwindigkeitsstufen bei der Einführung der Biotonne diesem Umstand Rechnung zu tragen und für solche Fälle durch Einführung gesonderter Gebührenmaßstäbe, d.h. durch eine gesonderte Kreisgebühr für die Bioabfallverwertung, Vorsorge zu treffen.
Im übrigen weist das OVG NRW darauf hin, daß auch Landkreise mit Blick auf § 9 Abs. 2 Satz 3 Landesabfallgesetz NRW angehalten sind, Anreize zur Abfallvermeidung und -verwertung zu schaffen. Der gewählte einheitliche Gebührenmaßstab sei geeignet auf Kreisebene - nämlich bei den angeschlossenen Städten und Gemeinden - Anreize zur Verwertung von Abfällen, d.h. zur getrennten Erfassung, Einsammlung und Beförderung verwertbarer Abfallsorten, zu schaffen. Je mehr Grünabfall, Bioabfall und andere Abfallarten eine kreisangehörige Gemeinde in ihrem Bereich getrennt einsammele und getrennt bei den Abfallbehandlungs- und Verwertungseinrichtungen des Kreises abliefere, desto geringer sei die angelieferte Restmüllmenge. Insbesondere sei die vollständige Freistellung der angelieferten Bioabfallmengen von jeglicher Gebührenzahlungspflicht geeignet, die Städte und Gemeinden zu veranlassen, möglichst schnell geeignete Strukturen zu Erfassung, Einsammlung und Beförderung dieser Abfallart aufzubauen.
Weiterhin weist das Gericht darauf hin, daß die klagende Gemeinde aufgrund des vom Kreis gewählten Maßstabs der Quersubventionierung des Bioabfalls auch nicht gehindert sei, die Kosten der Biotonne in ihrer Abfallentsorgungseinrichtung vor Ort entweder über eine Sondergebühr abzurechnen oder die Eigenkompostierer von den Kosten der Biotonne freizustellen. Die Abfallgebührensatzung des Kreises und der dort gewählte Maßstab würden nur das Verhältnis zwischen dem Kreis und den angeschlossenen Städten und Gemeinden betreffen. Der klagenden kreisangehörigen Gemeinde bleibe es unbenommen, im Rahmen ihrer Gebührensatzung für die Benutzung der von ihr betriebenen Abfallentsorgungseinrichtung (Einsammeln und Befördern von Abfällen) gegenüber den angeschlossenen Einwohnern und Gewerbetreibenden andere Maßstäbe festzulegen. Da der klagenden kreisangehörigen Gemeinde zudem die Gebührenkalkulation des Kreises bekannt sei, könne sie die dort für bestimmte Abfallarten ausgewiesenen Sonderbehandlungskosten den von ihr nach anderen Maßstäben gebildeten Teilleistungsbereichen ohne weiteres zuordnen.
Schließlich nimmt das OVG NRW in seinem Urteil vom Urteil vom 14.02.2001 (Az.: 9 A 881/98) auch zur Erhebung von Vorausleistungen auf die Abfallgebühr nach § 6 Abs. 4 KAG NRW Stellung. Das Gericht weist darauf hin, daß grundsätzlich in der Gebührensatzung neben dem Vorausleistungssatz auch der eigentliche Gebührensatz geregelt sein muss, weil dieser nach § 2 KAG NRW unverzichtbare Voraussetzung in einer Gebührensatzung ist. Gleichwohl hat das OVG NRW unter Berücksichtigung der Umstände im konkreten Einzelfalls gebilligt, daß bei gesetzeskonformer Auslegung die in der Gebührensatzung des Kreises festgelegten Vorausleistungssätze zugleich auch als Höchstsätze für den endgültigen Gebührensatz angesehen werden können. Hintergrund war insoweit, daß die Gebührensätze in der zeitlich später erlassenen Festsetzungssatzung die gleiche Höhe hatten wie die Vorausleistungssätze in der Abfallgebührensatzung. Die Geschäftsstelle empfiehlt gleichwohl zur Vermeidung von unnötigen Prozeßrisiken bei der Erhebung von Vorausleistungen nach § 6 Abs. 4 KAG NRW nicht nur den Vorausleistungssatz, sondern zusätzlich einen Gebührensatz in der Gebührensatzung zu regeln, damit den Vorgaben des § 2 KAG NRW uneingeschränkt Rechnung getragen wird.
Az.: II/2 33-10