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StGB NRW-Mitteilung 224/2006 vom 23.03.2006
Oberverwaltungsgericht NRW zur Bevorzugung von Wohnortschülern
Eine in den letzten Jahren häufig problematisierte Thematik ist die Aufnahme auswärtiger Kinder in die Schulen. Durch die bestehende Rechtslage kann es zu der für die Gemeinden unerfreulichen Situation kommen, dass es bei Erreichen der Kapazitätsgrenze einer einzelnen Schule dazu kommt, dass Gemeindekinder abgelehnt werden müssen, weil auswärtige Kinder einen Anspruch auf den Besuch der Schule im gleichen Maße haben.
Gesetzliche Grundlage für die oben beschriebene Problematik ist § 46 Abs. 3 Schulgesetz (SchulG, früher: § 28 Abs. 2 SchVG). Danach darf Schülerinnen und Schülern, die in ihrer Gemeinde eine Schule der gewünschten Schulform nicht besuchen können, die Aufnahme in die Schule einer anderen Gemeinde nicht deshalb verweigert werden, weil die Eltern dort nicht wohnen.
Über die Auslegung der genannten Norm gab es bislang unterschiedliche Auffassungen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSW NRW) und des Städte- und Gemeindebundes NRW. Das MSW NRW vertritt die Auffassung, der Ablehnungsgrund der Kapazitätserschöpfung gelte gleichermaßen für einheimische und auswärtige Schüler. Das Ministerium beruft sich dabei auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und auf § 46 Abs. 3 SchulG, der keine Differenzierung zwischen Gemeindekindern und auswärtigen Schülern vorsehe.
Der Städte- und Gemeindebund NRW hatte bislang die Auffassung vertreten, dass sich ein Recht zur Bevorzugung einheimischer Schüler bei der Aufnahme auf eine Schule immanent aus § 46 Abs. 3 SchulG ergebe. Dafür spreche zum einen, dass § 46 Abs. 3 SchulG eine Sondervorschrift zu § 8 Gemeindeordnung (GO) darstelle. Diese Vorschrift gewährt allen Einwohnern einer Gemeinde ein subjektiv öffentliches Recht, die Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Der § 46 Abs. 3 SchulG durchbricht diesen Grundsatz damit, dass er unter bestimmten Voraussetzungen auch gemeindefremden Schülern ein Recht auf Besuch der öffentlichen Einrichtung Schule eröffnet. Aus dem Ausnahmecharakter der Norm folge aber zugleich, dass diese eng auszulegen sei.
Das OVG (Urteil vom 24.01.06, Az.: 15 A 378/04) hatte nun über einen Fall zu befinden, in dem der Rat einer Gemeinde beschlossen hatte, einen Aufnahmeanspruch für einheimische Schülerinnen und Schüler bis hin zu einer Grenze von 75 % der insgesamt in die Jahrgangsstufe 5 aufzunehmenden Kinder zu schaffen. Die Gemeinde wehrte sich mit ihrer Klage gegen die Aufhebungsverfügung der Aufsichtsbehörde hinsichtlich dieses Beschlusses.
Die Aufsichtbehörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung an, der Beschluss sei nicht durch § 46 Abs. 1 SchulG (früher: § 5 Abs. 2 ASchO) gedeckt. Nach dieser Regelung dürfe der Schulträger für das Aufnahmeverfahren lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen. Daraus ergebe sich für den Schulträger allerdings nicht das Recht, zu entscheiden, welche Schüler die Gemeindeschulen besuchen dürften. Außerdem verstoße der Beschluss gegen § 46 Abs. 3 SchulG, der es verbiete, auswärtige Schuler bei einer nicht vorhandenen Wahlschule in deren Wohnort von der Aufnahme auszuschließen. Damit sei zudem gravierend in das Recht des Schulleiters eingegriffen worden, die Aufnahmeentscheidungen zu treffen.
Die betroffene Gemeinde führte dagegen im Wesentlichen aus, der allgemeine Rahmen aus § 46 Abs. 1 SchulG erlaube eine Vielzahl von Aufnahmekriterien, unter anderem sei der Wohnsitz ein zulässiges, sachbezogenes Auswahlkriterium. Es trage zudem der Tatsache Rechnung, dass es sich bei der Schule um eine Einrichtung der Gemeinde nach § 8 GO handele, die zu nutzen die Einwohner der Gemeinde einen Anspruch hätten. Diese Erwägungen seien auch bei Errichtung der Schule maßgebend gewesen.
In seinem Urteil kommt das OVG zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Festlegung, nämlich eine vor anderen Auswahlkriterien zu berücksichtigende Quote gemeindeansässiger Schüler vor gemeindefremden Schülern, inhaltlich die Befugnis des Schulträgers, einen allgemeinen Rahmen für die Aufnahme zu setzen, überschreite. Dies ergebe sich aus systematischen Gründen, insbesondere aus der allgemeinen schulrechtlichen Verteilung der Aufgaben zwischen Schulleiter und Schulträger.
Danach sei das allgemein zur Erledigung aller schulischen Aufgaben in schulfachlicher und verwaltungsfachlicher Hinsicht berufene Organ gem. § 59 Abs. 2 und 3 SchulG der Schulleiter, dem § 46 Abs. 1 SchulG auch die Aufnahmeentscheidung zuweise. Der Schulträger sei demgegenüber in seinem Aufgabenbereich auf bestimmte Materien beschränkt, nämlich auf Errichtung, Organisation, Verwaltungsführung und Unterhaltung der Schule. Die Aufnahmequotierung nach gemeindeansässigen und gemeindefremden Schülern gehöre nicht zu diesen Aufgabenbereichen. Insbesondere könnte aus der Zuständigkeit des Schulträgers für die Errichtung der Schule nicht hergeleitet werden, dieser dürfe die im Zeitpunkt der Schulerrichtung vorhandenen Motivationen und Ziele fortlaufend in der Weise weiter verfolgen, dass er sie ohne Anknüpfung an zugewiesene Kompetenzbereiche durch Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Aufnahme von Schülern konkretisieren könne.
Auch könne sich die Gemeinde nicht auf § 8 GO berufen, da die schulrechtlichen Sondervorschriften, insbesondere auch über den Zugang gemeindefremder Schüler, den allgemeinen kommunalrechtlichen Vorschriften vorgingen. Maßgebliches Steuerungsinstrument zur Steuerung der Aufnahme auf die einzelnen Schulen so das OVG seien die Schuleinzugsbezirke und -bereiche nach § 84 SchulG.
Werden auch diese wie von der Landesregierung geplant abgeschafft, so fehlen den Schulträgern unter Berücksichtigung des Urteils des OVG NRW auch im Hinblick auf eine überörtliche Schulentwicklungsplanung jegliche Steuerungsinstrumente.
Die Entscheidung des OVG NW kann von den Mitgliedskommunen bei der Geschäftsstelle angefordert werden.
Az.: IV/2 211-7