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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 390/2007 vom 22.05.2007
Oberverwaltungsgericht NRW zur Einleitung von Abwasser
Das OVG NRW hat sich in einem Urteil vom 20.03.2007 (Az. 15 A 69/05) mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit eine Stadt den Anschlussnehmern satzungsrechtlich Benutzungsbedingungen für den Verschmutzungsgrad des Abwassers vorgeben kann. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betreibt auf einem ihr gehörenden Grundstück zwei Unternehmen, deren eines Arzneimittel und deren anderes Süßwaren (Lakritz, Bonbons) herstellt. Die Produktionsabwässer werden gemeinsam über eine Zuleitung in den städtischen Kanal eingeleitet. Dafür erhielt die Klägerin mit Datum vom 26.11.2001 eine Indirekt-Einleitergenehmigung der unteren Wasserbehörde, die bis zum 31.12.2011 befristet ist und verschiedene Grenzwerte festsetzt, die im einzuleitenden Abwasser nicht überschritten werden dürfen. Ein Grenzwert für den chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) ist nicht festgesetzt. Die beklagte Gemeinde hatte in ihrer Abwasserbeseitigungssatzung für CSB einen Grenzwert von 1000 mg/l (Untersuchungsmethode: DIN 38409 H-41) festgesetzt, die Klägerin wollte Abwasser mit einem CSB-Wert von 5000 mg/l einleiten.
Das OVG stellt in seinem Urteil vom 20.03.2007 fest, dass die satzungsrechtliche Grenzwertfestsetzung wirksam ist. Der Umstand, dass im Rahmen der Indirekt-Einleiter-Genehmigung kein Grenzwert für CSB festgesetzt worden sei, nehme der beklagten Gemeinde nicht die Möglichkeit, in ihrer Abwasserbeseitigungssatzung einen Grenzwert für CSB festzusetzen. Mit der Indirekteinleitungsregelung des § 59 LWG NRW soll – so das OVG NRW - erreicht werden, dass problematische Abwässer noch vor der Behandlung in einer öffentlichen Abwasseranlage schon beim Abwasserproduzenten eine bestimmte Schadstoffkonzentration oder Fracht nicht überschreiten, um damit letztlich den Schadstoff durch Einleitung des in der öffentlichen Abwasseranlage zwar gereinigten, gleichwohl nicht schadstofffreien Abwassern in ein Gewässer zu minimieren. Es handele sich also um ein vorverlagertes Gewässerbenutzungsregime. Demgegenüber rechtfertige sich die Grenzwertfestsetzung in der gemeindlichen Abwasserbeseitigungssatzung aus der Anstaltsgewalt als Ausfluss der Befugnis zum Betrieb der öffentlichen Einrichtung. Diese Anstaltsgewalt umfasse auch die Ermächtigung der Gemeinde, das Benutzungsverhältnis zu regeln (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.10.2002 – Az. 15 B 1355/02 -, NWVBl 2003, Seite 104). Diese Befugnisse stehen nach dem OVG NRW nebeneinander.
Nach dem OVG NRW ist es kein satzungsrechtlicher Bestimmtheits-Mangel, dass von der Gemeinde nur in der Anlage zur Satzung der Parameter CSB als Bezugsgröße angegeben ist, während § 7 Abs. 3 Satz 1 der Abwasserbeseitigungssatzung von den in der Anlage 1 angegebenen Stoffen spricht. Die Anlage zur Satzung ist nach dem OVG NRW – wie der sonstige Satzungstext auch - ranggleiches Satzungsrecht. Daher umfasst der satzungsrechtliche Begriff „Stoff“ auch den Parameter CSB aus der Anlage zur Satzung, weil der Parameter CSB einem Indikator für oxidierbare Inhaltsstoffe, insbesondere organische Kohlenstoffe darstellt. Auch der Verweis in der Anlage auf die Untersuchungsmethode DIN 38409 H-41 widerspricht nach dem OVG NRW nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Danach müsse eine Norm in ihren Voraussetzungen und in ihrer Rechtsfolge so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten könnten (vgl. Bundesverfassungsrecht, Urteil vom 12.04.2005 – 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304, 315). Zwar könne aus Gründen des rechtsstaatlichen Publizitätsgebots eine DIN-Regelung nicht durch eine satzungsrechtliche Inbezugnahme zum Inhalt des Satzungsrechtes werden (vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.05.2006 – Az. 15 A 4247/03 -, NWVBl 2006, Seite 461 zu einer Satzungsregelung, die den Einbau eines Kontrollschachtes vorschreibt, wenn dies nach DIN-Vorschrift erforderlich ist.) Darum geht es aber nach dem OVG NRW hier nicht. Die genannte DIN-Vorschrift wird nicht durch Inbezugnahme zum Satzungsrecht erhoben, sondern der Hinweis ist eine Kurzbezeichnung für eine bestimmte Untersuchungsmethode zur Bestimmung des CSB-Wertes. Insoweit stellt sich nach dem OVG NRW hier nicht die Frage rechtstaatlicher Publizität, sondern wiederum die der rechtstaatlichen Bestimmtheit. Das Bestimmtheitsgebot verbietet nach OVG NRW grundsätzlich aber nicht, in Rechtsvorschriften Fachbegriffe zu benutzen, die der Allgemeinheit unverständlich sind. Maßgebend dafür, ob das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot durch die Verwendung von der Allgemeinheit unbekannten Fachbegriffen verletzt wird, sei, ob der Fachbegriff gerade für den Kreis der Rechtsvorschriften-Adressaten verständlich sei. Hier wende sich die satzungsrechtliche Rechtsvorschrift an Abwassereinleiter, die wegen der besonderen, von der Beschaffenheit üblicher Haushaltsabwässer abweichenden Eigenschaften ihres Abwassers den CSB-Wert feststellen wollen. Dieses könnten die Adressaten der satzungsrechtlichen Rechtsvorschrift nur – soweit ihnen die eigene Sachkunde fehlt – durch Einschaltung sachkundiger Personen, hier durch Chemiker oder jedenfalls chemietechnisch ausgebildete Personen. Diesem Personenkreis sei aber klar, welche Untersuchungsmethode mit der genannten DIN-Regelung gemeint sei. Daher bestünden gegen die Regelung unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Bestimmtheit keine Bedenken.
Auch die im Übrigen von der Klägerin monierten Unbestimmtsheitsgründe sieht das OVG NRW als nicht einschlägig an: Die Grenzwertvorgabe müsse an der Einleitungsstelle eingehalten werden, wie es in der Abwasserbeseitigungssatzung („Abwasser darf nur eingeleitet werden, wenn die….Grenzwerte….eingehalten werden“) formuliert sei. Daraus Folge zwanglos, dass die Probe an einer Stelle entnommen werden müsse, die einen sicheren Rückschluss auf die Einhaltung der Grenzwerte an der Einleitungsstelle erlaube, also wenn möglich an der Einleitungsstelle selbst oder an einer Stelle, von der bis zur Einleitungsstelle nicht mit einer Wertveränderung zu rechnen sei, hinter der also insbesondere keine weiteren Einleitungen stattfinden würden. Solche Selbstverständlichkeiten bedürften keiner ausdrücklichen Normierung. Schließlich begegnet nach dem OVG NRW auch die Anordnung in der Anlage „aus der Stichprobe“ keinen Bedenken. Der satzungsrechtlich geregelte Grenzwert stelle keinen gemittelten Grenzwert aus mehreren Proben dar, sondern einen Absolutwert: Abwasser an der Einleitungsstelle mit einem CSB-Wert über 1000 mg/l soll nicht ohne eigenständige Erlaubnis der Gemeinde eingeleitet werden dürfen. Der Ausschluss dieser Abwässer betreffe allerdings nur das so kontaminierte Abwasser des Benutzers, nicht etwa jedwede weitere Einleitung dieses Benutzers.
Auch der Sache nach sei die Festlegung des Grenzwertes auf 1000 mg/l unbedenklich. Grundsätzlich liege die Festsetzung der Benutzungsbedingungen für eine gemeindliche Einrichtung im Ermessen der Gemeinde. Die Festsetzung des Einleitungsgrenzwertes von 1000 mg/l CSB sei sachlich gerechtfertigt, weil sie sich daran orientiere, dass die gemeindliche Kläranlage in erster Linie zur Reinigung häuslicher und kommunaler Abwässer bestimmt sei, also von Abwasser, das im Wesentlichen aus Haushalten oder ähnlichen Einrichtungen oder Anlagen mit haushaltsentsprechendem Abwasser stamme oder das zwar aus gewerblicher oder landwirtschaftlichen Anlagen stamme, aber dessen Schädlichkeit mittels biologischer Verfahren mit gleichem Erfolg wie bei häuslichem Abwasser verringert werden könne. Daher sei es sachgerecht, Abwässer grundsätzlich dann von der Einleitung auszuschließen, wenn seine Zusammensetzung sich deutlich von dem häuslichen Abwassers unterscheide. Das gleiche gelte auch für den CSB-Wert als Parameter für die chemisch oxidierbaren, insbesondere organischen Inhaltsstoffe des Abwassers. Häusliches Abwasser weise durchschnittlich einen CSB-Wert von 600 mg/l auf. Mit dem hier in Rede stehenden Grenzwert von 1000 mg/l, der um 2/3 über dem Durchschnitt CSB-Wert vom häuslichen Abwasser liege, werde somit Abwasser gekennzeichnet, das sich von den oxidierbaren Inhaltsstoffen wieder so deutlich von dem Abwasser unterscheidet, für das die Kläranlage bestimmt sei, so dass es gerechtfertigt sei, die Einleitung nicht ohne besondere Zulassung der Gemeinde zu erlauben, also ein grundsätzliches Einleitungsverbot auszusprechen.
Az.: II/2 24-30 qu/ko