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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 613/2009 vom 20.11.2009
Oberverwaltungsgericht NRW zur Gebührenpflicht der Straßenbaulastträger
Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 16.11.2009 (Az. 9 A 2045/08) die Entscheidung des VG Düsseldorf (Urteil vom 16.06.2008 — Az. 5 K 2746/08) bestätigt, wonach die beklagte Stadt berechtigt war, einen Vertrag über die Straßenoberflächenentwässerung mit dem Straßenbaulastträger (hier: Landesbetrieb Straßen NRW) zu kündigen.
Nach dem OVG NRW hat das VG Düsseldorf in seinem Urteil vom 16.06.2008 (Az. 5 K 2746/08) rechtlich einwandfrei festgestellt, dass die beklagte Stadt berechtigt war, den Vertrag mit dem Straßenbaulastträger aus dem Jahr 1961 zu kündigen (siehe hierzu ausführlich: Mitt. StGB NRW September 2008 Nr. 568).
Das VG Düsseldorf hat — so das OVG NRW - zutreffend ausgeführt, dass der beklagten Stadt eine Vertragsanpassung nicht zuzumuten gewesen sei, weil sich der Straßenbaulastträger den Anpassungsbemühungen der beklagten Stadt verschlossen und keine (ernstliche) Bereitschaft gezeigt habe, die bestehende grobe Äquivalenzstörung im Vertragsverhältnis zu beheben. Es könne dabei dahin stehen — so das OVG NRW — ob bereits ein die grobe Äquivalenzstörung begründender Umstand geeignet sei, auf die Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung zu schließen. Denn jedenfalls habe die beklagte Stadt mit Schreiben vom 24.01.2005 ein ausdrückliches und konkretes Anpassungsverlangen an den Straßenbaulastträger gerichtet, dem sich dieser verschlossen habe. Rechtlich handele es sich bei einem Anpassungsverlangen um die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Änderungsvertrages. Mehr müsse die beklagte Stadt nicht tun.
Weiterhin weist das OVG NRW darauf hin, dass in dem Abschluss des Vertrages aus dem Jahr 1961 auch kein Gebührenverzicht gesehen werden könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW sei ein Verzicht dann nicht zulässig, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Höhe der Abgabe noch völlig ungewiss und damit die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung gar nicht feststellbar (vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.03.2002 — Az. 15 A 4043/00; OVG NRW, Beschlüsse vom 16.02.2009 — Az. 9 A 1109/08 und 28.10.2009 — Az. 9 A 2044/09).
Auch eine Rechtsverwirkung durch die beklagte Stadt kann nach dem OVG NRW nicht deshalb angenommen werden, weil diese über die vergangenen Jahrzehnte keine Vertragsanpassung gefordert habe. Verwirkung bedeutet — so das OVG NRW — das ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und zusätzlich besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben kann nach dem OVG NRW nicht in der schlichten Nichtausübung eines Vertragsanpassungs- bzw. —kündigungsrechts liegen. Hier müssten besondere Umstände hinzutreten, für deren Vorliegen der Straßenbaulastträger als Kläger jedoch nichts dargelegt habe.
Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf zutreffend ausgeführt, dass es bei dem Vertrag aus dem Jahr 1961 ein grobes Missverhältnis zwischen der Leistung (Unentgeltlichkeit der Verlegung des Kanals in der Landesstraße) und der Gegenleistung (unentgeltliche Entwässerung der Straßenoberfläche) gibt. Zu diesem Zweck sei in dem angefochtenen Urteil das — monitär bewertete — Gestattungsrecht im Hinblick auf die Verlegung des Kanals in der Landesstraße der Entwässerungsleistung der Stadt im Hinblick auf die Straßenoberflächenentwässerung gegenüber gestellt worden. Dieser auf die konkreten Verhältnisse im Kündigungsjahr 2006 bezogene Ansatz sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht willkürlich, sondern aus der Sicht des OVG NRW sachgerecht. Es sei vom Kläger nichts dafür dargelegt worden, auf welches Jahr seiner Ansicht nach zutreffender Weise hätte abgestellt werden sollen. Im Übrigen würde — so das OVG NRW - auch eine andere Bewertung wie etwa die Zusammenschau über einen längeren Zeitraum zu einer Steigerung des allein schon im Jahr 2006 bestehenden groben Missverhältnisses führen.
Die Geschäftsstelle weist unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Inhalt der Mitteilungen des StGB NRW Mai 2009 Nr. 282 ergänzend auf Folgendes hin:
Ist ein Vertrag über die Straßenoberflächenentwässerung abgeschlossen worden, so kommt es maßgeblich darauf an, wie alt die Verträge sind und ob die Gemeinde zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits eine Regenwassergebühr eingeführt hatte oder nicht. Hatte die Gemeinde zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Regenwassergebühr, so besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen und eine Vertragsanpassung zu verlangen. Dieses gilt insbesondere dann, wenn Leistung und Gegenleistung in einem krassen Missverhältnis stehen (vgl. hierzu: VG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008 — Az. 5 K 2746/08 - Missverhältnis 1:7 zwischen der geldwerten Gestattung der Verlegung des Kanal in der Straße zur Höhe der Regenwassergebühr für die Straßenfläche).
Gleichwohl muss jeder Vertrag für sich gesondert und einzeln betrachtet werden, weil es grundsätzlich auch darauf ankommt, unter welchen Ausgangslagen der Vertrag jeweils geschlossen worden ist. Eine schematische, gleichmäßige Betrachtung aller Verträge gibt es also nicht. Es kommt immer auf den jeweils einzelnen Vertrag und seinen konkreten Inhalt an.
Ist eine sachgerechte Vertragsanpassung bei einem festgestellten groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bezogen auf den konkreten Vertrag nicht erreichbar (vgl. Mitt StGB NRW Mai 2009 Nr. 282), so kann der Vertrag gekündigt werden (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008 — Az. 5 K 2746/08- abrufbar unter www.nrwe.de). In jedem Fall ist es aber möglich, mit dem Vertragspartner (z.B. dem Landesbetrieb Straßen NRW - auch als Nachfolger für die Landschaftsverbände als Straßenbaulastträger) Kontakt aufzunehmen und die Verträge unter Berufung auf die neu eingeführte Regenwassergebühr in Frage zu stellen und dann zu kündigen, wenn bei den Vertragsverhandlungen keine Einigung erzielt werden kann. Wird der Vertrag letzten Endes wegen der gescheiterten Vertragsanpassungsverhandlungen gekündigt, so ist grundsätzlich der Weg für einen Gebührenbescheid wieder eröffnet, weil es dann keinen Vertrag mehr gibt.
Das OVG NRW zuletzt mit Beschluss vom 10.08.2009 (Az.: 9 A 1161/08 ) nochmals entschieden, dass ein Straßenbaulastträger, dessen Straßenoberflächenwasser in die gemeindliche Abwasseranlage abgeleitet wird, zur Zahlung einer Regenwassergebühr herangezogen werden kann (siehe hierzu Mitt. StGB NRW September 2009 Nr. 479). Dieses gilt aber nur dann, wenn es keinen Vertrag gibt.
Az.: II/2 24-21 qu-ko