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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 140/2008 vom 07.01.2008
Oberverwaltungsgericht NRW zur gesonderten Regenwassergebühr
Das OVG NRW hat mit Urteil vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04 – nicht rechtskräftig) entschieden, dass die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über den einheitlichen Frischwasser-Maßstab (Frischwasser = Abwasser) unzulässig ist. Damit hat das OVG NRW jetzt erstmalig und endgültig klargestellt, dass jede Stadt/Gemeinde in Nordrhein-Westfalen verpflichtet ist, die Kosten der Regenwasserbeseitigung über eine gesonderte Gebühr, namentlich eine von der Schmutzwassergebühr getrennte Regenwassergebühr, abzurechnen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann im Internet unter der Adresse www.nrwe.de abgerufen werden.
1. Zur Begründung des Urteils
Der Frischwasser-Maßstab (Frischwasser = Abwasser) ist nach dem OVG NRW lediglich für die Abrechnung der Kosten der Schmutzwasser-Beseitigung ein geeigneter Wahrscheinlichkeits-Maßstab, der mit dem Äquivalenzprinzip in § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW vereinbar ist. Es ist nämlich nach dem OVG NRW ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Menge des bezogenen Frischwassers, die einem an die Abwasseranlage angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, in etwa der anfallenden Schmutzwassermenge entspricht.
Ein solcher Zusammenhang ist aber bei der Niederschlagswasserentsorgung von einem Grundstück nicht gegeben, weil der Frischwasser-Verbrauch keine geeignete Bezugsgröße ist, die einen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der kommunalen (öffentlichen) Abwasseranlage zugeführt wird. Der Frischwasser-Verbrauch ist regelmäßig personen- und produktionsabhängig. Die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers hängt hingegen von Größen wie Topographie, Flächengröße, Oberflächengestaltung und der Menge des Niederschlags ab. Damit besteht nach dem OVG NRW kein verlässlicher Zusammenhang zwischen dem Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagsmenge.
Das OVG NRW hat damit in seinem Urteil vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04 – nicht rechtskräftig) seine bisherige Rechtsprechung komplett aufgegeben, wonach bei einer einheitlichen Bebauungsstruktur im Gemeindegebiet oder aber auf der Grundlage des sog. Grundsatzes der Typengerechtigkeit die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über den Frischwasser-Maßstab noch gerechtfertigt werden konnte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.7.2005 – Az.: 9 A 2002/05 – und Beschluss vom 28.6.2004 – Az.: 9 A 1276/02 – GemHH 2004, S. 215 = NVwZ-RR 2005, S. 279 sowie OVG NRW, Beschluss vom 5.2.2003 – Az.: 9 B 2482/02).
Das OVG NRW geht insoweit davon aus, dass einerseits eine einheitliche Bebauungsstruktur in einer Gemeinde kaum vorzufinden ist und andererseits auch unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Typengerechtigkeit das Ein- und Zweifamilienhaus-Grundstück als Regeltyp nicht in Betracht kommt, weil auch diese so unterschiedlich genutzt werden, dass bei ihnen nicht von der erforderlichen annähernd gleichen mengenmäßigen Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann. Dieses zeigt sich nach dem OVG NRW auch in dem entschiedenen Fall, wonach bei einer Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über den Frischwasser-Verbrauchs-Maßstab bei Einfamilienhaus-Grundstücken eine Familie mit 2 Kindern (also 4 Personen) das Vierfache für die Regenwasserbeseitigung bezahlt als ein Ein-Personen-Haushalt. Nach dem OVG NRW folgt hieraus, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarer Größe der Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, u.a. Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
Hinzu kommt nach dem OVG NRW, dass selbst bei Ein- und Zweifamilienhäusern erhebliche Unterschiede in der Oberflächengestaltung bestehen können, die maßgeblichen Einfluss auf die Menge des zu entsorgenden Niederschlagswassers haben. Ein Einfamilienhaus könne je nach Lage nicht nur über einen befestigten Kfz-Parkplatz, sondern auch über mehrere verfügen. Auch diese Unterschiede werden nach dem OVG NRW bei der Kostenumlage für die Entsorgung des Niederschlagswassers auf der Grundlage des Frischwasser-Verbrauchs-Maßstabes in keiner Weise berücksichtigt.
Das OVG NRW lässt auch nicht gelten, dass Einführungskosten und Kosten durch die Pflege des Datenbestandes für eine gesonderte Regenwassergebühr auf der Grundlage eines flächenbezogenen Maßstabes (pro Quadratmeter bebaute und/oder versiegelte, abflusswirksame Fläche) entstehen. Einer Gemeinde steht es nach dem OVG NRW insoweit frei, z.B. ohne großen finanziellen Aufwand im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner die an die gemeindliche Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen zu ermitteln und sich auf eine stichenprobenweise Überprüfung zu beschränken. Wenn die Gemeinde dabei feststellen sollte, dass Gebührenschuldner pflichtwidrig nicht der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht haben, könne sie auch später weitere Kontrollen vornehmen und entsprechende Nachveranlagungen, soweit erforderlich veranlassen.
Schließlich lehnt das OVG NRW auch eine Rechtfertigung des Frischwassermaßstabes für die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 12.6.1972 – Az.: VII B 117.70 – KStZ 1873, S. 92) ab, wonach eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung als geringfügig angesehen werden können und jedenfalls nicht mehr als 12 % der gesamten Abwasserentsorgungskosten betragen. Zum einen wird nach dem OVG NRW in der aktuellen Fachliteratur ein derartig geringer Kostenanteil für nahezu ausgeschlossen gehalten, weil bislang durchgeführte Untersuchungen gezeigt haben, dass bei den Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung gegeben ist (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, S. 83 – niedrigster Anteil: 25 % ; Mittelwert: 41 %; Hennebrüder, KStZ 2003, S. 5 unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Zum anderen ergab sich aus dem Gebührensatz der beklagten Gemeinde für einen Teilanschluss Schmutzwasser im Vergleich zu dem Gebührensatz für einen Vollanschluss (Schmutzwasser und Regenwasser), dass die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung bei über 38 % lagen und damit der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserentsorgung erheblich über dem vom Bundesverwaltungsgericht angehaltenen Schwellenwert lagen.
2. Nichtzulassungs-Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht
Das Urteil des OVG NRW vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3648/04) ist noch nicht rechtskräftig. Die betroffene Stadt wird Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. Erst wenn diese zurückgewiesen wird, ist das Urteil des OVG NRW rechtskräftig. Erst dann stünde fest, dass die Abwassergebührensatzung einer Stadt/Gemeinde, die keine gesonderte Regenwassergebühr eingeführt hat, rechtswidrig ist, weil die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung über die einheitliche Abwassergebühr auf der Grundlage des Frischwassermaßstabes (Frischwasser = Abwasser) unzulässig ist.
Az.: II/2 24-21 qu/ko