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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 652/1999 vom 20.09.1999
Oberverwaltungsgericht NW zur Abfallüberlassung
Der 20. Senat des OVG NW hat mit Beschluß vom 05.08.1999 (Az: 20 B 2007/98) erneut zur Abfallüberlassungspflicht der Industrie- und Gewerbebetrieben nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz entschieden. Zunächst bekräftigt das OVG NW seine Rechtsauffassung, wonach der Abfallbesitzer in bezug auf den in Rede stehenden "einzelnen Abfall" konkrete Verwertungsmaßnahmen benennen muß oder zumindestens die Möglichkeit einer zeitnahen Verwertung substantiiert, d.h. schlüssig und nachvollziehbar aufzuzeigen hat, damit eine Abfallfraktion als "Abfall zur Verwertung" angesehen werden kann und nicht als "Abfall zur Beseitigung" anzusehen ist, der an die abfallentsorgungspflichtige Stadt/Gemeinde zu überlassen ist (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluß vom 25.06.1998 - 20 B 1427/97 -, NVWZ 1998, S. 1207, S. 1208; OVG NW, Beschluß vom 18.09.1998 - 22 B 1856/98 -, NWVZ 1999, S. 674 f.; OVG Lüneburg, Beschluß vom 06.05.1998, - 7 M 3055/97 -, NVWZ 1998, S. 1202 f.).
Weiterhin vertritt das OVG NW die Rechtsansicht, daß auch Abfallgemische "Abfall zur Verwertung" sein können. Dabei weist das OVG NW darauf hin, daß Abfallgemische nicht nur nachträglich durch Vermischung zunächst sortenrein angefallener Abfälle entstehen können, sondern auch schon vornherein als Abfallgemisch anfallen können. Jedenfalls für die Fälle, wo Abfallgemische von vornherein als solches anfallen sieht das OVG NW diese Abfallgemische als "einzelnen Abfall" im Sinne des §§ 4 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG an, mit der Folge, daß dann mit Blick auf dieses Abfallgemisch festzustellen ist, ob es sich um "Abfall zur Verwertung" oder "Abfall zur Beseitigung" handelt. Dabei ist entsprechend der sog. "Hauptzweckklauseln" in § 4 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG zu prüfen, ob der Hauptzweck der Entsorgungsmaßnahme in bezug auf den von vornherein als Abfallgemisch angefallenen "einzelnen Abfall" in der Verwertung oder in der Beseitigung liegt.
Das OVG NW stellt in diesem Zusammenhang klar, daß bei einem von vornherein als Abfallgemisch anfallendem Abfall das Vorliegen eines (generellen) Verwertungsverbotes mit einer daraus resultierenden Überlassungspflicht an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht angenommen werden kann, weil damit dem Ziel des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, eine umweltverträgliche Kreislaufwirtschaft zu fördern, nicht Rechnung getragen würde.
Die Geschäftsstelle weist darauf hin, daß sich das OVG NW damit offenbar jedenfalls in Bezug auf von vornherein gemischt anfallende Abfälle (Abfallgemische) wohl nicht der bislang bekannten obergerichtlichen bzw. obergerichtlich bestätigten Rechtsprechung anschließt, wonach "Abfälle zur Beseitigung" und "Abfälle zur Verwertung" als Abfallgemisch nicht sortiert werden dürfen, weil insofern eine Behandlung von "Abfällen zur Beseitigung" im Sortierungsvorgang zu sehen ist und sich hieraus ein Verwertungshindernis ergibt, weil eine Behandlung von "Abfällen zur Beseitigung" ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als Aufgabe nach § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG zugewiesen ist (so: OVG Koblenz, Beschluß vom 03.02.1999 - Az: 8 B 10134/99, NVWZ 1999, S. 682 ff.; VG Regensburg, Urteil vom 10.11.1997 - Az: RN 13 K 97.993 - NVWZ 1998, S. 431; bestätigt durch Bayerischen Verwaltungsgerichts, Beschluß vom 03.02.1998 - Az.: 20 ZB 98.196 - NVWZ 1998, S. 1205 ; VG Sigmaringen, Beschluß vom 26.01.1998 - Az: 3 K 1517/96 - NVWZ 1998, S. 429, bestätigt durch VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 24.03.1998 - Az: 10 S 493/98 - NVWZ 1998, S. 1207).
Diese Rechtsprechungstendenz des OVG NW führt dazu, daß es jedenfalls in Nordrhein-Westfalen praktisch keine "Abfall zur Beseitigung" aus Industrie- und Gewerbebetrieben mehr gibt, sobald durch den Abfallbesitzer/-erzeuger vorgetragen wird, es sei ein Abfallgemisch von vornherein als solches angefallen und dieses Abfallgemisch sei "Abfall zur Verwertung". Diese Rechtsprechungstendenz trägt nach Auffassung der Geschäftsstelle jedenfalls insoweit dem Willen des Bundesgesetzgebers nicht Rechnung als dieser in §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 KrW-/AbfG erkennbar davon ausgegangen ist, daß es auch unter dem KrW-/AbfG "Abfälle zur Beseitigung" aus Industrie- und Gewerbebetrieben gibt. Das OVG NW reduziert damit den Anfall von "Abfällen zur Beseitigung" offenbar auf den Bereich der "Scheinverwertung", d.h. daß "Abfälle zur Beseitigung" und "Abfälle zur Verwertung bewußt und gezielt in einem Container zusammengeworfen werden, um sie dann unter dem Deckmantel des sog. "Abfalls zur Verwertung" zu entsorgen. Dabei kommt nach dem OVG NW den Städten und Gemeinden als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Aufgabe zu, den Sachverhalt im konkreten Einzelfall bis ins Detail aufzuklären, d.h. sie müssen den Nachweis führen, daß der Abfallbesitzer/-erzeuger lediglich ein "Scheinverwertungsverfahren" durchführen und damit die Abfallüberlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG zu umgehen will.
Vor diesem Hintergrund kann nur empfohlen werden, auf der Grundlage der oben genannten Rechtsprechung in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz weiter zu verfahren und die Rechtslage endgültig durch das Bundesverwaltungsgericht klären zu lassen (siehe hierzu ausführlich die Mitt.NWStGB 1999, Nr. 442 und 443, S. 214ff.).
Weiterhin hat sich das OVG in seinem Beschluß vom 05.08.1999 (Az: 20 B 2007/98) auch zur Regelung des § 4 a Abs. 1 Landesabfallgesetz NW geäußert, wonach der Abfallbesitzer "Abfälle zur Beseitigung" und "Abfälle zur Verwertung" bereits an der Anfallstelle zu trennen hat. Diese Regelung versteht das OVG NW offenbar dahin, daß diese dann keine Rolle spielt, wenn Abfälle nicht nachträglich vermischt werden, sondern bereits ursprünglich als Abfallgemisch anfallen. Das OVG stellt jedenfalls klar, daß den Abfallbesitzer bzw. Abfallerzeuger die Pflicht zur Getrennthaltung nach § 4 a Abs. 1 Landesabfallgesetz NW jedenfalls dann nicht trifft, wenn Abfallgemische von vornherein als Gemisch anfallen. Hier sei der Abfallbesitzer/Abfallerzeuger nicht zur nachträglichen Trennung und auch nicht zur Gewährleistung eines getrennten Anfalls beider Kategorien von Abfällen verpflichtet. Auch insoweit bleibt allerdings unberücksichtigt, daß die Regelung in § 4 a Abs. 1 KrW-/AbfG die Abfallüberlassungspflicht für "Abfälle zur Beseitigung" nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ausfüllt, weil der Bundesgesetzgeber anderenfalls im KrW-/AbfG hätte festschreiben können, daß "Abfälle zur Beseitigung" nur noch in privaten Haushaltungen, nicht aber bei Abfallbesitzern/-erzeugern anfallen, die keine privaten Haushaltungen sind. Vor diesem Hintergrund dient die Regelung in § 4a Abs. 1 LAbfG NW gerade dazu, "Scheinverwertungsverfahren" zu verhindern.
Insgesamt kann den Städten und Gemeinden deshalb nur empfohlen werden, die Sachverhalte im konkreten Einzelfall sorgfältig aufzuklären (vgl. hierzu ausführlich auch: Mitt. NWStGB 1998, Nr. 677, S. 377), so wie es die abfallentsorgungspflichtige Kommune in dem Fall getan hat, der durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluß vom 31.05.1999 (Az.: 10 S 2766/98; Mitt. NWStGB 1999, Nr. 443, S. 215f.) zugunsten der Kommune entschieden worden ist. Im übrigen verbleibt nur die Möglichkeit in einem Urteilsverfahren eine Klärung der Rechtslage durch das Bundesverwaltungsgericht herbeizuführen.
Az.: II/2 31-02-5 qu/g